»Die EU ist eine Union der sozialen Ungerechtigkeit«
Interview: Carina SchererWie sind Sie zu DIEM 25 bzw. dem deutschen Ableger MERA 25 gekommen?
Es waren zuerst der Ukraine-Krieg und der kriegstreiberische Konsens unserer Parteien, die mich sehr irritiert haben. Dann kamen der Krieg in Gaza und die Komplizenschaft der Bundesregierung bei Israels Genozid hinzu. Beide Themen werden aus unserer Sicht in den Medien extrem einseitig dargestellt. Kritiker dieses Tenors werden schnell diskreditiert oder, das haben wir bei propalästinensischen Demonstrationen gesehen, sogar kriminalisiert. Letzteres hat mich auch auf persönlicher Ebene mitgenommen. Als Zwillingsmama, hochschwanger im Oktober 2023, erlebte ich einen Notkaiserschnitt, während in Gaza Frauen unter katastrophalen Bedingungen entbinden mussten.
MERA 25 betont, kaum Berufspolitiker zu haben.
Wir sehen darin eine Stärke. Wir kommen mit unseren genuinen Anliegen aus allen Ecken der Gesellschaft, sind nicht getrieben von Parteikarrieren oder Lobbyinteressen. Die Herausforderungen bestehen darin, politische Routine und eine funktionierende Parteistruktur zu etablieren. Doch dafür benötigen alle neuen Parteien Durchhaltevermögen.
Was sind die zentralen Punkte des Programms von MERA 25?
Wir streben eine sozial-grüne Wende an, durch Reformen im Finanzsystem, eine Vermögenssteuer, ein universelles Grundeinkommen und mehr direkte Demokratie durch Bürgerräte. Wir wollen den Kapitalismus Schritt für Schritt transformieren und lehnen Austeritätspolitik ab. Unser Ziel ist eine gerechte Gesellschaft, die einen Gegenpol zu rechtspopulistischen Strömungen darstellt. Als deutscher Wahlflügel der paneuropäischen Bewegung DIEM 25 ist unser langfristiges Ziel ein starkes, vereintes und soziales Europa der Bürger und nicht der Konzerne.
Wie realistisch ist diese Vision in Zeiten eines allgemeinen Rechtsrucks?
Grenzen, exklusive Identitäten, Rassismus und ihre Folgen für unter anderem die Migrationspolitik, wie wir nun zum Beispiel in der Aufweichung des Asylrechts sehen, kommen leider von rechtsaußen zunehmend in die gesellschaftliche Mitte. Die Gründe sind vielfältig: Armut, Abstiegsangst und kulturelle Entfremdung in einer globalisierten Welt. Hunger, Verfolgung und – auch aus Deutschland angeheizte – Kriege werden aber weiterhin Millionen Menschen zur Flucht zwingen. Deshalb stehen wir für eine gerechte Entwicklungspolitik, für Frieden und offene Grenzen.
Wie können wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen Ländern wie Deutschland und Ländern wie Rumänien ausgeglichen und Konzepte wie Grundeinkommen oder die Viertagewoche auf EU-Ebene umgesetzt werden, ohne dass ökonomisch stärkere Staaten dominieren?
Die EU ist eine Union der sozialen Ungerechtigkeit, in der reiche Länder und große Unternehmen bevorteilt werden. Mit einem europäischen Grundeinkommen, einer Finanztransaktionssteuer und massiven Investitionen der EZB in eine sozial-grüne Wende hätten wir effektive Maßnahmen für Aufschwung und Gerechtigkeit. Durch direkte Demokratie auf nationaler und europäischer Ebene wollen wir außerdem das Mitspracherecht der Bürger stärken.
Wie will MERA 25 für solche Ideen werben?
Wir leben schon in einer absurden Welt, in der sich die Nationalisten und Rechtspopulisten jenseits der nationalen Grenzen, die sie hochhalten, zusammenschließen. Aber genau das müssen wir als Humanisten auch tun. Ganz besonders, weil wir in einer Zeit der Informationskriege, Filterblasen und Wissensverunsicherung leben. Wenn wir uns als Menschheitsfamilie verstehen und aufhören, uns von Oligarchen und identitären Rattenfängern vormachen zu lassen, das Problem wären die Migranten oder wer auch immer, haben wir eine Chance auf eine viel bessere Welt. Gerade DIEM 25 ist dabei ein Hoffnungsschimmer, weil es Menschen über nationale Grenzen hinweg vereint, die gemeinsam für dieselbe Sache einstehen. Wenn wir mehr Menschen politisch aktivieren, können wir echte Veränderungen erzielen. Und paneuropäische Politik ist der Schlüssel dazu.
Carolina Rehrmann ist Habilitantin in Konfliktforschung und Sozialpsychologie an der Universität Jena. Sie ist Mitglied im Koordinationsgremium von DIEM 25 und tritt für MERA 25 bei den Bundestagswahlen an
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