»Big Oil« nicht begeistert
Von Knut Mellenthin
Drei Tage nach Beginn seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident hat Donald Trump einen Vorschlag zur sofortigen Beendigung des Ukraine-Krieges auf den Ideenmarkt geworfen. In einer Videoschaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos erzählte er am Donnerstag: »Ich werde Saudi-Arabien und die OPEC bitten, den Ölpreis zu senken. Man muss ihn runterbringen, und es überrascht mich, offen gesagt, dass sie das nicht schon vor der Wahl gemacht haben. Viel Liebe haben sie damit nicht gezeigt. (…) Wenn der Preis sinken würde, würde der russisch-ukrainische Krieg sofort enden. Jetzt ist der Preis hoch genug, dass der Krieg weitergeht. (…) In einem gewissen Grad sind sie sehr verantwortlich dafür, was dort stattfindet: Millionen von Leben sind verlorengegangen. Wenn die Ölpreise sinken, würde ich fordern, dass sofort die Zinssätze fallen. Und sie sollten gleichermaßen überall auf der Welt fallen.«
Trump wollte damit offenbar sagen, dass Russland die Kriegführung in der Ukraine nicht mehr finanzieren könnte, wenn die Einnahmen aus dem Ölexport sinken würden. Dazu müssten die Ölpreise allerdings drastisch sinken. Dazu nannte der alte und neue US-Präsident bisher keine Zahlenvorstellung. Das tat an seiner Stelle der Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, Andrij Jermak: Auf Telegram begrüßte er am Donnerstag Trumps Ankündigung und gab das Ziel vor, den Preis für ein Barrel Öl auf 30 US-Dollar zu drücken. Zur Zeit wird die international wichtigste »Marke« Brent zwischen 78 und 79 US-Dollar pro Barrel gehandelt. 30 US-Dollar entspräche ungefähr dem Preis im ersten Coronajahr 2020, der durch eine rasant fallende Nachfrage bestimmt war. Dieses Niveau unter den gegenwärtigen Umständen wieder erreichen zu wollen, ist absurd.
Das läge auch nicht im Interesse der US-amerikanischen Ölindustrie, der Trump goldene Zeiten versprochen hat. Am Tag seiner Amtseinführung am Montag voriger Woche erklärte er den »Energienotstand« und unterzeichnete eine Anordnung, »Amerikas Energie zu entfesseln«. Sie soll die Erkundung und Ausbeutung der Erdöl- und Erdgasvorkommen fördern und »die Vereinigten Staaten als globalen Energieführer weit in die Zukunft konsolidieren«. Unter anderem strich Trump damit verschiedene Beschränkungen, die sein Vorgänger Joe Biden mit umwelt- und klimapolitischen Begründungen angeordnet hatte.
Unter Experten herrscht Unverständnis über den angeblichen »Energienotstand«: US-Unternehmen haben im vergangenen Jahr 13,2 Millionen Barrel Rohöl pro Tag (bpd) produziert, erheblich mehr als Saudi-Arabien (10,5 Millionen bpd) und Russland (10 Millionen bpd). Für das laufende Jahr ist die Rekordmenge von 13,5 Millionen Barrel pro Tag angepeilt. Eine Steigerung darüber hinaus ist für die US-amerikanischen Unternehmen schon beim derzeitigen Preisniveau nicht attraktiv – und wäre es noch weniger, wenn Trump sich mit seiner Forderung an Saudi-Arabien und die OPEC, die eine Überproduktion zur Voraussetzung hätte, durchsetzen würde. Statt noch mehr zu investieren und zu produzieren, dabei gegen sinkende Einnahmen anzuarbeiten, ziehen die Kapitalisten die Ausschüttung höherer Dividenden an die Aktionäre vor.
Aus saudi-arabischer Perspektive sind die Ölpreise schon jetzt zu niedrig, um zugleich die laufenden Staatsausgaben und die Kosten der ambitionierten Projekte zu decken, die unter anderem einem Umbau der Wirtschaft des Landes, weg von der totalen Abhängigkeit vom Erdölexport, dienen sollen. Allein die Planung für die »Zukunftsstadt« Neom am Golf von Akaba schlägt mit 500 Milliarden US-Dollar zu Buch.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Regierung in Riad Trumps »Bitte«, für niedrigere Ölpreise zu sorgen, eine moderat formulierte, aber eindeutige Abfuhr erteilte: Das Königreich und die OPEC seien auf »langfristige Marktstabilität« orientiert, »um sicherzustellen, dass es genug Versorgung für die wachsende Nachfrage gibt«, erklärte Wirtschaftsminister Faisal Al-Ibrahim am Freitag.
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