Überausbeutung für Rüstung
Von Max Ongsiek![15.JPG](/img/450/205133.jpg)
Es gibt nichts, was nicht in Behindertenwerkstätten produziert wird: Spielzeug, Haushaltswaren, Möbel und so weiter. Dass dort auch Rüstungsunternehmen produzieren lassen, ist schon länger bekannt. So berichteten Medien im Juli 2013 über eine Behindertenwerkstatt in Cuxhaven, die Bauteile fürs Militär produzierte – Thema war dabei auch, dass dort äußerst prekär beschäftigt wird. Auch eine parlamentarische Anfrage, die Sören Pellmann, Sprecher der Bundestagsgruppe Die Linke sowie für die Themen Inklusion und Teilhabe seiner Partei, am 17. Januar 2025 an die Bundesregierung richtete, bezog sich nun auf einen Medienbericht: Unter dem Titel »Für eine Handvoll Euro« hatte die Taz am 25.7.2022 über eine Behindertenwerkstatt in Bremerhaven berichtet, in der »mechanische Auslöser für Bodenleuchtkörper«, also taktische Beleuchtungssignale, montiert werden.
Mit Pellmanns Anfrage konfrontiert, betonte Jana Niehaus, Pressesprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V. (BAG WFBM), gegenüber jW hingegen, die Werkstätten seien »sozialethischen Grundsätzen verpflichtet« und würden »auch bei der Auswahl ihrer Aufträge« nach diesen »Grundsätzen« handeln. Seit wann aber steht Rüstungsproduktion im Einklang mit sozialethischen Grundsätzen?
In der oben genannten Anfrage bat Pellmann die Bundesregierung um Auskunft über »Anzahl und Auftragsvolumen der Direktaufträge des Bundesministeriums der Verteidigung (inklusive der Bundeswehr und anderer nachgeordneter Bundesbehörden) an Werkstätten für behinderte Menschen (WFBM) in den Jahren 2022, 2023 und 2024«. Außerdem erfragte der Parlamentarier, welche deutschen Rüstungsfirmen »nach Kenntnis der Bundesregierung in diesen drei Jahren Aufträge an WFBM vergeben« haben. Laut der Antwort von Thomas Hitschler (SPD), Staatssekretär im Verteidigungsministerium, hatte sein Ministerium 114 Aufträge im Jahr 2022 mit einem Auftragsvolumen von rund 1,5 Millionen Euro, 152 Aufträge im Jahr 2023 mit einem Volumen von 1,4 Millionen Euro und 111 Aufträge im Jahr 2024 mit einem Volumen von 633.000 Euro an WFBM vergeben. Im Vergleich ist das Auftragsvolumen also zurückgegangen. Pellmann forderte dennoch »einen sofortigen Stopp aller Rüstungsaufträge« an Werkstätten für behinderte Menschen.
Welche Unternehmen oder WFBM in Rüstungsprojekte involviert waren, beantwortete Staatssekretär Hitschler hingegen nicht. »Eine Einschränkung der Auswertung allein auf Direktaufträge war im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich«, so die ausweichende Antwort des Sozialdemokraten. Denn laut Auskunft des Bundestagsbüros Sören Pellmanns müsse »die Beantwortung einer schriftlichen Frage eines Bundestagsabgeordneten an die Bundesregierung« laut »Parlamentarischen Fragerecht innerhalb einer Woche erfolgen«. Es könne »jedoch um eine Fristverlängerung« gebeten werden, wie Stephan Jegielka, wissenschaftlicher Mitarbeiter Pellmanns, betonte. Das blieb aus.
Die WFBM-Interessenvertretung hält sich diesbezüglich bedeckt. Laut Niehaus sei ihrem Verband nicht bekannt, ob »aktuell Mitglieder mit der Rüstungsindustrie zusammenarbeiten«. Allerdings habe der Verband »nur im Groben einen Überblick, in welchen Segmenten Werkstätten wirtschaftlich tätig sind«. Ermöglicht wird die Ausbeutung von Menschen in Behindertenwerkstätten durch die rechtlichen Rahmenbedingungen des Sozialgesetzbuchs (SGB), das dieses »Arbeitsverhältnis« nicht ohne Grund als »Eingliederung in das Arbeitsleben« bezeichnet. Wie die BAG WFBM schon 2021 gegenüber jW aufklärte, kommt die prekäre Bezahlung folgendermaßen zustande: Die Einrichtungen zahlen einen Grundbetrag in Höhe eines Ausbildungsgeldes sowie einen »leistungsangemessenen Steigerungsbetrag«, wie der damalige Pressereferent Volker Berg erläuterte. Hinzu käme ein öffentlich finanziertes Arbeitsförderungsgeld. Somit sind die, die in den Werkstätten auch für Rüstungsunternehmen schrauben, Aufstocker oder erhalten Erwerbsminderungsrente. Verbessert haben sich die Arbeitsumstände in Behindertenwerkstätten nicht. Und welche Rüstungsunternehmen von der dortigen Ausbeutung profitieren, ist in Gänze unbekannt.
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