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Aus: Ausgabe vom 30.01.2025, Seite 5 / Inland
Tarifauseinandersetzung

Briefzusteller im Ausstand

Brandenburg: Verdi mobilisiert Hunderte Post-Beschäftigte zum ganztägigen Warnstreik
Von Oliver Rast
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Wichtig, mal ’ne Pause machen, Mütze ablegen und in den Ausstand treten (München, 21.8.2022)

Die flotten elektromobilen Dreiräder in Quietschgelb blieben auch am Mittwoch im Depot. Die Fracht, sprich Postkarten, Briefe und Päckchen, gleichfalls. Weil: Ausstand bei den Kollegen der Deutschen Post AG (DP AG). Bereits am Dienstag hatte Verdi die Beschäftigten im Tarifkonflikt zum Warnstreik in Großstädten aufgerufen. Insgesamt 8.000 Postler hatten sich daran beteiligt, davon etwa 800 in Berlin.

Und nun ganztägige Arbeitsniederlegung schwerpunktmäßig im ländlichen Raum – etwa in Brandenburg. Hier sollten der Gewerkschaft zufolge rund 1.000 Beschäftigte der Brief- und Verbundzustellung an ausgewählten Standorten zum Ausstand mobilisiert werden. Schwerpunktmäßiger Schwerpunkt: Ostbrandenburg (Frankfurt/Oder, Fürstenwalde) und Landkreis Oberhavel (Oranienburg und Velten).

Gut geklappt habe die Mobilisierung der Belegschaft, sagte Benita Unger, Verdi-Fachbereichsleiterin Postdienste Berlin-Brandenburg, am Mittwoch im jW-Gespräch. Unter dem Strich hätten sich Hunderte Kolleginnen und Kollegen beteiligt, »sich motiviert hinter die Gewerkschaftsforderungen gestellt«. Ähnlich äußerte sich Lutz Kämmerer gleichentags gegenüber jW. Die Bereitschaft sei hoch, für die eigenen Interessen in den Arbeitsausstand zu treten, so der für Postdienste zuständige Gewerkschaftssekretär weiter. Eine positive Zwischenbilanz also.

Was fordert Verdi? Für die insgesamt rund 170.000 Tarifbeschäftigten und Auszubildenden sowie Dualstudierenden der DP AG ein Entgeltplus von linear sieben Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Ferner drei Tage mehr Urlaub sowie einen zusätzlichen freien Tag für Verdi-Mitglieder. Die Post-Bosse mauern bislang. Die ersten beiden Verhandlungsrunden der tarifpolitischen Kontrahenten verliefen ergebnislos. Erst in der dritten Runde am 12. und 13. Februar will der frühere staatliche Postmonopolist nach Verdi-Angaben ein Angebot auf den Tisch legen.

Mit der Hinhaltetaktik seitens der Vorstandsetage der DP AG müsse Schluss sein, betonten Gewerkschafter. Die Beschäftigten in der Zustellung und in den Brief- und Paketzentren machen mehr als zwei Drittel der Post-Belegschaft aus. Ihre Einkommen liegen immer noch unterhalb des sogenannten Medianeinkommens, damit verdienen sie weniger als die Mehrheit aller Lohnabhängigen in Deutschland. »Außerdem arbeiten sie unter hoher körperlicher Belastung, die steigenden Paketmengen und -gewichte verschärfen das noch«, hieß es am Mittwoch in einer Verdi-Mitteilung. Extra Urlaubstage seien deshalb dringend notwendig für den Gesundheitsschutz.

Was hinzu kommt – und Verdianer ebenso beschäftigt: Die Debatte um die seit Jahresbeginn in Kraft getretene Novelle des Postgesetzes. Bislang mussten 80 Prozent der eingeworfenen Briefe am nächsten Werktag beim Empfänger ankommen, 95 Prozent am übernächsten. Jetzt müssen 95 Prozent der Postwurfsendungen erst am dritten Werktag nach Einlieferung im Briefkasten sein. Bis zum vierten Werktag sollten dann nahezu alle Briefe ihren Zielort erreicht haben, Minimum 99 Prozent, hatte eine DP-AG-Sprecherin jüngst erklärt. Murren nicht Post-Kunden wegen noch längerer Zustellzeiten wegen des Warnstreiks, vor allem Amtspost mit fixen Fristen betreffend? »Nein, davon habe ich bisher nichts gehört«, entgegnete Unger. Zumal Fristsachen nach Erkennen aussortiert würden, damit sie ohne Verzug beim Adressaten ankämen.

Und was passiert bis Mitte Februar, bis zur neuen Tarifrunde? Bisher verlaufe der Arbeitskampf mit angezogener Handbremse, heißt es aus Kreisen aktiver Gewerkschafter gegenüber dieser Zeitung. Kleine Nadelstiche, regional begrenzt, zeitlich befristet. Aber: Weitere Streiks seien bis dahin möglich, bestätigte Unger. »Die Kampfkraft dafür ist da.« Um in die Speichen zu greifen, die signalfarbenen modernen Postkutschen stillzulegen.

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