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Aus: Ausgabe vom 07.02.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitskampf

Angriff auf das Streikrecht

In Marokko sorgt ein Gesetz, das Arbeitsniederlegungen reglementiert, für Protest. Gewerkschaften drohen mit Generalstreik
Von Bernard Schmid
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Während das Parlament das umstrittene Gesetz durchwinkt, kündigen Gewerkschaften weitere Proteste an (Rabat, 17.07.2022)

Demnächst könnten in Marokko andere Saiten aufgezogen werden: Nach einem ersten landesweiten Warnstreik am Mittwoch und Donnerstag haben fünf marokkanische Gewerkschaftsdachverbände angekündigt, den Protest zum Generalstreik eskalieren zu lassen, sollte die Regierung in Rabat nicht nachgeben. Der Arbeitskampf der CDT (Demokratischer Arbeiterverband), von der die Initiative zum Streik ausging, wird von der UNTM (Nationale Arbeiterunion Marokkos), der Demokratischen Arbeiterorganisation (ODT), der Marokkanischen Arbeiterunion (UMT) sowie dem Verbund demokratischer Gewerkschaften (FDT) mitgetragen. Es wäre der erste Generalstreik seit 2016. Damals wurde gegen eine Heraufsetzung des Rentenalters gestreikt. Gegenstand der jetzigen Auseinandersetzung ist das geplante neue Streikgesetz, dessen Entwurf wiederum bereits vor zehn Jahren im marokkanischen Parlament eingebracht wurde. Dieser Gesetzentwurf – er trägt die Nummer 97.15 – wurde am Montag in erster Lesung gebilligt.

Gestreikt wurde in dieser Woche in mehreren Schlüsselsektoren – an den Häfen und im Automobilbau, aber auch im Bildungswesen, bei Finanzämtern und in weiteren Bereichen des öffentlichen Dienstes. Laut dem Nachrichtenmagazin Telquel nahmen »mehr als 80 Prozent« der zur Teilnahme aufgerufenen Beschäftigten am Arbeitskampf teil. Die Gewerkschaftsverbände sprechen sogar von 85 Prozent. Geringer fiel die Beteiligung hingegen bei der marokkanischen Fluggesellschaft Royal Air Maroc (RAM) aus. Dort konnten Gewerkschaften eine Reihe sozialer Zugeständnisse aushandeln. Die Unternehmensführung konnte sich Streiks, auch aufgrund der wirtschaftlichen Relevanz des Unternehmens, schlicht nicht leisten. Die Beschäftigten der RAM erschienen dann zum Teil mit Protestarmbinden zur Arbeit.

Streiks müssen nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sieben Tage vorher angemeldet werden, ein Schlichtungsversuch während dieser Dauer ist Pflicht. Der ursprüngliche Entwurf sah sogar die Dauer eines Monats vor, die spätere Absenkung wurde als politisches Zugeständnis erkauft. Lohnverhandlungen müssen allerdings 15 Tage vorher angemeldet werden, die wiederum verlängert werden können, wenn die Unternehmensleitung zusammengerufen werden muss. Der öffentliche Dienst hat sich an eine 45tägige Frist zu halten, da in diesem Falle mehrere staatliche Stellen involviert sind. Im Entwurf heißt es auch: »Für das Leben der Nation wichtige Sektoren« können von Streiks ausgeschlossen werden. Bei Zuwiderhandlungen drohen den Streikenden Geldstrafen zwischen umgerechnet 120 und 800 Euro. Als weiteres Zugeständnis wurde in den Entwurf aufgenommen, dass bei erwiesener Zahlungsunfähigkeit des Streikenden die Geldstrafe entfalle. Anders als von den Gewerkschaften zuletzt gefordert, lehnte der Gesetzgeber es allerdings ab, sich im Entwurf auf internationale Normen wie das ILO-Übereinkommen zu beziehen, das grundlegende Prinzipien und Rechte in der Arbeitswelt definiert hat.

Im Dezember 2024 nahm zunächst die fachlich zuständige Sozialkommission in der Repräsentantenkammer – dem Unterhaus des Parlaments – den Entwurf an. Seit dem vergangenen Montag hatte das parlamentarische Oberhaus, die »Chambre des conseillers«, dazu beraten und stimmte letztlich zu. Die Parlamentsvertreter der UNTM verließen die Plenarsitzung, während jene der CDT Plakate hochhielten, die ihre Ablehnung des Gesetzesvorhabens zum Ausdruck brachten. Am Mittwoch vormittag stimmte dann auch das Unterhaus, in das der Entwurf zurückverwiesen worden war, in zweiter Lesung mit 84 zu 20 Stimmen zu. Das Gesetz kann damit in Kraft treten, wenn es im »Bulletin officiel« oder im Gesetzesanzeiger amtlich bekanntgegeben wird.

Den Protest gegen das möglicherweise bald schon in Kraft tretende Gesetz unterstützen auch die Nichtregierungsorganisation ATTAC Marokko, die Menschenrechtsvereinigung AMDH und auch internationale Gewerkschaften wie die UGT in ­Spanien.

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