Mit chirurgischer Präzision
Von Bernhard KrebsEine der zweifellos schönsten, weil gerechten Regelungen im Rugby Union ist das Bonuspunktsystem. Wer sich offensiv reinhängt, für Spektakel sorgt und mindestens vier Versuche legt, bekommt im Klassement einen zusätzlichen Punkt gutgeschrieben. Aber auch ein Verlierer geht, sofern er mit nicht mehr als sieben Punkten unterliegt, nicht leer aus und erhält einen Punkt. In den Genuss eines Offensivbonus kamen am ersten Spieltag der »Six Nations« alle drei siegreichen Mannschaften aus Frankreich, Schottland und Irland, was einmal mehr unterstreicht, wie offensiv Rugby heutzutage interpretiert wird. Auch das gegen Irland unterlegene England ging nach seiner 22:27-Niederlage nicht punktlos vom Platz: Wing Tommy Freeman verkürzte den Rückstand in der Nachspielzeit (80. plus zwei) auf unter sieben Punkte.
Dabei flirtete England am Sonnabend abend in Dublin lange mit einer Sensation. Das Team um Kapitän und Lock Maro Itoje kam gut in die Partie und konnte durch Wing Cadan Murley (9.), der sein erstes Länderspiel bestritt, den ersten Versuch verbuchen – und was für einen: Fly-Half Marcus Smith passte flach auf Center Henry Slade, der den auf den links durchstartenden Murley mit einem gefühlvollen Bodenrollerkick auf die Reise Richtung Malfeld schickte. Irland, das sich Chance um Chance erspielte, schien streckenweise konsterniert ob der kompromisslosen englischen Verteidigung. Und so brauchten die Männer in Grün bis zur 35. Spielminute, ehe die ersten Punkte heraussprangen: Wing James Lowe brach auf dem linken Flügel ein Tackling von Scrum-Half Alex Mitchell, drang in den irischen Rückraum ein und spielte einen gut getimten Pass nach innen auf Scrum-Half Jamison Gibbson-Park, der den ersten irischen Versuch legte. Nach verwandeltem Straftritt (40. plus 1) ging England mit einer 10:5-Führung in die Pause.
Nach Wiederanpfiff erkämpfte sich Irland zusehends Feldüberlegenheit, und es war an Center Bundee Aki, der erst mit schierer Gewalt Smith über den Haufen rannte, dann ein Double-Tackling von Mitchell und Murley abschüttelte, den Ball mit chirurgischer Präzision zum 10:10 ins Malfeld zu pflanzen. Ein Straftritt (56.) von Fly-Half Sam Prendergast besorgte schließlich die erste Führung für Irland, die das Team nicht mehr hergab. Versuche von Lock Tadhg Beirne und Hooker Dan Sheehan machten den irischen Bonuspunkt klar.
Bereits am Sonnabend nachmittag konnte Schottland einen zu keinem Zeitpunkt gefährdeten 31:19-Sieg über Italien im heimischen Murrayfield-Stadium in Edinburgh erringen. Herausragender Spieler auf schottischer Seite war Center Huw Jones der mit drei Versuchen (9., 61. und 65.) einen Hattrick erzielte. Flanker und Kapitän Rory Darge (3.) und Scrum-Half Ben White (28.) sorgten für zwei weitere Versuche, die Schottland nicht nur einen offensiven Bonuspunkt, sondern auch Platz zwei in der Tabelle hinter Frankreich sicherten. Den einzigen italienischen Versuch legte Center Juan Ignacio Brex (46.).
Wales, das bereits am Freitag abend im Eröffnungsspiel seine 13. Niederlage in Folge hinnehmen musste, muss sich hingegen Sorgen um seine Wettbewerbsfähigkeit machen. Mit 43:0 gingen absolut chancenlose Waliser im Stade de France in St. Denis bei Paris unter. Sorgen machen müssen sich jedoch auch die kommenden vier Gegner der Franzosen: »Les Bleus« lieferten über weite Strecken eine tadellose Leistung ab und feierten mit sieben Versuchen und vier verwandelten Erhöhungskicks den höchsten jemals gegen Wales errungenen Heimsieg. Einen Wermutstropfen gab es für Frankreich dennoch: Fly-Half Romain Ntamak sah für einen gefährlichen Schulterstoß gegen den Kopf von Center Dan Edwards völlig zu Recht Rot (70.) und fehlt somit kommende Woche im Spiel gegen England.
Es dauerte ganze 17 Minuten, bis Frankreich gegen zunächst mit Mann und Maus verteidigende Waliser nach einem Geniestreich von Scrum-Half Antoine Dupont die ersten Punkte machte. Dupont setzte mit einem herrlich-ansatzlosen Chip-Kick in den walisischen Rückraum Wing Théo Attissogbé zum ersten Versuch in Szene. Nach einem weiteren »Try« von Attissogbé (32.) und zweien von Wing Louis Bielle-Biarrey (23. und 41.) sicherte sich Frankreich bereits kurz nach Anpfiff der zweiten Halbzeit den Offensivbonus. Der Rest des zweiten Durchgangs trug dann Züge eines besseren Trainingsspiels, in dem Frankreich zeitweise Zauberrugby à la »french flair« spielte. Frankreich führt die Tabelle vor Schottland und Irland (jeweils fünf Punkte) aufgrund der besseren Punktdifferenz an. England belegt mit einem Punkt Platz vier vor punktlosen Italienern und Walisern.
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