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Aus: Ausgabe vom 30.01.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Die Milch macht’s

Nicole Kidman schämt sich in dem prüden Softerotikfilm »Babygirl« ihrer BDSM-Neigungen
Von André Weikard
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Weichgespült im Pool: Milchschleckerin Romy (Nicole Kidman) und Milchbubi Samuel (Harris Dickinson)

»Kinobesucher flüchten aus dem Saal«, berichtet das Schweizer News­portal Watson. T- online findet den Film »verstörend«, und Nicole Kidman selbst glaubt, er hebe »die Darstellung sexueller Begierden und der Lust von Frauen auf ein neues Level«. Glauben Sie es mir: Das ist alles Blödsinn. »Babygirl« ist ein durch und durch prüder Film, der gefahrlos in jedem Bibelkreis zur Vorführung gebracht werden kann, ohne dem Publikum die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. Ja, die immerhin 57 Jahre alte Kidman stolziert knapp zwei Stunden in kurzen Röcken und Businesskostüm über die Leinwand. Und ja, ihre Figur Romy, CEO eines hippen Robotik-Startups, sieht dabei heiß aus. Genauso wie ihr muskulöser und halb so alter Praktikant Samuel (Harris Dickinson).

Weil Romy im Bett aber lieber das Kopfkissen ins Gesicht gedrückt bekommt, als Liebesschwüre zu säuseln, hat sie ein Problem. Ihr Mann Jacob, gespielt von Antonio Banderas, bringt die Nummer mit dem Kopfkissen nicht fertig. Ihn kostet schon ein müder Klaps auf den Po Überwindung. Kurz: Mit dem Mann ist sexuell für Romy nicht viel anzufangen. Weshalb jetzt der gut aussehende Praktikant Samuel seine Chance bekommt. In der Weichspülerwelt von »Babygirl« machen ihn Aufmüpfigkeiten wie eine zweiminütige Verspätung beim Meeting schon zu einem rebellischen James Dean.

Sei’s drum. Die Frau findet etwas an dem plumpen Schönling und lässt sich auf eine Affäre mit ihm ein. Die findet ihren Höhepunkt darin, dass der Milchbubi sie auffordert, auf allen vieren durchs Hotelzimmer zu kriechen und aus einem Schälchen Milch zu schlecken, das er vor sich auf den Fußboden gestellt hat.

Das war’s. Wer das »verstörend« findet, schleicht vermutlich auch mit zugehaltenen Augen durch die Damenunterwäscheabteilung im Kaufhaus. Wer meint, damit sei »ein neues Level« in der Darstellung weiblicher Lust erreicht, dem seien dringend echte Tabubrecher wie »Female Perversions« (1996) oder die viel gewitztere Erotikkomödie »Secretary – Manchmal muss Liebe wehtun …« (2002) ans Herz gelegt.

Beide haben auch den Vorzug, zu dem thematisierten sexuellen Tabubruch zu stehen. »Babygirl« ist dagegen eine endlose Reihung schamerfüllter Dialoge, in denen Romy sich ihre sexuellen Neigungen vorwirft. Geradezu erbärmlich wird das Gewimmer im Gespräch mit ihrem Ehemann, der ja eine so viel bessere, sprich »normale« Frau verdient habe. Da fehlt nicht mehr viel, und die devote Romy hätte sich für die nächstbeste »Konversionstherapie« eingeschrieben, mit der meist religiös motivierte Pseudotherapeuten den häufig männlichen Patienten die Homosexualität austreiben wollen. Die Niederländerin Halina Reijn, selbst Tochter eines homosexuellen Vaters, hat mit »Babygirl« Softerotik der biedersten Art geschaffen, viel näher an »50 Shades of Grey« als an »Basic Instinct«.

»Babygirl«, Regie: Halina Reijn, USA 2024, 114 Min., Kinostart: 30.1.

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