Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 01.03.2025, Seite 4 / Inland
Zwickau

Linkspartei nicht gegen Kriegswerbung

Zwickau beschließt erneut Bundeswehr-Werbeverbot. Linke-Stadträte stimmen nicht zu
Von Max Grigutsch
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Eine Straßenbahn mit Bundeswehr-Werbung fährt vor dem Rathaus über den Hauptmarkt von Zwickau (27.2.2025)

Im Zwickauer Stadtrat hat die Fraktion des BSW am Donnerstag erneut eine Mehrheit für ihren Antrag gegen Bundeswehr-Werbung bekommen – trotz Widerstand auch aus der Linkspartei. Es wurde beschlossen, dass sowohl auf Grundstücken der Stadtverwaltung und ihrer Unternehmen als auch auf Fahrzeugen und bei städtischen Veranstaltungen auf »Werbung für Kriegsdienst und Rüstungsprodukte« verzichtet werden muss. Damit ist Zwickau die wohl erste deutsche Stadt mit einem solchen Beschluss. Kritik erntete das BSW allerdings, weil der Antrag mit dem Titel »Stadt des Friedens« maßgeblich dank Stimmen der AfD durchgesetzt wurde.

Für den Antrag stimmten 21 der 41 Stadträte. Neben den vier Mitgliedern der BSW-Fraktion stimmten 14 Abgeordnete der AfD, die die größte Fraktion im Stadtrat stellt, für den Antrag. Zwei weitere Jastimmen kamen von Abweichlern der CDU, deren restliche Fraktionsmitglieder dagegen votierten, sowie von einem Fraktionslosen. Mit Nein stimmten außerdem sieben der acht anwesenden Abgeordneten der Fraktion »Progressive Demokraten«, ein Zusammenschluss aus Linkspartei, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der lokalen Wählerinitiative »Zwickau zusammen gestalten«.

Ute Brückner, eine der beiden ­Linke-Stadträte, enthielt sich der Abstimmung, während sich ihr Kollege René Hahn gegen das Bundeswehr-Werbeverbot aussprach. Die Linke setzt in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl eigentlich auf »Entspannung statt Aufrüstung und Militarisierung«, hat das Thema im Wahlkampf aber nicht aktiv bespielt. Die beiden Zwickauer Abgeordneten begründeten ihr davon abweichendes Stimmverhalten gegenüber junge Welt am Freitag ähnlich. Das Thema sei »nicht einfach«, so Brückner. Es brauche eine Bundeswehr, aber es müsse eine Diskussion über ihre Zwecke geben. Ginge es nach ihr, würden die Streitkräfte vom Parlament kontrolliert und der zivile Katastrophenschutz ausgebaut werden, etwa in Form des Technischen Hilfswerks (THW). Auch Hahn sieht Bundeswehr-Werbung grundsätzlich kritisch, ein Verbot sei aber der falsche Weg. Man müsse statt dessen mit jungen Leuten reden und sie zu bewussten Entscheidungen führen. Aufrüstung mache ihm zwar Angst, aber »es ist auch nicht gut, wenn wir angegriffen werden«, so der Abgeordnete mit Verweis auf die russischen und US-amerikanischen Präsidenten Putin und Trump.

Die beiden Linke-Politiker zeigten sich außerdem empört über die Mehrheitsverhältnisse bei der Abstimmung im Zwickauer Stadtrat. »Schlimm« findet Brückner, dass sich das BSW auf die Stimmen der AfD verlassen habe. Hahn kündigte an, man müsse kritisch anschauen, wie man die Bürger erreichen könne, um zukünftig Mehrheiten ohne Zustimmung der AfD zu ermöglichen. Warum sich die AfD, deren Bundestagswahlprogramm eigentlich die »Wiederherstellung der Wehrfähigkeit Deutschlands« fordert, für das Werbeverbot eingesetzt habe, erklärt sich für Brückner nicht durch deren politische Überzeugung. »Die wollen einfach Krach machen«, so die Stadträtin. »Ohne Substanz, Hauptsache dagegen sein.«

Schon bei einer Abstimmung Ende Januar hatte eine Mehrheit im Stadtrat für den Antrag des BSW gestimmt. Damals stimmten 24 Stadträte für das Werbeverbot. Im Gespräch mit jW erklärte Bernd Rudolph, Vorsitzender der Zwickauer BSW-Fraktion, am Montag, wie die ursprüngliche Mehrheit mit der AfD zustande kommen konnte. Es sei ein »tief verwurzelter Wunsch nach Frieden in der Stadtgesellschaft«, der »unterschiedliche politische Strömungen neben uns, von CDU, Freien Wählern bis hin zur AfD« anspreche. Oberbürgermeisterin Constance Arndt (Bürger für Zwickau) hatte Widerspruch gegen den Beschluss eingelegt, da sie ihn für rechtswidrig und »nachteilig für die Stadt Zwickau« gehalten hatte. Sie fürchtete einen »Vertrauensverlust im Hinblick auf die künftige Zusammenarbeit mit der Bundeswehr«. Dennoch wurde das Werbeverbot bei der wiederholten Abstimmung erneut durchgesetzt, wenn auch mit einer etwas dünneren Mehrheit.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Wolfgang S. aus Berlin (2. März 2025 um 11:03 Uhr)
    Was ist das für ein groteskes Durcheinander bei den Linken (Linkspartei und BSW) in Zwickau? Gegen diese kapitalistische Aggressionsarmee zu sein, ist immer richtig. Da von linker Seite Einschränkungen zu machen, dass man so was doch brauche und erst mal drüber reden muss, befremdet mich. Was macht die Linkspartei jetzt im Bundestag, wo sie mit der AfD über eine Sperrminorität verfügt? Will sie etwa die, wenn die bürgerlich-reaktionäre Regierungskoalition Sachen beschließen will, die die 2/3-Mehrheit des Parlaments erfordern, diese durchlaufen lassen, nur weil sie dann gemeinsam mit der AfD stimmen müsste? Das kann doch wohl nicht sein. Neben einigen anderen hat auch Lenin gesagt, dass man sich ggf. mit dem Teufel verbünden müsste, wenn es um die Sache geht. Ich bin gespannt und hoffnungsvoll.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (1. März 2025 um 22:13 Uhr)
    Schön, dass wir das BSW haben. Auch wenn die im Thüringer Landtag kontinuierlich Mist bauen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Johann M. aus Mannheim (1. März 2025 um 13:12 Uhr)
    Wenn das Ziel einer Artikelüberschrift ist, dass man den Artikel liest, dann habt ihr euer Ziel bei mir erreicht. Das hätte mich schon interessiert, warum die Partei Die Linke nicht gegen Kriegswerbung ist. Was ich aber dann im Artikel erfahren konnte, war, dass ein (!) Abgeordneter eines Kommunalparlaments gegen einen Antrag gestimmt hatte. Insofern fühlte ich mich durch die Überschrift ein wenig hinters Licht geführt. Dessen ungeachtet, ist es sicher interessant, dass ein Kommunalparlament einen solchen Beschluss fasst. Hätte die Überschrift also gelautet: »Zwickau untersagt, Kriegswerbung« hätte ich den Artikel auch mit Interesse gelesen. Allerdings ohne das Gefühl, dass die Überschrift etwas suggerieren soll, was in dem Artikel gar nicht belegt wird.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (28. Februar 2025 um 21:02 Uhr)
    Liebe Mitglieder der Partei Die Linke und liebe Wähler dieser Partei, vage Aussagen zum Thema Frieden und Kriegstüchtigkeit, zum Thema Waffenlieferungen (egal wohin) und »Werben fürs Sterben« sind doch usus bei dieser Partei. Die Spitzendelegierte ins EU-Parlament Carola Rackete befürwortet »Taurus«-Lieferungen in die Ukraine, der Exvorsitzende Schirdewahn enthält sich lediglich der Stimme. Jan van Aken und die Silberlocken bleiben bei konkreten Nachfragen in diversen Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sehr ambivalent in ihren Aussagen. Was die gut acht Prozent im Bundestag in Zukunft bringen werden? Ich wage die Vorhersage – sicher kein »Nein«, wie es Karl Liebknecht 1914 wagte. Sondern eine Zustimmung zur weiteren Aufrüstung. In dem neuen Bundestag fehlt die wirkliche Friedenskraft – das BSW. Und es fehlt noch!

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