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Aus: Ausgabe vom 30.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Arme Poeten des Tages: Ukrainische Medien

Von Reinhard Lauterbach
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Als »unabhängig« bezeichnet die bürgerliche Öffentlichkeit Medien, denen sie a priori Glaubwürdigkeit zubilligt, weil sie nicht von denen abhängig sind, denen man keine folgsamen Medien wünscht: alle möglichen Putins, Lukaschenkos, Iwanischwilis und sonstigen »Autokraten«. Dass sie aber »unabhängig« von diesen Politikern sind, heißt im Umkehrschluss durchaus nicht, dass sie nicht von anderer Seite abhängig wären, nämlich von der richtigen.

Zu besichtigen ist das jetzt in der Ukraine. Kaum hat US-Präsident Trump die »Auslandshilfen« gestrichen, steht einer Reihe »unabhängiger« ukrainischer Internetplattformen das Wasser bis zum Hals. Bihus.info und Hromadske. ua etwa blieben ihren Autoren und Beschäftigten sofort die Gehälter und Honorare schuldig. Dabei war Hromadske – auf deutsch »Bürgerfernsehen« – kurz vor dem Auftakt des Euromaidan extra mit Geld der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID auf Sendung gehoben worden.

Die vor 25 Jahren vom im Dienst der USA stehenden georgischen Politabenteurer Georgij Gongadse gegründete Ukrainska Pravda als ältestes dieser »unabhängigen« Medien hat zwar als Platzhirsch auf dem Markt einen besseren Stand, aber dieselben Probleme. Man hoffe sehr, so der Verlag jetzt in einer Hausmitteilung, dass man nicht gezwungen sein werde, die eigenen Inhalte künftig kostenpflichtig anzubieten.

Etwa deshalb, weil der propagandistische Zweck in Zweifel steht, wenn sich Leute fragen, ob sie für die bei der Ukrainska Pravda üblichen Dreisatzmeldungen künftig auch noch bezahlen sollen? Am Ende steht gar die »strategische Bedeutung« der entsprechenden Medien mangels Reichweite auf dem Spiel, und das Personal kann sich nicht mehr im schönen Kiew dem Zugriff der Rekrutierer entziehen und andere an die Front kommandieren, pardon: kommentieren? Nicht auszudenken.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. Januar 2025 um 11:04 Uhr)
    Unabhängige Medien – im wahrsten Sinne des Wortes! Jeder sollte sich nach seiner Decke strecken! Nach der Finanzkrise 2007/08, ausgelöst durch die US-Immobilienblase, überschütteten US-Investoren und Philanthropen die Ukraine in unverständlicher Großzügigkeit mit Geld – mit beiden Händen, als wäre es bloß Konfetti. Die ukrainischen Medien wähnten sich in einem goldenen Zeitalter westlicher Freiheit. Doch, wie es so schön heißt: Wer zahlt, schafft an. Und nun? Das große Geldverdienen ist vorbei – welch unerwarteter Zufall! Plötzlich geht es nicht mehr um das noble »Finanzieren westlicher Werte«, sondern um das harte »Selbst ist der Journalist«. Andere Zeiten brechen an, für die Ukraine wie für die USA – und das Wort »unabhängig« bekommt eine ganz neue, überaus praktische Bedeutung!

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