Trendpartei des Tages: Die Linke
Von Nico Popp
Wahlkampf als Frischzellenkur – seit die Ampel passé ist, stapeln sich die Mitteilungen, in denen Neueintritte in die dadurch jeweils in ihrem Kurs bestätigte Partei (»Rückenwind«!) gefeiert werden. Aus der FDP hieß es im November, man habe binnen weniger Tage 1.300 Neueintritte registriert. Die Grünen meldeten 5.500 Eintritte. Nur das BSW macht nicht mit – dort will man erst nach der Wahl die Türen aufsperren und schauen, ob noch jemand davor wartet.
Die ehemaligen Parteifreunde in der Linkspartei setzen das Stilmittel »Eintrittswelle rollt« besonders großzügig ein: Rekordstand in Bayern! Wieder über 7.000 in Sachsen! Am Montag dann die große Fanfare: 11.000 Neueintritte in zwei Wochen, Mitgliederstand von 2010 wieder erreicht. »Es ist unglaublich, was die Klärung unserer Positionen und eine klare Fokussierung für eine Energie freisetzt«, jubelte Koparteichefin Ines Schwerdtner.
Also Mitgliederstand wie 2010 gleich Parlamentsherrlichkeit wie 2010? Vielleicht stellt sich ja im Karl-Liebknecht-Haus jemand die Frage, ob man nicht gerade einer optischen Täuschung auf den Leim geht. Es kommen ja nicht die Mitglieder und Wähler von 2010 zurück. Wenn große Wahlveranstaltungen wie neulich die im Festsaal Kreuzberg ein Indikator sind, dann drängen ziemlich uniform liberal-aktivistische »Progressive«, um die sich der rechte Parteiflügel lange bemüht hat, in die Partei. Eine Verstärkung für den ausgelaugten Rest der Linken in der Linken ist das nicht. Und ein Ersatz für die verlorene Verankerung in der Arbeiterklasse und in der Fläche im Osten sowieso nicht – eher, umgekehrt, ihr Resultat.
Mag sein, dass das die Partystimmung erklärt: Nach vielen Missverständnissen finden Apparat und Basis endlich zueinander. Und wenn das nicht mit dem Gang in die außerparlamentarische Opposition bestraft wird, kommt vielleicht sogar Klaus Lederer zurück, um die »Klärung unserer Positionen« fortzusetzen.
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Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (6. Februar 2025 um 10:55 Uhr)Mitgliederzuwächse wurden auch schon vor einem Jahr nach den Abgängen von Wagenknecht, Dagdelen, de Masi und Co. hektisch vermeldet. Man himmelte eine Carola Rackete als Popstar an – die Sache endete bei der Brüsselwahl mit 2,7 Prozent. Auch in den Stammländern Sachsen und Brandenburg deutlich unter fünf. Aktuell werden im wesentlichen gehypte Bürgerkinder aus der Grünen Jugend aufgenommen, damit soll offenbar die Quote Kreißsaal-Hörsaal-Plenarsaal gesteigert werden. Vor zehn Jahren versuchte der Berliner Landesverband durch die Blutzufuhr einiger Abgeordneter der Piratenpartei aus dem antideutschen Spektrum erfolglos den Zerfallsprozess aufzuhalten. Aktuelle Umfragen sollen knapp fünf Prozent prophezeien. Die Erfahrung indes zeigt, dass die Linke bei der Wahl dann doch darunter liegt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Max M. aus Rheinhessen (6. Februar 2025 um 09:58 Uhr)Liebe junge Welt, hört auf denunziatorisch gegen die Partei Die Linke zu schreiben. Heute ist es an der Zeit, dass Kommunisten mit linken Kräften, auch wenn sie reformistisch/revisionistisch sind, zusammenarbeiten, um die gewonnenen Errungenschaften zu verteidigen. Es ist nicht an der Zeit, sektiererisch über »wahre« Ansichten und Ausrichtungen zu streiten. Der Faschismus steht vor der Tür und wir dürfen die Fehler, die die KPD in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts begangen hat, nicht wiederholen. Dabei ist v.a. angesagt, die unsägliche Spaltung der Arbeiterbewegung, die z. B. die egozentrische und nun als rechtskonservativ/rechtspopulistisch entlarvte Sarah W. vorangetrieben hat und die auch der DKP in ihrer Geschichte schon so viele Probleme bereitet hat, zu unterlassen. Vielmehr ist es geboten, eine Volksfront zu bilden! Wie auch schon damals kann heute Frankreich als Vorbild dienen. In diesem Sinne hoffe ich auf eine wohlwollende Berichterstattung und Solidarität innerhalb der Arbeiterbewegung. Rote Grüße
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Leserbrief von Peter Weyers aus Schwerte (5. Februar 2025 um 10:20 Uhr)Wahlkämpfe mobilisieren. Das wirkt auch bei den Linken. Es kommen sehr viele junge, motivierte, mit Klassenbewusstsein ausgestattete Menschen zu uns, die sich auch direkt aktiv einbringen. Das ist gut! Das liegt sicher daran, mit Jan van Aken, Ines Schwerdtner, Heidi Reichinek und anderen, Protagonisten nach außen wirken, die offensichtlich die richtigen Themen setzen und überzeugend sind. Sicher auch daran, dass nach der begonnenen Familienzusammenführung von Merz, sehr viel mehr Menschen begriffen haben, dass es 5 vor 33 ist. Die, die kommen, sind sicher nicht die, die seit 2010 gegangen sind. Das wäre ja auch keine Erneuerung, sondern nur ein Aufwärmen. Die, die geblieben sind, sind nicht ausgelaugt. Exemplarisch genannt seien die »Silberlocken«. Mit Begriffen wie »Arbeiterklasse« holt man heute niemanden mehr hinterm Ofen hervor. Aber mit klarer Positionierung und Fokussierung auf die richtigen Themen offensichtlich schon. Das ist Grund zur Freude, nicht zur Häme.
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Leserbrief von Carsten Ondreka aus Kaiserslautern. (4. Februar 2025 um 20:24 Uhr)Die Partei Die Linke hat diesen Mitgliederzuwachs mit ihrer Fixierung auf die soziale Frage und einer klaren Positionierung zu materiell wichtigen sozialpolitischen Themen erreicht. Diese sind untermauert durch Empowerment und Werkzeuge, die Menschen bei der Durchsetzung ihrer Rechte in Bezug auf überhöhte Mieten und Nebenkosten helfen. Sie holt junge Menschen in eine politische Organisierung und stellt diese zum Beispiel vor die Aufgabe, sich an Haustüren mit den Problemen der Arbeiter*innenklasse konfrontieren zu lassen. Das ist im Gegensatz zu dem, was die Partei in den vergangenen Jahren versäumt hat und wozu die bürgerlich Linksliberalen, die sich selbst als radikale Linke definieren, nie in der Lage waren, sehr viel. Ob die Partei nach der Wahl diesen Schwung mitnehmen und aufgeschobene inhaltliche Unklarheiten beseitigen kann, ist offen. Fest steht aber das, wenn diese Wahl für die Partei verloren geht, es keine originäre Stimme im deutschen Bundestag mehr gibt, die besonders, wenn es um die Verteidigung der Rechte der Arbeiter*innenklasse, der migrantischen Bevölkerung und Armutsbetroffenen geht, die richtigen Fragen stellt und den Finger in die Wunde legt. Auch spaltet Die Linke die Klasse nicht, sondern führt zusammen. Trotz aller Mängel reicht das, um die Partei in ihrem Kampf um den Platz im Parlament zu unterstützen. Das sehen auch viele antifaschistisch gesinnte junge Menschen, denen Angst und Bange wird, wenn sie die anderen Wahlangebote wahrnehmen. Ich erlebe diese Jungen im Wahlkampf und kann ihnen nur mit Respekt begegnen. Solidarische inhaltliche Kritik unter Linken ist gut und wichtig. Schade, dass der Artikel, wie viele andere über die Partei, nur so vor Häme und Zynismus strotzt. Ein Kübel, der dann auch noch über Menschen ausgekippt wird, die qua ihrer Jugend nichts dafür können, dass es eine großes, teilweise auch berechtigtes Misstrauen gegenüber der Partei Die Linke gibt.
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Leserbrief von Peter Weyers aus Schwerte (5. Februar 2025 um 17:31 Uhr)Vielen Dank für den Beitrag. Ich erlebe tatsächlich Ähnliches Im Kreis Unna. Ich bin Abonnent und Genosse der »jungen Welt«, mich stört aber, dass die jW auch nach erfolgtem Kurswechsel beim Magdeburger Parteitag immer noch undifferenziert über »Die Linke« berichtet. Es ist ein gutes Gefühl, zu lesen, dass man diese Meinung nicht exklusiv hat.
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Leserbrief von Hagen Radtke aus Rostock (4. Februar 2025 um 13:01 Uhr)Laut Herrn Popp fehlt den jungen, urbanen Menschen also die »Verankerung in der Arbeiterklasse«. Das scheint mir etwas zynisch. Der unterbezahlte Erzieher, die kettenbefristete Wissenschaftlerin, die Juristin, die von ihrem Chef zu Überstunden gedrängt wird, sollen also nicht zur »echten« Arbeiterklasse dazuzählen, die man also in der Fläche und im Osten findet. Vielleicht übersieht Herr Popp, dass schon die Arbeiterklasse des 19. Jahrhunderts ein junges, urbanes Milieu war, mit teilweise so liberalen gesellschaftlichen Ansichten, dass sie der Landbevölkerung als Sodom und Gomorrha galten. In den damaligen Städten, und eben nicht in der bäuerlich-konservativ geprägten »Fläche«, konnte die Idee wachsen, dass eine Hierarchie zwischen reichen Ausbeutern und Ausgebeuteten kein Naturgesetz, sondern überwindbar ist.
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Leserbrief von Andreas Kubenka aus Berlin (4. Februar 2025 um 15:54 Uhr)Vielleicht hätte Herr Popp statt von »Verankerung in der Arbeiterklasse« lieber von Verankerung in der Arbeiterbewegung und unter klassenbewußten und an ideologischen Fragen wirklich interessierten Arbeitern sprechen sollen. Natürlich gehören die von Ihnen aufgezählten Beispiele zur Arbeiterklasse »an sich«. Herrn Popp ging es aber wohl um das Problem der Defizite in Sachen Formierung der deutschen Arbeiterklasse zur Klasse »für sich«, das wohl nie so groß war wie heute. Der Zustrom von vielen jungen Lumpenproleten in ausgerechnet die PDL ist dafür Beispiel.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Linksjugend ['solid] H. aus Hamburg (4. Februar 2025 um 06:21 Uhr)Ich halte diese Einschätzung der Neueintritte für tendenziellen Unfug. Die Neueintritte mögen in der Mehrheit vielleicht nicht an einem Aktivwerden in der Partei interessiert sein und eher Solimitgliedschaften sein. Selbst das ist diskutabel. In jedem Fall sind sie antifaschistisch motiviert und davon getragen, dass der Status quo einer recht grundsätzlichen Veränderung bedarf. Dass das nicht marxistisch qualifiziert ist, mag sogar sein, woher soll es auch kommen. Dass eine antifaschistische Position nicht friedenspolitisch sozialpolitisch qualifizierbar sei, mit entsprechenden Konsequenzen für weitreichende friedenspolitische und sozialpolitische Ansprüche im Sinn des richtunggebenden Parteiprogramms halte ich für unangebracht fatalistisch.
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Leserbrief von Peter Nowak aus Berlin (6. Februar 2025 um 15:29 Uhr)Auch ich kenne Menschen, die sich keineswegs als Linksliberale, sondern als radikale Linke verstehen, die bei den Wahlen temporär Die Linke unterstützen. Das ist verständlich, angesichts der Tatsache, dass der lange Jahre als linker Flügel der Linkspartei gelabelte Teil scheinbar kritiklos den Rechtskurs von Wagenknecht mitmacht. Wo bleibt denn der Protest von Dagdelen etc., die auch in der jW immer wieder den linksliberalen Flügen der Linken kritisiert haben, wenn sich die Partei, der sie sich jetzt angeschlossen haben, zwischen FDP und AfD positioniert? Peter Nowak
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Halbierter Schwur
vom 04.02.2025