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Aus: Ausgabe vom 01.03.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Schwerindustrie der EU

Ein Stahl bricht den andern

Zölle, Verluste und Kürzungen: Inoffizieller Stahlgipfel in Paris macht Druck auf EU-Kommission
Von Jörg Kronauer
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Einst hoch oben dank Hochofen, heute notleidend wegen Strompreisen (Duisburg, 10.12.2024)

Es war eine seltsame Gruppe, die da am Donnerstag in Paris mit einem Forderungskatalog zur Unterstützung der Stahlindustrie in der EU an die Öffentlichkeit trat. Eingeladen hatten die Industrieminister Frankreichs, Marc Ferracci, und Italiens, Adolfo Urso; persönlich zugegen war zudem ihr spanischer Amtskollege Jordi Hereu. Online zugeschaltet waren elf weitere EU-Industrieminister. Insgesamt sieben setzten zum Ende des Treffens ihren Namen unter ein sogenanntes Non-Paper, ein informelles Papier, das einen »Aktionsplan für die europäische Stahlindustrie« forderte; es waren die Minister aus Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Luxemburg, Rumänien und der Slowakei. Nicht in Paris vertreten war die BRD. Das war um so erstaunlicher, als sie mit einem Produktionsanteil von 28,1 Prozent der mit Abstand größte Rohstahlhersteller der EU ist. Die sieben Unterzeichner des Non-Papers mahnten Brüssel zu raschen Schritten: »Wenn wir jetzt nicht handeln«, warnte Ferracci eindringlich, »schließen Fabriken und verschwinden Arbeitsplätze.«

Die Stahlbranche der EU, die mit mehr als 300.000 Beschäftigten jährlich 130 Milliarden Euro umsetzt, steckt in einer ernsten Krise. Das Non-Paper belegt es. Darin heißt es zunächst, die Produktion sei eingebrochen. Wurden vor der Coronakrise noch 160 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr produziert, waren es 2023 nur noch 126 Millionen. Klar gestiegen seien dagegen die Produktionskosten – nicht zuletzt, weil Energie in Europa zu teuer sei. Das bereite Schwierigkeiten, weil die Stahlpreise wegen des hohen Angebots auf dem Weltmarkt gesunken seien. All dies führe dazu, dass die Auslastung der Betriebe häufig nicht mehr genüge, um rentabel Stahl herzustellen, resümiert das Non-Paper. Die Folge ist Stellenabbau. Thyssen-Krupp etwa will den Personalbestand seiner Stahlsparte von 27.000 auf 16.000 zusammenkürzen. Arcelor-Mittal plant die Schließung zweier seiner Servicecenter in Frankreich, eines in Reims, eines im nordfranzösischen Denain. Und da der Absatz lahmt, fehlen auch die Mittel, um die Dekarbonisierung voranzutreiben.

Nun hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch Maßnahmen angekündigt: Sie will 100 Milliarden Euro aufwenden, um unter anderem energieintensive Branchen gezielt zu fördern, darunter die Stahlproduktion. Das reiche aber nach Auffassung einiger Regierungen, darunter Frankreich und Italien, die sich schon seit langem für eine erheblich stärkere Industrieförderung einsetzen, längst nicht aus. Zumal die Zeit drängt: Bereits am 12. März will US-Präsident Donald Trump 25prozentige Zölle auf die Lieferung von Stahl und Aluminium in die USA verhängen, was Europas Branche nach Schätzung der EU bis zu 28 Milliarden Euro kosten könnte. Hinzu kommt, dass Stahllieferungen aus anderen Ländern, etwa aus China, in die EU drängen könnten, wenn die Zölle die Lieferströme in die USA stoppen. Für die europäische Industrie wäre die Konkurrenz womöglich ruinös.

Für nächsten Dienstag hat die EU-Kommissionspräsidentin zu einem »strategischen Dialog« über die Stahlkrise nach Paris geladen. Wieso vorab ein zweites Treffen in Paris? Nun, Frankreich versucht Druck zu machen. Jüngst hatte Präsident Emmanuel Macron nach der Münchner »Sicherheitskonferenz« zwei Sondergipfel anberaumt, um in willkürlich ausgewähltem Kreis Maßnahmen in Sachen Ukraine und zur Aufrüstung voranzutreiben. Jetzt wiederholt er dieses Vorgehen mit Blick auf die Stahlindustrie. Dass Frankreich sich damit als Führungsmacht der EU in Szene setzt, dürfte der Grund dafür sein, dass die Bundesregierung das Treffen in Paris boykottierte und nur sieben EU-Staaten das Non-Paper unterzeichneten. Darin fordern sie unter anderem die Nutzung sämtlicher verfügbarer EU-Instrumente, um gegen die Einfuhr billigeren Stahls aus anderen Ländern, etwa aus China, vorzugehen. Zudem wollen sie die seit 2019 bestehenden Importzölle, die 2026 auslaufen, verlängert sehen und dringen auf Anpassungen beim CO2-Grenzausgleichssystem, das Vorteile für Waren aus Staaten ohne gleichwertige CO2-Abgaben verhindern soll.

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