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Aus: Ausgabe vom 28.01.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
René Benko in U-Haft

Wunderwuzzis letzte Runde

Das Geldkarussell des René Benko dreht sich nicht mehr: Umfangreiche Ermittlungen gegen Gründer der insolventen Signa-Gruppe
Von Gudrun Giese
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Vermögenswerte an der Konkursmasse vorbeigeschleust? Signa-Gründer René Benko im Mai 2024 in Wien

Von einer Innsbrucker Villa hinter schwedische Gardinen zog Immobilienspekulant und Pleitier René Benko in der vergangenen Woche um. Wegen »Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr« entschied das Landgericht Wien auf seine Festnahme und Untersuchungshaft. Am 7. Februar soll über die mögliche Fortsetzung der Untersuchungshaft entschieden werden, meldete vergangenen Freitag tagesschau.de.

Bereits einen Tag zuvor war der einstige Gründer der seit 2023 insolventen Signa-Gruppe in den Bau gewandert. Nicht nur in Österreich, auch in der Bundesrepublik und in Italien wird gegen den Mann mit dem Spitznamen »Wunderwuzzi« ermittelt. Die jetzige Festnahme ist Folge von Ermittlungen der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die Benko verdächtigt, erhebliche Vermögenswerte im Rahmen seines persönlichen Insolvenzverfahrens gegenüber Gläubigern und Behörden verborgen zu haben. Er selbst äußerte sich vor dem Wiener Landgericht nicht zu den Vorwürfen, sein Anwalt bestritt sie. Unterdessen laufen weitere Ermittlungen wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Mit der Insolvenz des Konzerns, zu dem neben den Galeria-Warenhäusern auch die Luxusgeschäfte Kadewe, Alsterhaus und Oberpollinger sowie zahlreiche prestigeträchtige Neubauprojekte wie der Hamburger »Elbtower« und die Alte Akademie in München zählten, sei »das verschachtelte Firmenkonstrukt« zusammengebrochen, so tagesschau.de. Die Forderungen der Gläubiger gegen Benko summierten sich im Zuge der zahlreichen Insolvenzverfahren auf rund 2,4 Milliarden Euro.

Während bisher nur Bruchteile dieses Geldes durch den Verkauf etwa der Warenhäuser zusammenkamen, lenkte Benko offenbar erhebliche Vermögenswerte an der Konkursmasse vorbei, berichtete in der vergangenen Woche die österreichische Zeitung Der Standard. Eine zentrale Rolle bei diesen Manövern sollen insgesamt vier private Stiftungen spielen, die Benko zusammen mit seiner Mutter gegründet hatte. Obwohl er offiziell weder in der Signa-Gruppe noch in den Stiftungen eine Organfunktion innehatte, stellte das WKStA fest, dass er unter anderem »faktischer Machthaber und wirtschaftlicher Berechtigter« der Laura-Privatstiftung gewesen sein soll. Das habe er im Zusammenhang mit seinem in Innsbruck laufenden persönlichen Insolvenzverfahren verheimlicht. Die ermittelnden Staatsanwälte verweisen dabei auf ihre Recherchen durch Telefonüberwachung, Nachrichtenauswertung und Aussagen aus Benkos Umfeld. Kriminelle Energie habe der Signa-Gründer immer wieder bewiesen: So soll Benko eine Rechnung nachträglich hergestellt und auf diese Weise ein Beweismittel gefälscht haben. Auf diesem Wege wollte er drei teure Schusswaffen als persönliches Eigentum retten.

Im Zuge der Ermittlungen sollen inzwischen auch eine Wiener Wohnung Benkos sowie ein Chalet in Lech in Vorarlberg durchsucht worden sein, wobei offenbar Vermögenswerte, Unterlagen sowie Datenträger sichergestellt und beschlagnahmt wurden. Es geht nicht allein darum, Benkos Praktiken bei der Verschiebung privater Vermögenswerte aufzudecken, sondern auch um das Geschäftsmodell der Signa-Gruppe. Laut WKStA soll Benko im großen Stil Investoren getäuscht haben, um von ihnen immer weitere Finanzspritzen für seine zahlreichen Immobilienprojekte zu erhalten. Er hätte Geld von Investoren als eigene Mittel ausgegeben und so weitere Geldgeber getäuscht. Die Staatsanwaltschaft bezeichnet diesen Tatkomplex als »Kapitalerhöhung durch Geldkarussell«. Weiterer Ermittlungsgegenstand ist der Verkauf der »Villa Eden Gardona« am norditalienischen Gardasee. Laut Standard soll die Signa Holding diese Immobilien an die zum Benko-Dunstkreis gehörende Ingbe-Stiftung in Liechtenstein ohne ausreichenden Gegenwert verkauft haben. Hier bestehe Untreueverdacht gegen Benko und andere.

Ermittelt wird außerdem in der Bundesrepublik und in Liechtenstein wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Da bei Signa und Benko vieles miteinander verknüpft ist, haben die Staatsanwaltschaften in Berlin und München I beschlossen, mit der österreichischen WKStA als sogenanntes Joint-Investigation-Team zusammenzuarbeiten. Erste Recherchen richten sich dabei auf den Verdacht eines Investmentbetrugs beim »Projekt Franz« am Münchener Bahnhofsvorplatz. Hier hätten Benko und andere einen ausländischen Staatsfonds als Investor gefunden, anschließend den Erlös der Anleihe teilweise zweckwidrig verwendet. In Italien wird bereits seit 2019 gegen Benko ermittelt. Die Behörden werfen ihm und seinen Geschäftspartnern vor, in Norditalien und Südtirol eine »mafiaähnliche« kriminelle Verbindung gegründet und ungebührlichen Einfluss auf Ämter genommen zu haben, hieß es im Standard. Auch eine Bürgermeisterin in einer Gemeinde am Gardasee kam vorläufig in Hausarrest. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

Allerdings hat René Benko schon in den Anfangszeiten seiner Unternehmertätigkeit Erfahrungen mit der Strafjustiz gemacht: 2012 verurteilte das Landgericht Wien ihn und seinen Steuerberater Michael Passer wegen Schmiergeldzahlungen zu einer »bedingten Haftstrafe«, also Bewährung, von jeweils zwölf Monaten. Hintergrund dafür: Benko soll 2009 dem damaligen kroatischen Premierminister 150.000 Euro angeboten haben, damit der sich bei einem in Italien anhängigen Gerichtsverfahren für ihn verwende. Das Oberlandesgericht und der Oberste Gerichtshof bestätigten diese Urteile wegen der Schmiergeldzahlungen später, inzwischen sind die Einträge gelöscht. Trotzdem war Benkos Ruf ruiniert, was allerdings Unternehmen, Politiker sowie Manager nicht davon abhielt, durch Grundstücküberlassungen sowie Investments mit fremdem Geld den Signa-Konzern erst richtig groß werden zu lassen.

Hintergrund: Signa-Gruppe in Abwicklung

Die Insolvenz der Signa-Gruppe kam nicht für alle Akteure überraschend. Allzuschnell war das Immobilien- und Handelsimperium des österreichischen Spekulanten René Benko in kurzer Zeit gewachsen. Als dann die Bauzinsen kräftig stiegen, gleichzeitig die Werte für Gebäude sanken, brach das Geschäftsmodell schnell zusammen. Nach den Insolvenzen des verschachtelten Firmenkonglomerats liegen in vielen Großstädten begonnene Bauprojekte brach. Immerhin gibt es erste Verkäufe.

Während über die Zukunft des Signa-Projektes »Elbtower« in Hamburg noch verhandelt wird, sind drei Immobilien des insolventen Konzerns in der Hansestadt inzwischen verkauft. Mitte Januar berichtete finance-magazin.de mit Verweis auf die Immobilienzeitung über die Veräußerung des Hamburger »Kaufmannshauses« in bester Lage für 165 Millionen Euro an den Londoner Vermögensverwalter »Attestor«. Die »Alsterarkaden« sollen für 130 Millionen Euro an den Hamburger Investor Harm Müller-Speer gehen, und die Investmentgesellschaft Hansemerkur Grundvermögen übernimmt danach für 90 Millionen Euro die nach dem Abriss durch Signa brachliegende Fläche am Gänsemarkt inklusive Projektentwicklung.

Einstige Signa-Führungskräfte sollen für Schäden aufkommen, die sie verursacht haben. So geht der Insolvenzverwalter der Signa Prime Selection gegen die Exvorstände Manuel Pirolt, Timo Herzberg, Tobias Sauerbier und Claus Stadle sowie ehemalige Aufsichtsräte wie den früheren österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) vor. Nach Angaben des ORF fordert der Insolvenzverwalter eine Haftungssumme von mindestens einer Milliarde Euro von ihnen. Dieser Schaden sei durch rechtswidrige Zahlungen und nicht zurückgeforderte Konzernkredite entstanden. Außerdem hätten Vorstand und Aufsichtsräte gewusst, dass die Signa Prime schon seit März 2022 zahlungsunfähig gewesen sei, so der ORF. Deshalb werde ihnen auch Insolvenzverschleppung vorgeworfen.

Ende vergangenen Jahres kippte der Oberste Gerichtshof Österreichs den eigentlich vorgesehenen Treuhandsanierungsplan für die Signa Development Selection wie zuvor schon für die Signa Prime Selection. Damit müssen beide insolventen Unternehmen ein klassisches Konkursverfahren durchlaufen, meldete finance-magazin.de Anfang Januar. Für einen Treuhandsanierungsplan seien die formalen Voraussetzungen nicht ausreichend erfüllt gewesen, hieß es. Andrea Fruhstorfer von der Rechtsanwaltskanzlei Ecolaw wurde für das Konkursverfahren als Masseverwalterin bestellt. Unter ihrer Aufsicht soll Signa Development Selection bis auf weiteres fortgeführt werden, meldete die Anwaltskanzlei. Ziel sei es, das gesamte Unternehmensvermögen bestmöglich im Interesse der Gläubiger zu verwerten. (gg)

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