Faust- gegen Völkerrecht
Von Nick BraunsDonald Trump hat am Freitag Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verhängt. Der US-Präsident wirft dem Gericht mit Sitz im niederländischen Den Haag Machtmissbrauch sowie »bösartige Angriffe« gegen Israel vor. Hintergrund sind die im November erlassenen Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den früheren Verteidigungsminister Joaw Gallant, gegen die wegen schwerer Kriegsverbrechen im Gazakrieg ermittelt wird. Gleichzeitig war gegen den zu diesem Zeitpunkt bereits einem israelischen Luftangriff zum Opfer gefallenen Hamas-Führer Mohammed Deif ein Haftbefehl ergangen.
Die angeordneten Sanktionen richten sich gegen die rund 900 Mitarbeiter des Gerichtshofes sowie gegen all jene, die an Ermittlungen gegen US-Personal oder verbündete Staaten beteiligt sind. Gegen die betroffenen Personen werden Einreiseverbote in die USA verhängt. Ihre Vermögenswerte werden eingefroren, US-Unternehmen werden Finanzgeschäfte mit ihnen untersagt. Trumps Attacke kam für das Gericht nicht unerwartet, angesichts einer möglichen Unterbrechung der Finanzdienstleistung durch US-Banken sind die Gehälter bereits für drei Monate im voraus überwiesen worden.
Die Bundesregierung, die wie alle EU-Staaten dem Römischen Statut des IStGH beigetreten ist, sicherte dem Gericht am Freitag volle Rückendeckung zu. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes würdigte den Gerichtshof als »eine der größten Errungenschaften des internationalen Völkerstrafrechts«. Die Liebe der Bundesregierung zu dieser Errungenschaft geht dabei allerdings nicht so weit, eine Vollstreckung des Haftbefehls gegen Netanjahu im Falle eines Deutschland-Besuchs zu garantieren. Man habe die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis genommen, hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach Erlass des Haftbefehls im November erklärt, es sei aber schwer vorstellbar, dass es auf dieser Grundlage zu einer Festnahme komme. Der CDU-Vorsitzende und voraussichtliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz hatte bereits nach Beantragung des Haftbefehls im Mai vergangenen Jahres von der Bundesregierung eine Klarstellung gefordert, dass sie Netanjahu keinesfalls an den IStGH ausliefern werde.
Der IStGH sei »korrupt«, »antiamerikanisch« und »antisemitisch«, feierte Netanjahu auf dem Kurznachrichtendienst X Trumps »mutiges« Handeln. Die »rücksichtslose« Kampagne gegen Israel sei ein Probelauf für Maßnahmen gegen die USA.
Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump Sanktionen gegen den IStGH nach Ermittlungen zu US-Kriegsverbrechen in Afghanistan erlassen. Die USA erkennen den von mittlerweile 123 Staaten unterstützten IStGH ebensowenig an wie Israel, China und Russland. Seit 2002 ist ein sogenanntes Schutzgesetz für amerikanische Dienstangehörige in Kraft. Landläufig auch als Den-Haag-Invasionsgesetz bezeichnet, ermächtigt es den US-Präsidenten, US-amerikanische Bürger auch unter Einsatz militärischer Mittel aus den Fängen des Gerichtshofes zu befreien.
Die Präferenz für Faust- statt Völkerrecht verbindet Washington mit Tel Aviv. So überreichte Netanjahu dem US-Präsidenten bei seinem Antrittsbesuch Mitte der Woche einen goldenen Pager. Eine makabre Erinnerung an den staatsterroristischen Anschlag Israels, der am 17. September 2024 im Libanon 39 Menschen das Leben kostete und fast 3.000 verstümmelte.
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