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Aus: Ausgabe vom 06.02.2025, Seite 8 / Ansichten

Russenwaffe des Tages: Bauschaum

Von Arnold Schölzel
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Die Tatwaffe: Bauschaum

Der Russe greift in vier Jahren an? Er hat längst angefangen, schrieb der Spiegel am Mittwoch. Seine Waffe: Bauschaum. Die Warnungen von Verfassungsschutz, BND und MAD vor Moskaus Manipulationen im deutschen Wahlkampf sind bestätigt: In Berlin, Brandenburg, Bayern und Baden-Württemberg erhielten mehr als 270 Autos eine klebrige Bauchemikalie eingespritzt, bevorzugt in den Auspuff, und einen Aufkleber dazugelegt: »Sei grüner!« mit Foto eines grinsenden Robert Habeck. Am 12. Dezember titelte Bild: »Klimaradikale attackieren Autos mit Bauschaum.« Der »Volkszorn« (Spiegel) richtete sich gegen Bündnis 90/Die Grünen, was die Rechercheure des Fachblattes für Polithalluzinationen zum investigativen Facebook-Lesen drängte. Sie zitierten einen Nutzer: So wolle die »Grünen-Sekte Andersdenkenden ihre Ideologie aufzwingen«. Das ist Verschwörungswahn, und den können die Hamburger professionell: »Die Spur der Saboteure führt nach Spiegel-Informationen nicht zu militanten Klimaaktivisten – sondern nach Moskau.« Die Polizei habe am 11. Dezember in Schönefeld bei Berlin drei Verdächtige festgenommen – 20, 17 und 18 Jahre alt – und einer der »Wegwerfagenten« habe ausgepackt: 100 Euro habe ihnen ein Russe pro verklebter Blechkiste geboten.

Dennoch kommt die Justiz nicht in die Gänge: Die Staatsanwaltschaft Ulm ermittelt wegen 123 Sachbeschädigungen mit einem Schaden von etwa 6.000 Euro. Dabei weiß der Grünen-Geheimdienstexperte Konstantin von Notz schon, da werde gezielt versucht, »uns als Gesellschaft zu spalten«. Das zu verhindern, ist Spiegel-Auftrag. Wenigstens in dessen Redaktion gilt noch der Satz eines deutschen Kriegshetzers im Ersten Weltkrieg, den Karl Kraus in »Die letzten Tage der Menschheit« zitiert: »Jede tapfere Zeile zündet wie eine pünktlich krepierende Granate.« Glückwunsch zur Kriegstüchtigkeit.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (7. Februar 2025 um 05:41 Uhr)
    Hartmut König, Sänger und Texter, singt auf einem alten Oktoberklub-Song einen neuen Text: »Wenn der Russe nicht wär’, müsste man ihn erfinden …« Mehr sage ich nicht dazu. Die deutschen Leitmedien praktizieren Meinungsmanipulation pur.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (6. Februar 2025 um 10:09 Uhr)
    Deutschland rüstet sich – für den Ernstfall der Kapitulation. Der Spiegel warnt vor einer gefährlichen Entwicklung: Russland soll mit Bauschaum die moralische Abwehrbereitschaft der Bundesrepublik untergraben haben. Doch keine Sorge – Deutschland ist längst vorbereitet! Während in Moskau die Truppen marschieren, marschieren hierzulande höchstens Lastenräder zum Bio-Supermarkt. Der »Siegeswille«, den man zum Kämpfen bräuchte, wurde bereits in den 1980ern mit der Totalverweigerung ausgemustert. Wer soll denn bitteschön das Vaterland verteidigen? Die Grünen, deren letzte Schlacht der Kampf um gendergerechte Dienstgrade war? Die Wehrpflichtverweigerer, die heute in NGOs gegen toxische Männlichkeit kämpfen? Oder die Jugend, die für den Ernstfall höchstens in der Lage ist, den Feind auf TikTok zu canceln?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (5. Februar 2025 um 22:10 Uhr)
    Zum Konstantin ihm seine Gesellschaft habe ich vor einiger Zeit dieses Zitat geschaffen: Das überhaupt meiste Atom wo es gibt seit der Kosmologie ist der Wasserstoff.
  • Leserbrief von Patrick Janssens (5. Februar 2025 um 20:16 Uhr)
    Ein guter Kriegspropagandatrick: Bisher waren die Sabotageanschuldigungen eher generell: Drohnen, Unterseekabel etc. Bauschaum im Auspuff von Bürgern, da wird die vermeintliche Sabotage auf ein persönliches Niveau gehoben. Ein Angriff auf die Bürger selber. Das treibt den Russenhaß garantiert auf neue Höhen.
    • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (7. Februar 2025 um 17:40 Uhr)
      Vom Bauschaum im Auspuff bis zum russophoben Schaum vorm Maul des Bourgeois ist es nur noch eine kurze Distanz, die zu überbrücken mit der täglichen Dosis an toxischer »Schadsoftware« von Springer, Bertelsmann & Co. mühelos und ohne jegliche individuelle Gehirnleistung reflexartig zu bewältigen sein dürfte. Bleibt nur noch eine Frage: Wieviel Schaum braucht es bis zur endgültigen Verblödung?

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