Mediziner im Niemandsland
Von Thomas Berger
In den ländlichen Gebieten Australiens fehlen die Allgemeinmediziner. Wie in der BRD zieht es nur wenige ausgebildete Ärzte dorthin, wo der Hund begraben ist und ohnehin viele Hausarztpraxen schließen. Ebenso werden die Wege für Patienten länger – wohlgemerkt um ein Vielfaches dessen, was hierzulande zurückgelegt wird. Der regionale Wettbewerb um medizinische Versorgung treibt derweil manche Kommune in den Ruin.
Zahlen zeigen, dass die medizinische Grundversorgung im Hinterland der größten Industrienation der Südhalbkugel nicht viel besser ist als die manch anderer Länder des globalen Südens. So kommen im Bundesstaat Queensland bei Mount Isa auf 15.000 Menschen nur vier Allgemeinmediziner. Ein Verhältnis von eins zu 1.000 sei die Richtlinie der Weltgesundheitsorganisation, die lokal also nahezu vierfach überschritten würde, rechnete Michael Mbaogu der Australian Broadcasting Corporation vor. Seine Praxis sei schon seit langem überlastet.
Aus Wellington berichtete der 76jährige Landarzt Ian Spencer dem Programm Nine News, dass er nach 50 Jahren Dienst mit Arbeitstagen von zwölf bis 14 Stunden langsam in den Ruhestand gehen wolle. Doch die Kleinstadt sei seine zweite Familie. Er könne seine Patienten nicht im Stich lassen, solange es keinen Ersatz gebe.
Der australische Berufsverband der Allgemeinmediziner (RACGP) hat bereits im Januar Alarm geschlagen: Bis 2048 dürften landesweit etwa 8.600 Hausärzte fehlen, vor allem im ländlichen Raum. Grund sei auch das Bevölkerungswachstum von 5,2 Prozent seit 2019, das den Bedarf erhöhe. Gleichzeitig altere die Gesellschaft und brauche daher mehr medizinische Betreuung. Zwischen 2019 und 2023 sei der Anteil der Gruppe 65 plus um 13,1 Prozent gestiegen. Für Menschen über 85 schlügen jährlich 17,3 Hausarztbesuche zu Buche.
Gut sei jedoch, dass zuletzt deutlich mehr junge Leute Allgemeinmedizin als Beruf wählten. 1.504 Jungärzte würden dieses Jahr in die fachärztliche Ausbildung mit Praxistraining starten, so RACGP. Endlich habe man wieder alle Ausbildungsplätze besetzen können: ein imposanter Anstieg von 19,8 Prozent gegenüber 2024 und damit auch Ende des siebenjährigen Abwärtstrends. In den Bundesstaaten New South Wales und Victoria wird jedoch beklagt, dass dort weniger Andrang herrsche und noch keine Aussicht auf Besserung bestünde.
Die Jagd nach Ärzten, die sich dauerhaft im ländlichen Raum niederlassen, sorgt für einen Konkurrenzkampf unter Kleinstädten. Schlagzeilen schrieb 2023 die Stadt Quairading, die mit einem Gesamtpaket von einer Million Australischen Dollar lockte. Neben 400.000 Dollar Einkommen bot die Stadt kostenlose Wohnungen für Arzt wie Praxispersonal – das waren sechs Prozent des Haushalts. Andere Kommunen können da nicht mithalten und gehen leer aus.
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