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Aus: Ausgabe vom 11.02.2025, Seite 8 / Ansichten

Ohne Tamtam

Reaktionär-militaristischer Staatsumbau
Von Arnold Schölzel
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Bewaffnete Grenadiere im Ausrüstungszustand (Munster, 11.7.2022)

Populär war die Bundeswehr nie, hatte aber im Kalten Krieg keine besonderen Probleme, ein gewaltiges Kontingent zu rekrutieren – bis zu 500.000 Soldaten. Der Niederlagenschock von 1945 saß selbst in Westdeutschland tief, hinderte aber nicht, den nächsten Feldzug Richtung Osten munter zu planen. Schließlich sollte es um die Befreiung vom kommunistischen Joch gehen. Spiegel-Gründer Rudolf Augstein brachte die Dialektik von Schlottern vorm Russen und Mobilisierung gegen ihn in einem lichten Moment 1960 so auf den Punkt: »Die neue Armee wurde nicht gegründet, um den Bonner Staat zu schützen, sondern der neue Staat wurde gegründet, um eine Armee gegen die Sowjets ins Feld zu stellen – mag diese Ratio den Paten im In- und Ausland auch nicht voll bewusst gewesen sein.« Als die Sowjets verschwanden, blieb die Armee aber, und bereits am 30. Januar 1991 kündigte Bundeskanzler Helmut Kohl im Bundestag an: »Es gibt für uns Deutsche keine Nische in der Weltpolitik.« Er ließ das Stichwort »Verantwortung« folgen, mit dem 2013 in einem Strategiepapier der Bundesregierung eine »neue Macht« angekündigt wurde.

Die Dämonisierung Russlands war damit 100 Jahre lang Konstante deutscher imperialistischer Politik. 1914 kalkulierten mit ihr Generalstab und SPD-Führung, später Faschisten, nach 1945 wurde sie BRD-Staatsräson. Konrad Adenauer: »Asien steht an der Elbe.« Die Russenhasswelle, die erneut seit mehr als zehn Jahren durchs Land schwappt, ist ein Indikator für den dritten Anlaufversuch zur Weltmacht wie auch für den neuerlichen reaktionär-militaristischen Umbau von Staat und Armee.

Deren Kriegsertüchtigung geht im Vergleich zum Geblaff des Ministers Pistorius allerdings behutsam vor sich. So gibt es seit einem Jahr den »Operationsplan Deutschland« (Oplan Deu), der aber geheim blieb. Das am 30. Januar veröffentlichte »Grünbuch Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) 4.0« kann zwar nachgelesen werden, nur wurde außer in jW kaum darüber berichtet. Am 7. Februar meldet dpa, sonst fast niemand, die Ernennung von Generalmajor Andreas Henne zum Kommandeur der Division Heimatschutz, die als vierte Division des Heeres aus Reservisten und aktiven Soldaten Mitte März in Dienst gestellt werden soll. Die Devise lautet: kein großes Tamtam. Das Muster lieferte Hennes Vorgesetzter André Bodemann, zuständig für den Oplan Deu, am 17. Januar im Bayerischen Rundfunk ab: »Wir befinden uns formaljuristisch nicht im Krieg, aber nach meiner Auffassung auch schon lange nicht mehr im Frieden, weil ­wir jeden Tag hybriden Bedrohungen ausgesetzt sind.« Die militärische Ingriffnahme von Unternehmen, Gesundheits- und Verkehrswesen begleiten die Kommandeure vorläufig mit Raunen und Wispern. Friedrich Merz sprach dagegen mit seinem Festhalten an der »Taurus«-Lieferung nach Kiew fast Klartext: Das Geschoss bedeutet Angriff.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (10. Februar 2025 um 22:59 Uhr)
    Die Geschichte lehrt, jede Hochrüstung mündet früher oder später in einem Krieg, und zwar aus einer ganz simplen Logik heraus: Jede Form von Drohung verliert umso stärker ihre Abwehrwirkung, je länger sie nicht durch eine entsprechende Tat unter Beweis gestellt wird.

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