Viele neue Einzelfälle
Von Marc Bebenroth
Die Dunkelziffer dürfte weitaus größer sein: Der Landesregierung in Thüringen sind 20 neue Strafermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen »rechtsextrem« motivierter Straftaten bekannt, die in den vergangenen drei Jahren eröffnet worden sind. Das geht aus der Antwort des SPD-geführten Innenministeriums auf eine Anfrage der Linke-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss hervor, wie diese am Freitag mitteilte. Zum Teil betreffen mehrere Verfahren dieselbe Person.
Den Angaben des Ministeriums zufolge, die von der Linke-Fraktion veröffentlicht wurden, geht es um die Delikte »Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen« (neun Fälle), Volksverhetzung (acht Fälle), Beleidigungen gegen »Personen des politischen Lebens« oder üble Nachrede oder Verleumdung (zwei Fälle) sowie um »verhetzende Beleidigung« in einem Fall.
Die Abgeordnete wollte in ihrer Anfrage vom 6. Dezember auch wissen, welche Konsequenzen die Verfahren für die beschuldigten Beamten hatten. Der Landesregierung zufolge wurde ein Lebenszeitbeamter unter anderem wegen auf Facebook geposteter »moslem-/ausländerfeindliche(r) Kommentare und Gewaltaufrufe« aus dem Dienst entfernt. Zwei Polizisten wurden demnach die Dienstbezüge gekürzt. Die Ermittlungen gegen einen weiteren Beamten sind laut Ministerium nach dessen Tod durch Suizid eingestellt worden. »In Bearbeitung« seien Verfahren unter anderem wegen des Ausrufs »Heil Hitler« im Dienst.
König-Preuss bezeichnete in ihrer Mitteilung vom Freitag den Umstand, dass jene 20 Fälle von extrem rechten Straftaten durch Thüringer Polizisten behördlich bekannt wurden, als »enorm besorgniserregend«. Es brauche eine »klare Null-Toleranz-Strategie der Landesregierung«. Eine solche sei »bisher nicht erkennbar«. Befremden löse der Linke-Abgeordneten zufolge ebenfalls aus, dass »ein Foto mit Hitlergrüßen und die Verbreitungen rassistischer Parolen durch einen anderen Polizeibeamten« für beide nur die Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hatte.
Übertroffen werde das König-Preuss zufolge von dem ministeriellen Hinweis, dass ein »Beamter des gehobenen Dienstes« den »Verlust einer dienstlichen Taschenlampe nicht angezeigt« habe, die »später in (der) Kneipe des Rechtsextremisten Tommy Frenck gefunden wurde«. Die Linke-Politikerin beklagte, dass durch ein solches Verhalten »das Vertrauen in den Rechtsstaat untergraben« werde.
Die Landesregierung wurde übrigens explizit danach gefragt, wie viele Angehörige der Thüringer Polizei von der Regierung selbst der »extrem rechten Szene« zugerechnet werden. Die Antwort: Darüber werde keine Statistik geführt. Fälle von »Verbindungen oder Verdachtsmomente zur extrem rechten Szene« habe es 2023 in zwei Verfahren und 2024 in 16 Ermittlungsverfahren gegen Beamte gegeben, wie das Ministerium »in Rücksprache mit den zuständigen Staatsanwaltschaften« antwortete.
In ihrem Appell an Polizistinnen und Polizisten in Thüringen setzt König-Preuss nicht auf das grundsätzliche Hinterfragen der Institution Polizei. Statt dessen ruft sie dazu auf, dass faschistische Umtriebe von anderen Beamten gemeldet oder zur Anzeige gebracht werden. »In wenigen Fällen führte die Beschwerde bereits zum Erfolg«, schreibt die Abgeordnete dazu. Von der CDU-geführten Landesregierung forderte sie, »endlich eine echte Fehlerkultur« vorzuleben und sicherzustellen, »dass zügige Ermittlungen und wirksame Konsequenzen auch ermöglicht werden, um demokratische Grundrechte zu schützen sowie den Missbrauch von staatlicher Macht über das Gewaltmonopol vorzubeugen«.
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