Im Fokus globaler Konkurrenz
Von Christian Selz, Kapstadt
Wenn es darum geht, ihre Rohstoffinteressen zu sichern, hebt die Europäische Union gern die Bedeutung des eigenen Tuns für das Wohl der Menschheit hervor. Schließlich agiert man wertegeleitet. Entsprechend gab Jutta Urpilainen, damals noch EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften, am 19. Februar des vergangenen Jahres zu Protokoll: »Es geht nicht nur um Handel und Investitionen; es geht um den Planeten und die Menschen, die von einer nachhaltigen, transparenten und widerstandsfähigen Wertschöpfungskette wichtiger Rohstoffe profitieren werden.« Der Anlass der warmen Worte: Die finnische Sozialdemokratin hatte gemeinsam mit dem ruandischen Außenminister Vincent Biruta gerade eine Absichtserklärung zur Unterstützung des Ausbaus der Förderung und Weiterverarbeitung seltener Rohstoffe in dem ostafrikanischen Land unterzeichnet.
Das EU-nahe Nachrichtenportal European Interest wusste damals zu berichten, worauf genau sich das Augenmerk Brüssels richte. Ruanda sei ein »wichtiger Akteur bei der Förderung von Tantal«, hieß es in der Meldung zur Unterzeichnung des Abkommens. Tantal wird aus Coltan gewonnen und hat enorme Bedeutung für Elektromobilität und Energiewende. Das relativ kleine Ruanda verfügt über eigene Vorkommen des Rohstoffs, weitaus größere Reserven lagern jedoch jenseits seiner Grenze im Osten der Demokratischen Republik Kongo, wo das ruandische Militär gemeinsam mit seiner Proxymiliz »M 23« gerade größere Gebiete erobert. Nicht unbedeutend ist in diesem Zusammenhang eine Randnotiz aus dem European-Interest-Artikel: Ruanda, heißt es dort, werde bald eine eigene Tantalraffinerie in Betrieb nehmen. Für die von Urpilainen angekündigte Transparenz bei der Nachverfolgung der Herkunft des Erzes dürfte das allerdings eher nachteilige Folgen haben.
Die Wahrheit hinter den PR-Nebelkerzen von Kooperation und Nachhaltigkeit ist, dass im Osten der Demokratischen Republik Kongo ein brutaler Krieg um Rohstoffe von globaler Bedeutung tobt. Derzeit sind die USA und China die Hauptabnehmer der Ressourcen. Ruanda gilt als verlässlicher Partner des Westens und unterhält bereits eine Militärmission in Mosambik, deren Hauptaspekt die Sicherung einer gigantischen Erdgasförderanlage des französischen Konzerns Total ist. Die Regierung von Präsident Paul Kagame hat sich also bewährt und unverzichtbar gemacht. Es liegt auf der Hand, dass ein stärkerer Zugriff Kigalis auf die Rohstoffe im Kongo den westlichen Ökonomien im Wettstreit mit China in die Hände spielen würde. Entsprechend wird der Angriffskrieg auch höchstens halbgar kritisiert, obwohl spätestens seit dem vergangenen Jahr durch UN-Berichte verbrieft ist, dass Ruanda nicht nur »M 23« bewaffnet und steuert, sondern auch mindestens 3.000 reguläre Soldaten im Nachbarland hat. Deren Zahl wurde zuletzt noch erhöht.
Vor dem Hintergrund des globalen Kampfes um Rohstoffe ist auch der Konfrontationskurs Kigalis gegen Südafrika zu verstehen. Die Regionalmacht an der Südspitze Afrikas unterhält als Mitglied des BRICS-Bündnisses enge Kontakte zu Beijing. Dass während der Offensive auf die ostkongolesische Provinzhauptstadt Goma auch 14 südafrikanische Soldaten getötet wurden, dürfte daher zumindest in Pretoria als bewusste Attacke gewertet werden. Und wenn Ruanda sich zu einer solchen Konfrontation befähigt fühlt, deutet das wiederum darauf hin, dass es mächtige Unterstützer hat.
Ein Indiz für letztere Theorie ist auch die überlegene Bewaffnung der »M 23«-Kämpfer. Die südafrikanische Truppe sei ihren Gegnern sowohl zahlenmäßig als auch hinsichtlich der Bewaffnung unterlegen, konstatierte die südafrikanische Militärforscherin Lindy Heinecken am Sonnabend beim Militärnachrichtenportal Defence Web. Der südafrikanische Exgeneral Maomela Motau erklärte beim Nachrichtensender Newzroom Afrika zudem, »M 23« verfüge über Waffen, die normalerweise nicht in der Region zu finden seien, sondern »von den Streitkräften Israels genutzt« würden. Genaue Modelle konnte er auf Nachfrage aber nicht benennen. Tel Aviv hatte sich in den vergangenen Jahren Kigali angenähert und betreibt dort auch wieder eine Botschaft. Eine militärische Kooperation zwischen beiden Staaten ist aber nicht bekannt.
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