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Aus: Ausgabe vom 07.02.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelskonflikt

EU gegen Pakete aus der Volksrepublik

Europäische Kommission steigt in Zollkrieg ein und nimmt chinesische Onlinehändler ins Visier
Von Sebastian Edinger
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Zu billig? Die EU fährt Abwehrmaßnahmen gegen lästige Konkurrenz aus China auf

Im von den USA angezettelten Handelskonflikt mit China will nun auch die Europäische Union ihren Beitrag zur weiteren Eskalation leisten. Geplant sind laut einer Mitteilung der EU-Kommission vom Mittwoch eine Reihe neuer Marktzugangsbarrieren, die sich insbesondere gegen Shoppingportale wie Shein, Temu oder Aliexpress richten. Vorgesehen ist unter anderem eine Abschaffung der bisherigen Zollbefreiung für Warensendungen mit einem Wert von unter 150 Euro, die in die EU eingeführt werden.

Darüber hinaus will Brüssel eine neue Bearbeitungsgebühr für Sendungen aus dem Onlinehandel erheben, die von außerhalb der EU direkt an Endverbraucher innerhalb des gemeinsamen Binnenmarktes verschickt werden. Wie hoch die Gebühr ausfallen soll, wurde nicht bekannt. Auch weil der US-amerikanische Marktführer Amazon seine Sendungen größtenteils erst in Containern an Logistikzentren innerhalb der EU liefern lässt und sie dann von dort aus an die Endkunden verteilt, treffen die neuen Maßnahmen nach Angaben der Brüsseler Behörde zu 91 Prozent Warenpakete aus China.

Gegen den Modekonzern Shein, der mittlerweile in Singapur ansässig ist und von dort aus Kunden in 150 Ländern weltweit beliefert, wurde zudem ein Untersuchungsverfahren eingeleitet, das darauf abzielt, dem Unternehmen missbräuchliche Vertragsbedingungen und unlautere Geschäftspraktiken nachzuweisen. In letzter Konsequenz wird mit hohen Geldstrafen, umfassenden Berichtspflichten und weiteren Marktzugangsbeschränkungen gedroht. Gegen Temu laufen bereits ähnliche Untersuchungen der EU-Verbraucherschutzbehörden.

Inspiriert wurde der »Werkzeugkasten«, wie das Maßnahmenbündel in Brüssel genannt wird, augenscheinlich von den jüngsten Schritten der US-Regierung gegen chinesische Konkurrenten. Sie hatte neben der Verhängung neuer Strafzölle auf Importe aus der Volksrepublik angekündigt, die Zollbefreiung für Sendungen von geringem Wert – dort sogar 800 Euro – abzuschaffen. Der US-amerikanische Postdienst USPS hatte zuletzt sogar zeitweise einen Annahmestopp für Päckchen und Pakete aus China verhängt.

Die EU-Kommission behauptet, mit den neuen Maßnahmen auf eine Überforderung des Zolls zu reagieren, europäische Qualitätsstandards schützen und eine Schädigung einheimischer Anbieter verhindern zu wollen. Denn im vergangenen Jahr seien rund 4,6 Milliarden Sendungen mit einem Warenwert unter 150 Euro in die EU gelangt, das entspreche zwölf Millionen Paketen pro Tag. Seit 2022 habe sich die Zahl verdreifacht. Die Behörde beklagt, viele Waren aus Drittstaaten entsprächen nicht den EU-Rechtsvorschriften. Vor allem gelangten immer mehr schädliche Produkte in die EU. Angesichts der schieren Menge sei eine effektive Kontrolle jedoch kaum mehr möglich.

Auch Verbraucherschutzverbände sehen Handlungsbedarf, um angesichts des rasanten Wachstums des Onlinehandels die Einhaltung von Qualitäts- und Umweltstandards sicherzustellen. »Temu hat Europa vielleicht im Sturm erobert, weil es billig ist, aber es ist ein Eintrittspunkt für illegale Produkte, die in unseren Märkten nichts zu suchen haben«, ließ Anfang der Woche etwa Agustín Reyna verlautbaren, Generaldirektor des europäischen Verbraucherschutzverbandes BEUC. Die Organisation fordert zudem die Umsetzung einer Zollreform, die schon seit zwei Jahren diskutiert wird und darauf abzielt, der EU mehr Kompetenzen zu übertragen.

Doch auf umfassende Machtabgabe zugunsten Brüssels konnten sich die Regierungen der Mitgliedstaaten bislang nicht einigen. So bleibt der Kommission auch zur Umsetzung der nun beschlossenen Maßnahmen wenig übrig, als die nationalen Gesetzgeber und Verbraucherschutzbehörden aufzufordern, die dargelegten Schritte umzusetzen. Nach einem Jahr soll dann untersucht werden, ob die Änderungen ausreichen. »Andernfalls werden weitere Maßnahmen und Vorschläge in Betracht gezogen, um die Umsetzung und Durchsetzung der EU-Vorschriften zu stärken«, heißt es bei der Kommission.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (6. Februar 2025 um 20:19 Uhr)
    Ich habe ein einziges Mal bei Temu eingekauft, den Laden kannst du vergessen. Bei Aliexpress kaufe ich relativ oft ein, meist elektr(on)ische Bastelteile oder Rechnerkomponenten. Wenn mal Murks kommt (selten), wird der zurückgegeben und das Geld ist schneller wieder auf dem Konto als der Rücklauf im Rücklaufzentrum. Bei höherwertigen Teilen vergleichbarer Qualität (z. B. Festplatten oder SSDs) ist allerdings der Vorteil zum Inlandspreis gering. Die Marktwächter haben also allen Grund, die chinesische Konkurrenz zu fürchten. Fragt sich halt, welche Antwort auf deren Maßnahmen kommt …

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