Kampfansage aus Paris
Von Sebastian Edinger![9.jpg](/img/450/205312.jpg)
Seit Montag steigt in Paris der dritte internationale KI-Gipfel (Artificial Intelligence Action Summit). Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sind ebenso vertreten wie die Bosse großer Techkonzerne von Open AI bis Google. Es geht darum, ob und wie die enormen Risiken der Technologie in Zeiten zunehmender Spannungen und verschärfter Auseinandersetzung um die globale Vormachtstellung in der Digitalwirtschaft im Zaum gehalten werden können. Vor allem das US-Investitionsprojekt Stargate und das chinesische KI-Modell Deep Seek haben den Wettlauf zuletzt enorm beschleunigt.
Bereits am Freitag hatte der Informatikprofessor Yoshua Bengio bei der Vorstellung des beim letzten Gipfel in Auftrag gegebenen AI Safety Reports mit drastischen Worten vor den Gefahren einer unregulierten KI-Entwicklung gewarnt. Es drohe ein Kontrollverlust mit dramatischen Folgen. Neben bereits bekannten Gefahren wie neuen Betrugsmaschen und Meinungsmanipulation häuften sich die Beweise für »zusätzliche Risiken wie biologische Angriffe oder Cyberattacken«, so Bengio. Gar von der Möglichkeit, »dass die Menschheit innerhalb von zehn Jahren verschwinden könnte«, war die Rede. Der renommierte Forscher plädierte eindringlich für eine strengere internationale Regulierung und mehr Forschung zu Sicherheitsfragen.
Auf ein weiteres Problem der rasanten KI-Entwicklung wies vor dem Gipfel die Organisation Algorithmwatch hin: den enormen Energiebedarf der Rechenzentren. »Die wirkliche existenzielle Bedrohung durch KI ist nicht, dass Maschinen ein Bewusstsein entwickeln und die Weltherrschaft an sich reißen könnten – sondern, dass wir zulassen, dass die Technologie unserem Planeten unkontrolliert Schäden zufügt«, sagte Geschäftsführer Matthias Spielkamp. Der »Größer-ist-besser«-Ansatz von Big Tech führe nicht nur zu Umweltschäden, sondern verfestige auch den Einfluss der Konzerne. Spielkamp: »Nennen Sie eine Branche, die die von ihr verursachten Umweltschäden ohne Regulierung behoben hat. Eben.«
Die Erwartungen an die Zusammenkunft in Paris sind groß, auch weil von den früheren KI-Gipfeln in London und Seoul Erfolge vermeldet werden konnten. So hatten sich die Hauptkonkurrenten China und USA einer gemeinsamen Erklärung zur KI-Sicherheit angeschlossen; führende Techfirmen verständigten sich auf gemeinsame Standards. In Reaktion auf Stargate hatte Chinas Vizeregierungschef Ding Xuexiang zuletzt auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos vor einem »chaotischen Wettbewerb« gewarnt und eine »globale KI-Governance« eingefordert. In den USA hingegen stehen die Zeichen auf Deregulierung, seit Präsident Donald Trump das KI-Gesetz seines Vorgängers außer Kraft setzte und Maßnahmen zur Schwächung der Datenschutzbehörde ergriff.
Ambitionen, in der globalen KI-Wirtschaft mitzumischen, zeigte zuletzt auch Frankreich. Präsident Emmanuel Macron will seine Rolle als Gastgeber des Summits nutzen, um KI made in France zu bewerben. »Wir brauchen mehr wirtschaftlichen und europäischen Patriotismus. Wir müssen darauf setzen, KI aus Frankreich und Europa zu kaufen«, sagt er vor Beginn des Treffens. Auf den hohen Energiebedarf der KI-Entwicklung hatte seine Digitalministerin Clara Chappaz eine Antwort: Mit den Atomkraftwerken im Land könne man viele große Rechenzentren versorgen. Das Ziel bestehe darin, »Frankreich zu einem der attraktivsten Ziele für KI-Forscher, Ingenieure und Unternehmer zu machen«.
Bereits während der Verhandlungen zum AI-Act, dem KI-Gesetz der EU, hatte sich Frankreich immer wieder gegen strenge Regeln für KI-Firmen engagiert und konsequent die Interessen einheimischer Konzerne wie insbesondere Mistral AI vertreten. Am vergangenen Freitag warb auch Open AI-Chef Altman für KI-Deregulierung in der EU: »Wir würden gerne etwas wie ein Stargate Europa machen, aber dafür brauchen wir Hilfe«, sagte er vor Studierenden der TU Berlin. Europa müsse sich entscheiden, wie die Regeln künftig aussehen sollen. »Wir werden uns natürlich an sie halten«. Es sei aber nicht im Interesse Europas, bei der KI-Entwicklung »dem Rest der Welt hinterherzuhinken«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (10. Februar 2025 um 23:04 Uhr)»Zusätzliche Risiken wie biologische Angriffe oder Cyberattacken«? KI-unterstützte Cyberattacken kann ich mir vorstellen, wie biologische Angriffe aussehen sollen, ist mir unklar. Da wären ein paar Beispiele oder die Darstellung funktionaler Prinzipien hilfreich. Der Frau Chappaz schreibe ich ins Poesiealbum: KI soll in Frankreich also nur in der Regenzeit stattfinden, ansonsten führen die Flüsse zu wenig Wasser zur Kühlung der dafür notwendigen Kernkraftwerke. Bitte erklären Sie mir, über welche Kräfte ein Atom verfügt. Ohne Scherz und Ironie: Was wollen die Pfeifen noch alles anzetteln, nachdem die Liste der untauglichen Werkzeuge zur Erlangung der Weltherrschaft immer länger wird? Little Boy und Fat Man waren der Anfang, dann wurde der Welt das Internet aufgedrückt, man hatte ja den Wissensvorsprung, damit kamen die »sozialen« Netze, jetzt die KI. Und so liest sich das in der South China Morning Post vom 8.2.2025: »The world’s top organisations for high-quality physics research are all in China or Europe, with the US’ highest-ranked institution coming in at No 13, according to the latest Nature Index.« DeepL: »Die weltweit führenden Organisationen für hochwertige Physikforschung befinden sich alle in China oder Europa, wobei die höchstrangige Einrichtung in den USA auf Platz 13 liegt, so der aktuelle Nature Index.« Der relative abstieg scheint auch ein absoluter zu sein. Der Frau Chappaz kann ich DeepSeek (ohne Lehrzeichen!) empfehlen. Nach Rücksprache mit ihr (richtig gegendert?) hätte sie solchen Unfug wahrscheinlich nicht verzapft.
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