Streik als Warnsignal
Von Oliver RastVorfrühling, Streiksaison. Etwa bei der Deutschen Post (DP) und im öffentlichen Dienst. Verdi hatte Postler unter anderem in Briefzentren in Baden-Württemberg und NRW am Dienstag zu Warnstreiks mobilisiert. Ferner Beschäftigte im Staatsdienst im nördlichen Sachsen-Anhalt. Und klar, Bewegung braucht es seitens der Kollegen in den Tarifrunden. Die stocken nämlich. Deshalb: Mehr Druck, mehr Tempo durch Belegschaft und Gewerkschaft sind gefragt.
Zunächst, was ist los auf dem Postamt? Nun, Verdi verlangt ein Entgeltplus von sieben Prozent für die rund 170.000 Tarifbeschäftigten hierzulande. Ferner sollen sie drei zusätzliche Urlaubstage bekommen. Weil: In Briefzentren ackern, Sendungen an Zustellstützpunkte weiterleiten, wo Postboten Kärtchen, Briefe, Päckchen mitnehmen und mittels ihrer elektromobilen Dreiräder ausliefern – das macht bisweilen schlapp, macht platt. Mehr Ruhezeiten statt Erwerbsarbeit für die Kollegen im gelb-schwarzen Firmendress also. Und als Bonbon für Verdianer: Extraurlaub, vier volle Tage, tarifvertraglich fixiert. Das lohnt sich.
Ein Blick ins Musterländle: Nach drei Warnstreiktagen in der vergangenen Woche bestreikten DP-Beschäftigte ab der Frühschicht am Dienstag die Briefzentren in Heilbronn, Mannheim, Freiburg und Offenburg. Der Zuspruch war hoch, die Lust groß. Im Heilbronner und Mannheimer Zentrum für Briefverkehr seien jeweils rund 30 Beschäftigte in den Arbeitsausstand getreten, sagte Björn Schwind gleichentags im jW-Gespräch. »Also 70 bis 80 Prozent der Schichtbelegschaft«, betonte der zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretär für die Rhein-Neckar-Metropolregion.
Erwartbar: Den Post-Bossen geht der Verdi-Forderungskatalog zu weit. Dabei verweist die Vorstandsetage des ehemaligen staatlichen Monopolkonzerns auf schrumpfende Briefmengen und kostspieligen Investitionsbedarf, berichtete dpa am Dienstag. Das Unternehmen müsse sich im »Digitalzeitalter« neu aufstellen. Auch deshalb sei der Spielraum für Lohnerhöhungen »sehr gering«, wurde ein Post-Sprecher von dpa zitiert. Die Post kündigte an, in der nächsten, dann dritten Tarifrunde am 12. und 13. Februar ein Angebot vorzulegen. Wie gnädig.
Darauf verlassen wollen sich Schwind und Co. nicht – deshalb: »Wir sind bei unseren Aktionen steigerungsfähig.« Passiert noch was bis zum Auftakt der dritten Runde? Schwind: »Sicher.« Mehr will er aber nicht verraten. Schließlich wollten engagierte Postler ihre Bosse überraschen. Ein bisschen zumindest, was Ort, Zeitpunkt und Dauer etwaiger weiterer Arbeitskampfmaßnahmen betrifft.
Szenenwechsel. Sachsen-Anhalt, Landeshauptstadt Magdeburg. Gleichfalls ganztägiger Arbeitsausstand, hier im öffentlichen Dienst. Verdi und Beamtenbund fordern acht Prozent mehr Lohn im Monat, mindestens aber 350 Euro – und für Auszubildende eine um 200 Euro höhere Monatsvergütung.
Dem Aufruf von Verdi etwa zur Kundgebung am Hauptbahnhof folgten rund 150 Beschäftigte, vor allem aus der Stadtverwaltung. »Wir kritisieren die Unterfinanzierung der Kommunen, die sich in vielen Ämtern in immer dramatischerer Arbeitsverdichtung, in Investitionsstaus und mangelhafter Digitalisierung des öffentlichen Dienstes erkennen lässt«, erklärte Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Annett Kannenberg-Bode am Dienstag gegenüber dem MDR. Das alles geschehe auf dem Rücken der Beschäftigten. Immerhin: Der Protestaufzug sei in der laufenden Tarifverhandlung die erste größere Aktion in Sachsen-Anhalt, bemerkte Kannenberg-Bode.
Eva von Angern (Die Linke) unterstützt das. »Wer dem Fachkräftemangel entgegenwirken will, muss die Fachkräfte und Auszubildenden auch angemessen entlohnen«, sagte die Vorsitzende ihrer Landtagsfraktion am Dienstag jW. Unterfinanzierte Haushalte der Kommunen dürften kein Vorwand sein. Die »Arbeitgeber« im öffentlichen Dienst müssten nun ein ernstgemeintes Angebot vorlegen, den Beschäftigten respektvoll gegenübertreten, Geld für mehr Lohn lockermachen. Bleibt das aus, bleiben wohl: saisonale Streiks im Vorfrühling.
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