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Aus: Ausgabe vom 12.02.2025, Seite 1 / Sport
Staatsfeind Fußballfan

Kriminalisierte Kurvengänger

Repressionsende gefordert: Dachverband der Fanhilfen veröffentlicht Forderungen zur Bundestagswahl
Von Oliver Rast
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Aktive Fanszene von Zweitligist Hertha BSC mit klarer Botschaft gegen Polizeigewalt (Berlin, 13.12.2024)

Das Stadion ist ihr Experimentierfeld, Fans sind ihre Versuchskaninchen. Oder: Behörden schikanieren Anhänger des Fußballsports, besonders rebellische Kurvengänger. Dreister, härter, repressiver. Der Dachverband der Fanhilfen, ein bundesweiter Zusammenschluss von Fanhelfern, präsentierte am Dienstag ein Forderungspapier zur Bundestagswahl. Sieben Punkte zur Wahrung von Fan-, Bürger- und Freiheitsrechten. Denn mantramäßig wiederholten Fanatiker im Sicherheitsapparat, in Parteien und in Verbänden, dass ein Besuch in der Arena gefährlich sei. Grober Unfug, betonen die Aktivisten aus dem weiten Rund.

Mittels Kriminalisierung von Fankultur und Fandasein werde »ein verzerrtes öffentliches Bild gezeichnet, welches der Einschränkung grundlegender Freiheits- und Bürgerrechte dient«, sagte Linda Röttig, Vorstandsmitglied des Fanhilfendachverbands, am Dienstag gegenüber jW. Und ganz wichtig: Repressalien erfolgten oftmals zuerst bei Fußballfans, würden bei ihnen erprobt, durchgesetzt, um alsdann weitere soziale Gruppen zu treffen.

Die organisierten Fanrechtler lehnen etwa die »Totalüberwachung der Kommunikation durch die Einführung der Chatkontrolle« ab. Sie fordern indes ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter in Fanprojekten und erteilen erweiterten Befugnissen für Polizeibehörden eine Absage. Und nicht zuletzt steht die Verbunddatei des Bundeskriminalamts, die Datei »Gewalttäter Sport« (DGS), in der Kritik. Dort werden Fans allein wegen Bagatellen gespeichert. Ferner sei die DGS intransparent, das verletze das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Kurzum, die Datei gehöre abgeschafft. Sofort, ersatzlos.

Eine Reform durch die Ampel – wie im Koalitionsvertrag versprochen – blieb aus, bemängelte Fananwalt René Lau am Dienstag gegenüber jW. Und sowieso: Beschuldigten- und Verteidigerrechte seien in den vergangenen Jahren genug eingeschränkt worden. Lau: »Deshalb ist es an der Zeit, zur rechtsstaatlichen Politik zurückzukehren.«

Das mahnt auch Röttig von den Fanhilfen an. Und wer glaube, »sich auf Kosten von Fußballfans politisch profilieren zu können, befindet sich auf dem Holzweg«.

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  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (12. Februar 2025 um 14:20 Uhr)
    Mir fällt auf, dass in diesem Artikel die Fußballvereine völlig unerwähnt bleiben. Haben diese nichts zur Entlastung ihrer Fans zu sagen, obwohl sie von den gewiss nicht geringen Eintrittsgeldern ihrer Fans gut leben? – Weshalb steht die Datei »Gewalttäter Sport« (DGS) in der Kritik? Weshalb sollen Fans, die sich strafbar gemacht haben, nicht erfasst und im Wiederholungsfall als Wiederholungstäter erkannt werden, wie das auch bei anderen Gesetzesverletzern üblich ist? – Dass man sich auf Kosten von Fußballfans politisch profilieren kann, ist mir neu. Beispielsweise fand ich anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl kein Plakat, auf dem eine Partei versucht, sich auf Kosten von Fußballfans politisch zu profilieren. Mein Vorschlag: Den Fans steht es doch frei, selbst eine Partei zu gründen, um aktiv gegen die im Beitrag kritisierten Zustände vorzugehen!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (12. Februar 2025 um 07:47 Uhr)
    »Staatsfeind Fußballfan«? Warum der Fußballfan für den Staat so gefährlich sein soll, erschließt sich dem politisch Denkenden nicht so recht. Hat die Polizei nichts Besseres zu tun, als jeden (!) Samstag Notstandsübungen zu machen? Sind doch Bundesliga und Profifußball »Brot und Spiele« der Neuzeit. Wenn sich politisch orientierungslose Fans sinnlose Scharmützel mit der Polizei liefern, kann es den Regierenden nur recht sein. Fußballbegeisterung lässt sich hervorragend politisch instrumentalisieren. Nur neun Jahre nach der Niederlage Hitlerdeutschlands hieß es nach dem WM-Gewinn 1954: »Wir sind wieder wer«. Nie hat man so viele Deutschlandfahnen gesehen, wie beim »Sommermärchen« 2006.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (12. Februar 2025 um 17:08 Uhr)
      Um den Fußball herum entlädt sich auch viel Frust über Zustände, die wenig mit dem Fußball und viel mit der Gesellschaft zu tun haben. Für die Herrschenden ist das ziemlich angenehm, brauchen sie den Protest doch dann nicht dort zu fürchten, wo er wirklich weh tun könnte. Aber Frust ist eben Frust und er entlädt sich oft auch gewaltsam und unkontrolliert. Da mittendrin zu stecken ist dann auch wieder kein Zuckerschlecken. Allerdings ist auch wahr, dass die Staatsmacht dann an jedem Wochenende ein fast originalgetreues Übungsfeld für geahnte spätere Auseinandersetzungen vorfindet. Das wird manch einer nur so lange gut finden, wenn ihn der Hieb mit dem Gummiknüppel nicht selbst trifft. Der Hieb könnte ja auch erfolgen, wenn er gedenkt, sich friedlich für seine Rechte einzusetzen. Sowas soll schon passiert sein. Und zu erwarten ist es auch irgendwann. Es ist deshalb wirklich nicht schlecht, auch an diese Situation zu denken, wenn man dem Walten der Ordnungsmacht zusieht.

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