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Aus: Ausgabe vom 08.02.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Wahlen in Ecuador

Gewalt, Korruption, Krisen

Wahlen in Ecuador: Entscheidung über den weiteren Kurs. Präsident Noboa hat das Land heruntergewirtschaftet. Seine Rivalin verspricht soziale Gerechtigkeit
Von Volker Hermsdorf
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Abseitige Kandidaten. Wahlkampf in Quito, 5. Februar 2025

An diesem Sonntag finden in Ecuador Wahlen statt, die nicht nur die Weichen für die Politik der nächsten fünf Jahre in dem von Gewalt, wirtschaftlichen Problemen, Korruption und politischen Krisen erschütterten Land stellen, sondern auch Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis in Lateinamerika haben. Nach einem extrem polarisierenden Wahlkampf hofft der auf Maßgaben der USA geeichte rechte Präsident Daniel Noboa auf eine Wiederwahl. Herausgefordert wird er von der Juristin Luisa González von der linken Bewegung »Revolución Ciudadana« (RC), die der neoliberalen Politik des Amtsinhabers im Wahlkampf das Konzept eines alternativen, nachhaltigeren Wirtschaftsmodells entgegensetzt, das nach ihrer Darstellung zu mehr Arbeit, sozialer Gerechtigkeit und dem Abbau von Armut führen soll. Trotz einer desaströsen Bilanz seiner Regierung wird Noboa als Kandidat der Wirtschafts- und Finanzeliten jedoch auch von Wählern unterstützt, die an sein Versprechen glauben, die ausufernde Bandenkriminalität zu beenden. Nachdem Konzernmedien und einige Umfrageinstitute seinen haushohen Sieg vorausgesagt haben, fürchten Beobachter, dass er eine Niederlage nicht anerkennen könnte.

Die Wochen vor der Wahl waren von einer »Umfrageschlacht« mit gegensätzlichen Prognosen geprägt. Während das Meinungsforschungsinstitut Ipsos Noboas Sieg in der ersten Runde erwartet, prognostizieren andere, wie Negocios y Estrategias, einen Vorsprung von mindestens zehn Prozentpunkten für González, womit sie bereits im ersten Durchgang gewählt wäre. Favorisiert wird der Amtsinhaber von den mehrheitlich konservativen Medien und kann zudem Millionen in Kampagnen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung investieren. »Allein für eines seiner fünf Facebook-Konten gibt er etwa 200.000 US-Dollar pro Monat aus. Geschätzt investiert er mindestens zwei Millionen Dollar monatlich in soziale Netzwerke«, erklärte Rafael Correa, Präsident Ecuadors von 2007 bis 2017, kürzlich in einem auch in dieser Zeitung veröffentlichten Interview. Noboas Kampagnen richten sich häufig gegen den von der RC vertretenen »Correísmo« und propagieren einen sogenannten »Anticorreísmo«.

González knüpft an das Konzept der von Correa ausgerufenen »Bürgerrevolution« an, das politische, ökonomische und soziale Reformen zur Beseitigung der Armut sowie Bildungs- und Gesundheitsprogramme umfasste. Als Ergebnis ging die Armut zwischen 2007 und 2014 um 38 Prozent und die extreme Armut um 47 Prozent zurück. Beschäftigte profitierten von einem erhöhten Mindestlohn und wurden zum ersten Mal auf Kosten der Unternehmen sozialversichert. Ihre Kinder konnten erstmals unentgeltlich Schule und Vorschule besuchen, was bis dahin nur für diejenigen möglich war, die das auch bezahlen konnten. Zudem wurde eine kostenlose Gesundheitsversorgung eingeführt. Ecuador galt in dieser Zeit als eines der friedlichsten und sichersten Länder Lateinamerikas. Acht Jahre nach einer von Correas Nachfolgern vollzogenen neoliberalen Wende versinkt das Land heute in einem Sumpf aus Armut, Korruption und Gewalt und wurde zu einer der gefährlichsten Regionen des amerikanischen Kontinents.

Im Herbst 2023 hatte Noboa die vorgezogene Wahl deshalb auch wegen der Versprechen gewonnen, »die Gewalt zu bekämpfen« und »mit dem Terror der Drogenkartelle aufzuräumen«. Doch obwohl er das Militär im Inneren einsetzte und wiederholt den Ausnahmezustand ausrief, stieg die Mordrate weiter an. Wie Telesur Ende Januar meldete, ist die Zahl der Tötungsdelikte seit Noboas Amtsantritt auf durchschnittlich 25 pro Tag gestiegen. Die einst sichere Energieversorgung ist heute mit Stromausfällen von bis zu 14 Stunden ebenfalls nicht mehr gewährleistet. Trotzdem wurden die Strompreise erhöht, die staatlichen Subventionen für Benzin gesenkt und die Mehrwertsteuer angehoben. Andere Entscheidungen und Noboas devotes Verhalten gegenüber Washington und Donald Trump werden zwar von der Oligarchie und von Wirtschaftsvertretern unterstützt, sind aber in weiten Teilen der Bevölkerung unpopulär. So etwa seine Ankündigung, entgegen der Verfassung wieder ausländische Militärbasen in Ecuador zuzulassen und die Galápagosinseln in einen US-Militärstützpunkt umzuwandeln.

Wie sein rechter argentinischer Amtskollege Javier Milei zerstört Noboa auch den Zusammenhalt lateinamerikanischer Staaten. Kürzlich provozierte er Venezuela, indem er den dortigen Oppositionspolitiker Edmundo González als Präsidenten anerkannte. Auch zu Mexiko geht Noboa auf Konfliktkurs. Die diplomatischen Beziehungen wurden abgebrochen, nachdem Einsatzkräfte auf seine Anordnung hin im April 2023 die Botschaft des Landes gestürmt und den ehemaligen Vizepräsidenten Jorge Glas, der dort Asyl vor politischer Verfolgung genossen hatte, gewaltsam entführt hatten. Als Trump Strafzölle gegen Kanada und Mexiko ankündigte, folgte Noboa dem Beispiel und verhängte Zölle in Höhe von 27 Prozent auf in Mexiko hergestellte Produkte, angeblich um die heimische Industrie zu fördern. Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum entlarvte die vollmundige Ankündigung wenig später als nicht ernstzunehmende Propaganda und verwies darauf, dass der Handel mit Ecuador gerade einmal 0,4 Prozent der Importe ihres Landes ausmache. Im Gegensatz zu Noboas eher fragwürdigen Aktionen, die Ecuadors Bürgern mehr als Mexiko schaden würden, kündigte Luisa González an, im Falle ihres Sieges Arbeitsplätze durch Investitionen in die marode Infrastruktur und durch Rücknahme von Budgetkürzungen im öffentlichen Sektor zu schaffen.

Hintergrund: Kopf-an-Kopf-­Rennen

Rund 13,7 Millionen wahlberechtigte Ecuadorianer sind am Sonntag zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen des Landes aufgerufen. Neben der Wahl des neuen Präsidenten und von dessen Stellvertreter für die Zeit bis 2029 steht auch die Abstimmung über die von 137 auf 151 erhöhte Zahl der Abgeordneten der Nationalversammlung sowie über fünf Vertreter des Andenparlaments an.

Um bereits im ersten Wahlgang zu gewinnen, müsste ein Kandidat entweder mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten oder mindestens 40 Prozent auf sich vereinen und zehn Prozentpunkte vor dem Zweitplatzierten liegen. Anderenfalls wird der Sieger am 13. April in einer Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit der jeweils höchsten Stimmenzahl ermittelt. Der Präsident und dessen Stellvertreter können höchstens für zwei fortlaufende Fünfjahresperioden amtieren. Auch die Abgeordneten der Nationalversammlung können ihre Mandate maximal für zwei Wahlperioden ausüben, dabei ist unerheblich, ob die Perioden aufeinanderfolgen.

Von den 16 Kandidatenduos, die sich am Sonntag um das Präsidenten- und das Vizepräsidentenamt bewerben, liegen derzeit in Führung: der amtierende Staats- und Regierungschef Daniel Noboa vom rechten »Movimiento Acción Democrática Nacional« (ADN), als dessen Vizekandidatin María José Pinto antritt, sowie die Juristin Luisa González für die linke Bewegung »Revolución Ciudadana« (RC), als deren Vizekandidat Diego Borja antritt. Jüngste Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Doch obwohl González in den vergangenen Wochen aufgeholt hat, wird es vermutlich für keinen der beiden Favoriten zum Sieg im ersten Wahlgang reichen. Bei den außerordentlichen Wahlen, die 2023 nach Auflösung des Parlaments durch Noboas Vorgänger angesetzt worden waren, lag González im ersten Wahlgang noch vorn, bei der Stichwahl dann aber 3,6 Prozentpunkte hinter ihrem Konkurrenten. (vh)

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