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Aus: Ausgabe vom 30.01.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
IG Metall und Rüstung

Konversion umgedreht

Industriebetriebe werden in Rüstungsbetriebe umgewandelt. Die IG Metall ist froh um jeden Job
Von Susanne Knütter
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IG Metall im Hintergrund: SPD-Kanzler Olaf Scholz mit Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil und SPD-Landeswirtschaftsminister Olaf Lies bei der Meyer-Werft (Papenburg, 22.8.2024)

Dort, wo bislang – zum Teil mehr als anderthalb Jahrhunderte – Fahrzeuge und zivile Industriegüter hergestellt wurden, könnten demnächst Panzer, Panzerzubehör und andere Militärgüter produziert werden. Die Beispiele häufen sich. Der Kölner Motorenhersteller Deutz malt sich höhere Gewinnchancen aus, wenn er künftig Motoren für Radpanzer anstatt Landmaschinen herstellt. Die Meyer-Werft könnte künftig Kriegs- statt Kreuzfahrschiffe produzieren. Der Waggonbau in Görlitz wird nach gut 176 Jahren nun tatsächlich beendet werden. Trotz angeblicher Energiewende. Was sich im Oktober angedeutet hatte, wurde dieser Tage bestätigt: Das Werk, das Alstom 2021 von Bombardier übernommen hatte, geht an den Rüstungskonzern KNDS. Rückblickend auf eine lange Auseinandersetzung mit dem Schienenfahrzeughersteller Alstom um eine ordentliche Auslastung des Werks, sagte der IG-Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen, Dirk Schulze, am Mittwoch gegenüber jW: »Für uns ist wichtig, dass die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze behalten und sie weiter zu Tarifbedingungen arbeiten können.«

KNDS, das aus dem Zusammenschluss von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter hervorgegangen ist, schielt Medienberichten zufolge auch nach den Volkswagenwerken in Salzgitter und Zwickau. Gegenüber der Braunschweiger Zeitung erklärte die IG Metall Salzgitter-Peine, das Interesse an VW Salzgitter sei unter dem Eindruck entstanden, dass dort 50 Prozent des Volumens in Frage stehen. Dem sei jedoch nicht so. Auch Cem Ince, Mitglied der Vertrauenskörperleitung der IG Metall im VW-Werk Salzgitter, hält das momentan für unwahrscheinlich. Es seien Milliarden in neue Gebäude u. a. zur Batteriezellproduktion investiert worden. Für das Werk in Osnabrück sei die Gefahr größer. Dort werde bis 2027 das T-Roc Cabriolet gebaut. Wie es danach weitergeht, sei noch völlig offen. Aber tatsächlich suchten Rüstungskonzerne nach neuen Standorten, und wo sie eine Möglichkeit wittern, klopften sie an, so Ince im Gespräch mit jW.

Der Sprecher der IG Metall Niedersachsen, Jan Mentrup dementierte Berichte über das Engagement von Rheinmetall und KNDS an den VW-Standorten Osnabrück, Salzgitter und Zwickau: »Mir sind keine konkreten Angebote oder Vorhaben bekannt.« Dass Arbeitsplätze künftig nur noch in der Rüstungsindustrie entstehen würden oder garantiert seien, hält Mentrup für unrealistisch und falsch. Politik müsse die »entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, dass Deutschland weiterhin Industrieland bleibt«.

Vertrauensmann Ince wird deutlicher: Es gebe Alternativen zur Rüstungsindustrie. Aber anstatt etwa den Umbau zu CO2-neutralem Stahl und die Elektromobilität zu fördern, bekomme die Militärindustrie alles, was sie braucht. »Das ist politisch gewollt.« Der ehrenamtliche IG Metaller würde sich wünschen, dass der Gewerkschaftsvorstand hier klarer und einheitlich Position beziehen würde. Das sei wichtig, um auch den Kollegen, deren Jobs bedroht sind, eine Perspektive jenseits der Rüstungsindustrie aufzuzeigen.

Man kann sagen, es findet eine Konversion statt, aber von der zivilen zur Rüstungsproduktion. Und die IG Metall ist still. An der Basis gibt es natürlich deutliche Positionierungen. »In den Gremien konfrontieren wir den Hauptamtlichen immer wieder mit der Friedensfrage«, betont Ince. Auf Appellen für Frieden und Abrüstung tauchen immer wieder auch Namen von hauptamtlichen IG-Metall-Funktionären auf. IG-Metall-Geschäftsstellen mobilisieren zu Antikriegstagen wie dem 1. September. In der täglichen Arbeit aber spielt das Thema keine Rolle. Im Gegenteil, die IG Metall macht sich Gedanken darüber, wie die »Verteidigungsindustrie« zukunftsfähig gemacht werden kann.

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