Greenwashing bei ING
Von Gerrit Hoekman![9.jpg](/img/450/205230.jpg)
ING betreibt sogenanntes Greenwashing. Die größte Bank der Niederlande verleiht anscheinend viel mehr Geld an Firmen, die Öl- und Gasfelder ausbeuten, als sie in ihrem Geschäftsbericht zugibt. Zu dem Schluss kommt jedenfalls eine Studie der unabhängigen Stiftung SOMO, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Nach Angaben der Bank standen 2023 bei ING Öl- und Gasmultis mit 2,5 Milliarden Euro in der Kreide. In Wirklichkeit sei es aber mehr als das Zehnfache, und zwar 26,4 Milliarden Euro, fand SOMO heraus.
»ING berichtet nicht transparent«, schlussfolgerte Boris Schellekens am Donnerstag gegenüber der niederländischen Tageszeitung Trouw. Er war für SOMO maßgeblich an der Studie beteiligt, die von der niederländischen NGO Milieudefensie angeregt wurde. Die Stichting Onderzoek Multinationale Ondernemingen (Stiftung Untersuchung multinationaler Unternehmen) oder kurz SOMO macht seit 1973 bekannt, welche Folgen die mit Öl verschmierten Investitionen der Konzerne für Mensch und Umwelt haben.
Ergebnis der Untersuchung: ING schummelt. Im Geschäftsbericht 2023 habe die Bank nur Kredite für Konzerne gesondert ausgewiesen, die ihr Geld hauptsächlich mit der Förderung von Öl und Gas verdienten. Machte insgesamt 2,5 Milliarden Euro. Unternehmen, die ihren Geschäftsschwerpunkt woanders hatten, aber nebenbei auch fossile Brennstoffe förderten, seien dort nicht erschienen. »Das ist, als wollte man eine Übersicht aller Bäckereien in den Niederlanden erstellen und dabei die Supermärkte nicht mitzählen, die ihr eigenes Brot backen«, kritisierte Schellekens.
Zum Beispiel die Vitol-Gruppe. Die Firma aus Rotterdam handelt in erster Linie mit Rohstoffen und verarbeitet sie. Im Seehafen unterhält sie weit draußen in Europoort eine Raffinerie und Lagerterminals. Nebenbei fördert Vitol aber in Westafrika vor Ghanas Küste auch Erdöl. Wegen der steigenden Nachfrage will Vitol sogar neue Ölfelder erschließen. SOMO fand heraus, dass ING dem Konzern in den vergangenen 15 Jahren 26 Kredite in Höhe von insgesamt 4,2 Milliarden Euro gewährt habe.
Außerdem hätte ING in seiner Klimabilanz nicht den gesamten Kreditrahmen berücksichtigt, den ein Unternehmen besitzt, sondern nur den Teil, den es auch tatsächlich in Anspruch nimmt. Ganz anders sähe es bei den Krediten aus, mit denen die Großbank nachhaltige Projekte angeschoben hatte. Dort hübschte sie ihren Einsatz für eine bessere Umwelt auf, indem sie den ganzen Kreditrahmen herangezogen hätte und nicht nur den Teil, den die betreffenden Firmen auch wirklich verwendet hätten. Zweierlei Maß also, oder anders ausgedrückt: geschicktes Greenwashing. »ING behauptet, eine grüne Bank zu sein, manipuliert aber die Zahlen«, stellte Donald Pols, der Direktor der NGO Milieudefensie, am Donnerstag gegenüber Trouw fest.
ING sei in einem viel größeren Umfang an der Finanzierung expandierender Ölkonzerne beteiligt, als die Bank zugibt. Vor anderthalb Jahren hatte ING angekündigt, die Kredite für Konzerne, die fossile Brennstoffe ausbeuten, bis 2030 um 35 Prozent zu reduzieren und bis 2040 völlig einzustellen. Laut der Studie geschieht im Moment aber das Gegenteil – ING weitet die Finanzierung sogar aus. So habe sie die Kreditvergabe in emissionsintensiven Sektoren wie Schiffahrt und Stahl ausgeweitet. Milieudefensie bereitet seit rund einem Jahr eine Klage gegen ING vor. Einfach wird es nicht, den Prozess zu gewinnen. Unlängst verlor die NGO in der Berufung eine ähnliche Klage gegen den Erdölgiganten Shell.
»Bei der Klassifizierung von Krediten verwenden wir einen international anerkannten Standard, der auf der Haupttätigkeit eines Unternehmens basiert«, wehrt sich ING gegen den Vorwurf der Schummelei. SOMO und Milieudefensie würden die Fakten falsch darstellen. »Das ist schade, denn wir teilen die Ansicht, dass der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft dringend erforderlich ist«, zitierte das NRC Handelsblad am Donnerstag aus einer Stellungnahme der Bank. Die Studie mache allerdings »einen vernünftigen und konstruktiven Dialog« schwierig.
Diese Studie wurde übrigens nicht zufällig am Donnerstag veröffentlicht – an dem Tag legte ING auch seinen Geschäftsbericht 2024 vor. Unterm Strich steht ein Gewinn von 6,4 Milliarden Euro, 900 Millionen Euro weniger als im Rekordjahr 2023. ING hat ein ehrgeiziges Ziel – die beste Bank in Europa zu werden. Durch Expansion. »Wir wollen in größeren Märkten größer werden, darunter Italien, Spanien und Deutschland«, kündigte CEO Steven van Rijswijk am Dienstag laut Reuters an. Fusionen und Übernahmen seien überall eine Option. »Wenn man sich zum Beispiel Konsumentenkredite ansieht, sind wir in Deutschland sehr klein, aber auch in Italien und Spanien«, so Van Rijswijk. Auf welche Konkurrenten er schielt, wollte er nicht preisgeben.
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