»Kein Spaß«
Von Ingar Solty![12-13.jpg](/img/450/205572.jpg)
In der berühmten Geschichte »Oh, wie schön ist Panama!« des Kinderbuchautors Janosch sagt »der kleine Bär« zum »kleinen Tiger«: »Panama ist unser Traumland, denn Panama riecht von oben bis unten nach Bananen. Nicht wahr, Tiger?« Das Buch erschien vor einem knappen halben Jahrhundert. Aber noch heute weckt der kleine Staat am Isthmus, der die Kontinente Nord- und Südamerika verbindet, Sehnsüchte.
Die ab 1881 gebaute Wasserstraße, die die Durchquerung der Amerikas per Schiff ermöglicht, gehört wie der 1869 gebaute Suezkanal in Ägypten, der die Umschiffung Afrikas erübrigte, zur historischen Vernetzung und Erschließung der Welt. Heute reißt uns Jules Vernes Abenteuergeschichte »Reise um die Erde in 80 Tagen« nicht mehr vom Hocker. Seit der Erfindung des Flugzeugs lässt sich die Erde in weniger als 48 Stunden umrunden. Und doch dauert eine Weltreise mit einem Kreuzfahrtschiff auch heute noch mehr als 100 Tage. Und sie wäre ohne den 82 Kilometer langen Kanal zwischen Atlantik und Pazifik noch sehr viel länger, erübrigt die Seewegverbindung doch die unter Seefahrern einst gefürchtete Umschiffung des Kap Hoorn an der südlichsten Spitze von Südamerika.
Trump droht
Donald J. Trump hat schon vor seinem Amtsantritt Ansprüche auf ihn erhoben. Dem Staat Panama, der den Kanal nach einem Vertrag, den die Regierung des damaligen panamaischen Präsidenten Omar Torrijos 1977 mit dem damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter unterzeichnete, seit 1999 souverän verwaltet und betreibt, drohte der neue, alte US-Präsident mit Krieg, sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden. Zugleich stellte er auch Ansprüche an Kanada, das er gern als 51. Bundesstaat den USA einverleiben würde, sowie an das rohstoffreiche Grönland, das zum NATO-Partner Dänemark gehört und das Trump aus Gründen der »ökonomischen Sicherheit« für die USA reklamiert und käuflich erwerben möchte.
Was haben der Milliardär und seine Milliardärsregierung mit dem knapp 2.000 Kilometer Luftlinie entfernten Panama zu schaffen? Tatsächlich gibt es eine mehr als zwei Jahrzehnte zurückreichende persönliche Verbindung, die einen direkten Zusammenhang zwischen Trumps politischen und privatunternehmerischen Zielen vermuten lässt. 2003 hielt der Geschäftsmann in Panama die Wahl zur »Miss Universe« ab, die dahinterstehende Firma zählte lange Zeit zu seinem Eigentum. Dies war auch die Zeit, als Trump aufgrund einer Reihe von Insolvenzen nicht kreditwürdig war, weshalb er seinen Namen an Luxusimmobilien verkaufte. Eine davon war der 2005 konzipierte und 2011 eröffnete 284 Meter hohe »Trump Ocean Club International Hotel and Tower« in Panama City. Wie in vielen Fällen war auch diese Immobilie wesentlich in Geldwäscheaktivitäten kolumbianischer Drogenkartelle involviert. 2015 beendete Panama seine Teilnahme an den Miss-Universe-Wahlen in Reaktion auf Trumps rassistischen Wahlkampf. 2018, ein Jahr nach Trumps Wahlsieg, versuchten die in Miami ansässigen Eigentümer von Trumps Hotel und Tower, das Trump-Management loszuwerden und das Hotel von dessen Namen zu lösen. Das Management und Trumps Securitypersonal hielten daraufhin das Gebäude zwölf Tage lang besetzt, bevor Angestellte des Justizministeriums mit einer größeren Zahl bewaffneter Polizeibeamter dem Eigentümer Zugang zu dem 70stöckigen Luxushotel verschafften. Als schließlich ein Jahr später der damalige panamaische Botschafter Juan De Dianous zusammen mit einer ganzen Reihe von Diplomaten anderer Staaten mit Trump zusammentraf, war er von seiner Regierung angewiesen worden, sich völlig bedeckt zu halten und auf gar keinen Fall politische Themen anzuschneiden. Als er an der Reihe war, Trump die Hand zu schütteln, soll dieser zu ihm gesagt haben, seiner Erfahrung nach gebe es in Panama viele Verbrecher.
Heute geht es Trump indes um den Kanal. Schon 2003, als der damals 56jährige das Land zum ersten Mal im Rahmen der Miss-Universe-Wahl besuchte, brachte er sein Gefühl zum Ausdruck, dass die USA die Kontrolle über den Kanal nie hätten abgeben dürfen. Dass er es mit seinen auf Panama bezogenen imperialistischen Gelüsten durchaus ernst meint, zeigte sich, als er seine Forderungen während seiner Rede zur Amtseinführung am 20. Januar wiederholte. Trump äußerte, die Übergabe des Kanals sei ein »törichtes Geschenk« gewesen und »Panamas Versprechen an uns« sei »gebrochen worden«. Panama würde die USA unfair behandeln. Außerdem würde China in Wahrheit die Kontrolle des Kanals innehaben. Die USA würden sich die Wasserstraße darum »wiederholen«. Den Einsatz von militärischer Gewalt schloss er abermals explizit nicht aus.
Der panamaische Präsident José Raúl Mulino, eigentlich ein Freund der USA, der die US-Regierung bei »Pushbacks« gegen Migranten unterstützt, reagierte auf Trumps Androhung mit der Verkündung, dass die Souveränität und Unabhängigkeit des zentralamerikanischen Staates »nicht verhandelbar« seien. Nachdem der US-Präsident seine Drohungen wiederholt hatte, wandte sich Mulino an die Vereinten Nationen. In einem auf X publizierten Brief an UN-Generalsekretär António Guterres nannte er die Drohungen »besorgniserregend«. Seine Regierung bezog sich dabei auf die UNO-Charta, die den Staaten der Welt die »Androhung oder Anwendung von Gewalt« gegen die territoriale Souveränität und politische Unabhängigkeit verbietet. Dasselbe Prinzip wurde vom Westen für die militärische Unterstützung der ukrainischen Regierung vorgebracht. Von Waffenlieferungen an Panama oder Grönland zur Verteidigung ihrer territorialen Integrität ist bislang jedoch nichts bekanntgeworden. Mulino jedenfalls forderte Guterres auf, die Sache an den UN-Sicherheitsrat zu überweisen. Er verzichtete aber darauf, den UN-Generalsekretär um die Einberufung einer Sitzung zu bitten, was keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Schließlich haben die USA einen Sitz im Sicherheitsrat und somit ein Vetorecht.
Hauptnutzer: USA
Die Vermutungen, worum es Trump geht, schossen nach seiner Ankündigung wie Unkraut aus dem Boden: Handelt der neue Präsident bloß, weil einer von seinen Geschäftspartnern sich bei einem Geschäftsessen über längere Wartezeiten oder den von Panama in Trockenzeiten erhobenen »Süßwasseraufschlag« für Transitfahrten beklagt hatte? Oder agiert Trump als ideeller Gesamtkapitalist, also im Sinne der allgemeinen Interessen der von den USA aus agierenden und im Staat dominanten Kapitalfraktionen? Ist sein Anliegen das eines imperialistischen Machtpolitikers, der die Kontrolle über den US-Hinterhof Lateinamerika behalten will? Oder handelt er im Geist der Monroe-Doktrin von 1823, die es überseeischen Mächten, wie heute China, verbat, sich in ebendiesem Hinterhof breitzumachen?
Tatsächlich besitzt der Panamakanal für das US-Kapital sowie die US-Militärdominanz eine hohe Bedeutung. Er ist die schnellste Ostasienverbindung von der US-Ostküste. Von knapp 15.000 Schiffen – das entspricht ungefähr fünf Prozent des globalen Seehandelsverkehrs – wird sie Jahr für Jahr genutzt, spart sie doch allein auf der Strecke New York–San Francisco 20.000 von 30.000 Kilometern Seeweg ein. Heute durchqueren von allen Containerschiffahrten von US-Unternehmen 40 Prozent den Panamakanal – mit einem jährlichen Gesamtwert von 270 Milliarden US-Dollar an Fracht. Auch für den Export von Flüssigerdgas (LNG/LPG) nach Asien ist der Kanal essentiell. Die USA sind damit der mit Abstand größte Nutzer. 74 Prozent aller Schiffe, die den Kanal jährlich durchqueren, haben die USA als Startpunkt und/oder Zielort. Danach folgen – mit großem Abstand – als häufigste Herkunftsländer China, Südkorea, Chile, Mexiko, Peru, Ecuador, Japan, Kolumbien und Kanada. Auch europäische Unternehmen nutzen die Wasserstraße, vor allem für ihren Handel mit der US-Westküste.
Die strategische Bedeutung des Kanals für die USA zeigte sich auch darin, dass der erste Auslandsbesuch den US-Außenminister Marco Rubio nicht nach Ottawa, Brüssel, Berlin, Moskau oder Beijing führte, sondern nach Panama. Im Vorfeld hatte Rubio betont, Trumps imperialistisches Ansinnen sei »kein Spaß«. Die »Kommunistische Partei Chinas« habe zu großen Einfluss und kontrolliere den Kanal, was ein Vergehen gegen den Vertrag von 1977 über die permanente Neutralität und den Betrieb des Panamakanals darstelle. Aber wie kam es überhaupt dazu, dass die USA vor einem knappen halben Jahrhundert einen Vertrag mit dem kleinen zentralamerikanischen Staat über die Nutzung des Kanals schließen konnten?
Tatsächlich trägt der Kanal nicht den Namen des Staates, sondern der Staat den des Kanals. Nur wegen diesem existiert er überhaupt.
Überlegungen für einen Kanal reichen bis ins frühe 16. Jahrhundert zurück. Nach dem kalifornischen Goldrausch von 1849 wurde – im Interesse einer schnellen Seeverbindung von Kalifornien nach New York – vom kolumbianischen Staat, zu dem das Gebiet des heutigen Panama damals gehörte, eine Lizenz für den privatkapitalistischen Bau einer sechs Jahre später vollendeten Eisenbahn vergeben. Der durch die Goldfunde ausgelöste Boom und die Errungenschaften im Eisenbahn- und Schiffbau schufen die erste kapitalistische Globalisierungswelle ab den 1850er Jahren. 1869 wurde der 164 Kilometer lange Suezkanal, der das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean verbindet, im Auftrag von Ferdinand de Lesseps gebaut. Nach seinem Erfolg am Suez erhielt dieser auch den Auftrag für einen Panamakanal. Am 1. Januar 1881 begannen die Arbeiten. Das Projekt jedoch scheiterte grandios: 287 Millionen US-Dollar wurden ausgegeben, dann kam die Insolvenz. Die Investoren verloren nur ihr Geld, die Arbeiter ihr Leben: Bis zur Pleite waren unter schwierigsten klimatischen, geologischen und sozialen Bedingungen unglaubliche 22.000 Arbeiter ums Leben gekommen.
Zur Besonderheit des Investorenprojekts gehörte, dass es keines von wenigen Groß-, sondern eines von 800.000 französischen Kleinstaktionären war. Die Lage vor Ort war vor ihnen geheimgehalten worden; mit der Pleite wurden sie um ihr Geld gebracht. Um die Finanzierung zu sichern, hatte Lesseps noch versucht, eine nationale Lotteriegesellschaft zu gründen. Zu diesem und zum Zwecke der Geheimhaltung wurde systematisch geschmiert. Es kam zu einem der größten Korruptionsskandale in Frankreichs Geschichte. Unzählige Staatsmänner, Beamte und ganze Zeitungsredaktionen waren verstrickt. Allein 104 Parlamentarier hatten Gelder von der Panama Canal Co. empfangen. Die »Panamageschichte«, schrieb damals Friedrich Engels an August Bebel, »schlägt alles«. Seine Hoffnung allerdings, dass die Affäre »der Bourgeoisrepublik den Hals bricht«, erfüllte sich nicht.
Ein neuer Staat entsteht
1894 wurde für die Aktienverwaltung und Aufrechterhaltung der Infrastruktur ein neuer Konzern, die Compagnie Nouvelle du Canal de Panama (CNCP), gegründet. Als Preis wurden 109 Millionen US-Dollar aufgerufen. Die Pleite hatte allerdings die Grenzen privater Investitionsvorhaben aufgezeigt. Nun erfolgte der Auftritt der US-Regierung, die im Übergang zum Imperialismus aktiv die US-Kapitalexpansion förderte. Im Spooner Act (1902) erteilte der Kongress Präsident Theodore Roosevelt, der gerade Krieg gegen Spanien geführt hatte, um die alte Kolonialmacht aus den Amerikas zu verdrängen, das Recht, die CNCP-Wertbestände zu kaufen.
Washington bot einmalig zehn Millionen und die Zahlung einer jährlichen Pacht von 250.000 US-Dollar. Vom US-Senat am 14. März 1903 abgesegnet, wurde der Vertrag im kolumbianischen Parlament abgelehnt. Roosevelt reagierte rassistisch: Er »glaube nicht, dass man es diesem Haufen Karnickel in Bogotá erlauben sollte, auf Dauer einen der großen künftigen Verkehrswege der Zivilisation zu versperren«. »Unsere Feinde« in der »kleinen Wildkatzenrepublik« hätten einen »kriminellen Fehler« begangen. Seinem Außenminister John Hay eröffnete er zwei Optionen: »1. Nicaragua übernehmen oder 2. sich auf die eine oder andere Weise einmischen, wenn es nötig wird, um die Route in Panama ohne weitere Verhandlung mit (…) Bogotá zu schützen.« Man entschied sich gegen einen Alternativkanal in Nicaragua und für die zweite Option.
Die USA zettelten nun mit Hilfe korrupter Eliten einen Putsch an. Dieser erfolgte nach dem Vorbild eines Umsturzes in Hawaii. Mit ihm war ein Jahrzehnt zuvor die Herrschaft einer zahlenmäßig kleinen, weißen Klasse abgesichert worden. Die winzige Gruppe von Verschwörern bestand im Grunde ausschließlich aus Mitgliedern der Kompradorenbourgeoisie: der Bankier José Agustín Arango (später Außenminister), der Panama-Eisenbahnunternehmer Manuel Amador (später erster Präsident), der Geschäftsmann Federico Boyd (später Juntaminister), der in den USA ausgebildete Unternehmer Tomás Arias (später Arangos Sekretär und Parlamentspräsident) und der Pharmahersteller und Lotteriebetreiber Manuel Espinosa Batista.
Finanziert worden war der Putsch von Philippe-Jean Bunau-Varilla, einem der größten CNCP-Aktionäre. Nach dem kolumbianischen Votum hatte er einen Baustopp oder Nicaraguaplan befürchtet. Darum war er durch die USA gereist und hatte gemeinsam mit dem New Yorker Lobbyisten William N. Cromwell mit Lügen über eine verheerende Vulkantätigkeit in Nicaragua erfolgreich Stimmung gemacht. Von New York aus bereitete er in enger Zusammenarbeit mit Roosevelt den Putsch vor. Am 3. November 1903 übernahm die Gruppe der Verschwörer mit Unterstützung einiger lokaler Militärs die Regionalregierung und erklärte die Unabhängigkeit. Die neue – US-Kapitalexportinteressen begünstigende – Verfassung hatte Bunau-Varilla da bereits in der Tasche.
Die US-Kriegsflotte hielt ihr Versprechen und unterstützte den Putsch. Sie hielt die kolumbianischen Truppen mit dem Schlachtschiff »USS Nashville« von einer Rückeroberung ab. Die Einheiten, von Kolumbiens Regierung zur Auflösung des Putsches auf ihrem Staatsgebiet entsandt, wurden von US-Militärs in eine Falle gelockt und festgenommen. Zwei Tage später landeten 400 Marinesoldaten. Kurz darauf tauchten acht weitere US-Kriegsschiffe vor der Küste auf, um den Putsch abzusichern.
Laut dem US-Historiker Thomas Schoonover gab die Roosevelt-Regierung den Putschisten vorab Garantien, dass man eine separatistische Staatsgründung sofort anerkennen würde. Dafür spricht, dass sie – ohne jede Debatte im Kongress – bereits eine Stunde nach der Meldung über den Sieg der Putschisten Panama durch ihren Konsul in Kolumbien anerkennen ließ. Die neue Flagge über der Präfektur in Colón hisste ein Major der US-Armee, William Murray Black. Schon am 13. November lud man die Putschisten zum Staatsempfang.
Natürlich stritt die US-Regierung jegliche Beteiligung ab. Alles sollte wie eine Volksrevolte aussehen. Noch in seiner Autobiographie log Roosevelt: »Niemand mit Verbindungen zur amerikanischen Regierung war Teil der Vorbereitung, Aufstachelung oder Ermutigung der Revolution.«
»Für die Ewigkeit«
Der von Kolumbiens Parlament abgelehnte Vertrag wurde von der Putschregierung verabschiedet. Präsident Amador machte Bunau-Varilla sogleich zum US-Botschafter und stattete ihn mit allen Vollmachten aus, die Baufortsetzung mit US-Außenminister Hay zu vereinbaren. Alle US-Forderungen wurden noch im selben Monat im Hay-Bunau-Varilla-Vertrag erfüllt. Von den Verfassern der ersten umfassenden Geschichte des Kanals, Noel Maurer und Carlos Yu, wird der Inhalt des Abkommens so zusammengefasst: Bei diesem »wurden alle Einnahmen aus dem Verkauf (…) dem Staat Panama vorenthalten. Er erlaubte es ihm auch nicht, Steuern oder ›Zuzahlungen oder Nutzungsgebühren (…)‹ auf den Kanal, seine subsidiären Unternehmen, die Panama Railroad oder ihre Beschäftigten zu erheben. Die USA erlangten ferner das Exklusivrecht auf Gesetzgebung und Rechtsausübung innerhalb eines 22-Meilen-Korridors (…) sowie die unilaterale Autorität, die Zone auf alle Gebiete auszuweiten, welche die USA als ›notwendig und nützlich erachteten für den Bau, die Instandhaltung, den Betrieb, die Entsorgung und den Schutz des besagten Kanals oder aller Zusatzkanäle oder anderer Einrichtungen‹. Mit dem Vertrag verpflichtete sich Panama des Weiteren zur Übernahme der gesamten Kapital- und Betriebskosten.« Im Gegenzug leisten die USA eine sofortige Einmalzahlung von zehn Millionen US-Dollar. »Diese Bedingungen waren«, so Maurers und Yus Fazit, also »dieselben Bedingungen, die 1902 noch wütend zurückgewiesen worden waren«.
Zudem ließen die USA nach dem Vorbild des 1898 – nach dem siegreichen Krieg gegen Spanien – kurzzeitig annektierten Kubas in Panamas Verfassung hineinschreiben, dass sie jederzeit »einmarschieren könnten (…), um die öffentliche Ruhe und die verfassungsgemäße Ordnung wiederherzustellen«. Auch wurde – ebenfalls nach kubanischem und philippinischem Vorbild – die Dollardiplomatie wirksam. Denn eine zu vollziehende »Finanzreform« bedeutete, dass alle diese Länder auf den Goldstandard umgestellt wurden, wodurch in den USA überakkumuliertes Kapital auf Anlagesuche massenhaft in diese Länder abfließen konnte. Und schließlich, so Emily S. Rosenberg in einer Monographie über ebenjene Dollardiplomatie, »wurde der Panamakanal zum zentralen Mosaikstein von (Roosevelts) ›Großmarine‹-Strategie, da sie eine Zwei-Ozeane-Handels- und Militärmachtstellung ermöglichte«.
Verständlich, dass ein solcher Vertrag später den Zorn der Bevölkerung auf sich zog, als klar wurde, was Bunau-Varilla, der schon seit 17 Jahren nicht mehr in Panama gelebt hatte und – wohlweislich – auch nie wieder dorthin zurückkehrte, im Sinne einer Interessenübereinstimmung zwischen lokalen Eliten und der Washingtoner Regierung »für die Ewigkeit« (so die vertragliche Formulierung) ausgehandelt hatte. Nach Bekanntwerden der Details kam es immer wieder zu Konflikten zwischen den US-Quasibesatzern und der Bevölkerung. Der heftigste war der Volksaufstand vom 9. Januar 1964 mit dem Ziel, die Souveränität über die Panamakanalzone wiederzuerlangen. Die US-Armee warf ihn blutig nieder: 22 Panamaer und vier US-Soldaten kamen ums Leben. Der Vertrag von 1977, abgeschlossen zwei Jahre nach der desaströsen Niederlage der USA in Vietnam, die den US-Imperialismus in eine tiefe Krise stürzte, war auch Folge dieses gewachsenen nationalen Selbstbewusstseins.
Erst seit 1999 verfügt der Staat Panama souverän über den Kanal, betreibt und erhebt nach eigenem Ermessen Gebühren für die Durchfahrt, einschließlich einer Trockenzeitabgabe. Aber im Vertrag von 1977 sicherten sich die USA das Recht auf eine militärische Invasion, sollte es zu einer Störung oder Schließung des Betriebs oder einem Verlust seiner Neutralität kommen.
China im Blick
Das also sind die Hintergründe der US-amerikanischen Drohungen. Sie kommen nicht aus dem Nichts. Zugleich kann von einer unfairen Behandlung durch die panamaische Regierung, wie Trump sie moniert, nicht die Rede sein. Die Gebühren, die der Staat erhebt, um die Funktionsfähigkeit der Wasserstraße auch durch die Vertiefung der Fahrrinne usw. zu gewährleisten, fluktuieren. Sie tun dies jedoch nutzungs- und witterungsbedingt. Die Behandlung von Schiffen unterschiedlicher Nationen ist diskriminierungsfrei. Alle zahlen dieselben Gebühren.
Was bezweckt Trump also in Wirklichkeit? Zum einen strebt der Präsident für US-amerikanische Konzerne eine Gebührenbefreiung an. Faktisch geht es Trump also bei der Drohung, sich den Kanal »zurückzuholen«, um Vorzugsbehandlung und die Herstellung von besonderen Konkurrenzvorteilen gegenüber dem Rest der Welt. Dass Trump eine Form der »positiven Diskriminierung« anstrebt, die er im Inland zum wesentlichen Element seiner Politik der Säuberung der Staatsapparate und zur Vernichtung seiner Gegner nutzt, macht die Sache besonders pikant, um nicht zu sagen bizarr.
Aber was ist dran an dem Vorwurf, China sei der eigentliche Betreiber des Kanals? Sowohl die Regierung Panamas als auch die der Volksrepublik haben diese Behauptungen als abstrus zurückgewiesen. Fakt ist: Die chinesische Regierung hat 2013 die »Belt and Road«-Initiative (BRI), auch als »Neue Seidenstraße« bekannt, als einen wesentlichen Pfeiler ihrer Außenwirtschaftspolitik beschlossen. BRI beinhaltet Investitionen vor allem in Hafen- und andere Verkehrsinfrastrukturen wie den Export von Hochgeschwindigkeitszügen. Seit 2013 sind 140 Staaten der Welt, in denen fast drei Viertel der Weltbevölkerung leben, der BRI beigetreten. Sie versprechen sich davon einen erleichterten Handel. Studien der Weltbank beziffern den Handelsaufschwung, der von der BRI ausgeht, mit mehr als vier Prozent und die Kostenreduktion des globalen Handels mit ein bis zwei Prozent.
Panama ist 2017 der BRI beigetreten und profitiert unter anderem vom Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. So verlängert die China Railway Tunnel Group Company die Panama City Metro unter dem Südende des Kanals hindurch. Zum Panamakanal gehören insgesamt fünf Containerhäfen: Colon, Rodman, Manzanillo, Cristobal und Balboa. Alle befinden sich in ausländischer Hand. Drei von ihnen werden von Unternehmen betrieben, die ihren Firmensitz in den USA, Taiwan und Singapur haben. Trump geht es um Cristobal und Balboa, die schon seit 1997 von der Panama Ports Company, einem Tochterunternehmen des Mischkonzerns CK Hutchison, betrieben werden, der seinen Firmensitz in Hongkong hat, das wiederum bis 1997 noch britische Kolonie war und seither eine Sonderverwaltungszone mit weitreichenden Autonomierechten innerhalb der Volksrepublik China ist.
Er bezweifle, dass die Kommunistische Partei Chinas beim Tagesgeschäft des Panamakanals einen Einfluss auf CK Hutchison habe, aber »in einer Krise oder einem Konflikt« wäre es »für die Kommunistische Partei Chinas relativ einfach zu sagen, wir werden die Häfen nutzen«, sagt Henry Ziemer vom US-amerikanischen »Center for Strategic and International Studies« im Interview mit der BBC. Aus dem Pentagon hieß es schon 2023, »in einem potentiellen globalen Konflikt könnte die Volksrepublik strategische regionale Häfen nutzen, um der US-Kriegsmarine und kommerziellen Seefahrt Zugang zu verweigern«.
Es geht also um die Möglichkeit der Kriegführung. Dies gilt auch in bezug auf ein weiteres Bauprojekt am Kanal. Für 1,42 Milliarden US-Dollar baut ein privates chinesisches Unternehmen aktuell die vierte Brücke über den Kanal, die Panama City und Westpanama verbinden soll. Laut Ted Cruz, einem über die extrem rechte Tea-Party-Bewegung in den US-Senat gelangten Republikaner, würde die Fertigstellung dieser Brücke China »die Möglichkeit geben, den Kanal ohne Vorwarnung zu blockieren«.
Der Druck der USA war schon vor Trump groß. Eddie Tapiero, ein panamaischer Ökonom, sagte kürzlich der BBC, dass wohl etwa die Hälfte aller Infrastrukturprojekte, die der Staat im Rahmen der BRI mit China unternommen hat, mittlerweile auf Eis gelegt wurden. Rubios Besuch verstärkte den Druck. Am 6. Februar verkündete das US-Außenministerium, obschon von der Regierung Panamas dementiert, den Erfolg: Panama hätte der Erpressung nachgegeben und verlange fortan von US-Regierungsschiffen – gemeint sind insbesondere US-Kriegsschiffe – »keine Gebühren mehr für die Durchfahrt durch den Panamakanal«. Außerdem verkündete die Mulino-Regierung, dass man die Beteiligung der Panama Ports Company an den Häfen von Cristobal und Balboa überprüfen werde. Es gehe um die »Sicherstellung einer effizienten und transparenten Nutzung öffentlicher Mittel«, verlautbarte das Amt für Rechnungsprüfungen. Denkbar ist, dass diese angekündigte Prüfung im Ergebnis zur Zurücknahme der Konzessionsverlängerung führt, die vor vier Jahren bis ins Jahr 2046 erteilt worden ist. Am 7. Februar verkündete die Regierung Mulino dann sogar ihren Austritt aus der »Belt and Road«-Initiative. Die chinesische Regierung kritisierte dies als »Erpressung und Zwang«.
Für den kleinen Tiger und den kleinen Bär stand nach ihrer Suche nach dem gelobten Land Panama fest: »Wenn man einen Freund hat, braucht man sich vor nichts zu fürchten.« Die beiden Janosch-Figuren erreichten das gelobte Land niemals. Der Arm der USA indes reicht so weit. Für ihn gilt: Wenn man einen solchen Freund hat, hat man viel zu befürchten – vor allem militärische Gewalt.
Ingar Solty schrieb an dieser Stelle zuletzt am 27. Januar 2025 über die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (18. Februar 2025 um 22:19 Uhr)Das Recht des Stärkeren: Zur Erinnerung: Der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter hat 1977 im Rahmen eines völkerrechtlich umstrittenen Abkommens die Panama-Kanal-Zone an Panama zurückgegeben – und das für eine symbolische Zahlung von einem Dollar. Diese Entscheidung wurde damals als Zugeständnis an die nationale Souveränität Panamas verstanden. Doch seitdem muss die USA für die Durchfahrt durch den Kanal Gebühren zahlen, wie jedes andere Land auch. Donald Trump betrachtete dies als ungerecht und versprach, die Vereinbarung zu revidieren, wobei er ein Recht des Stärkeren geltend machen will. In seiner Sichtweise sollte die USA nicht denselben Bedingungen unterworfen sein wie andere Nationen. Diese Haltung zeigt eine problematische Neigung zur Überbetonung von Macht und Selbstinteresse im internationalen Kontext, anstatt die Prinzipien von Fairness und Gleichberechtigung zu wahren.
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