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23.02.2025, 20:42:16 / Inland
Bundestagswahlen 2025

Nationale Welle

Das Regierungsprogramm steht fest, bevor die nächste Regierung gebildet wird, gewählt wurde es von den wirklich Mächtigen
Von Arnold Schölzel
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Nein, die deutschen Wähler haben nicht den Krieg gewählt, »nur« Verlängerung des Krieges im Osten und das Auffüllen aller Pulverfässer. Sie haben jenem Einheitsblock zur Mehrheit verholfen, der in Aufrüstung, Kriegsverlängerung in der Ukraine und grotesk-gefährlicher Kanonenbootpolitik vor der Küste Chinas die Rettung der deutschen Industrie und des Landes ausmacht. Sollte die FDP aus dem Bundestag fliegen - die Partei lud bereits kurz nach 17 Uhr Journalisten von ihrer Wahlparty aus -, ändert sich für die künftige Regierung nichts. Nur die Hyperbellizisten von Bündnis 90/Die Grünen könnten bei einer weiteren Regierungsbeteiligung frei nach Annalena Baerbock die Russen kurz vor Brandenburg wähnen und für unmittelbare Kriegsgefahr sorgen.

Das Wahlergebnis ist Ausdruck einer nationalen Welle – sichtbar in den Demonstrationen von Hunderttausenden in den vergangenen Wochen. In dieser Welle vereinen sich Zustimmung zu den Parteien der »Kriegstüchtigkeit« gegen das »faschistische« Russland mit dem Protest gegen das Zusammengehen von CDU/CSU und AfD in der Migrationspolitik.

Die AfD ist dabei durch Entstehung und Programmatik Wurmfortsatz der Union und die politische Kampfreserve des deutschen Kapitals. Ob sie aus der Verdoppelung ihres Stimmenanteils Profit durch Einbeziehung in den Rüstungs- und Kriegsblock ziehen kann, wird nicht zuletzt davon abhängen, welche Folgen dessen Kurs haben wird. Die AfD ist jedenfalls zur Hochrüstung bereit, ihre Kanzlerkandidatin Alice »Hitler war Kommunist« Weidel wollte sogar die Führung übernehmen. Fünf Prozent vom Bruttoinlandsprodukt fürs Militär waren ihr nicht genug.

Das bedeutet erstens: Hochrüstung ist das gemeinsame Ziel aller Parteien bis auf das BSW, das aber wahrscheinlich aus dem Bundestag ausscheidet. Es war die letzte Partei, die in der Frage von Krieg und Frieden auch im Vergleich mit der Partei Die Linke keine Zweideutigkeit zeigte. Der Linke-Vorsitzende Jan van Aken nannte das BSW deswegen in einem Atemzug mit der AfD »Kremlpartei« – offenbar hatte er damit im neuen national und kriegerisch hochgestimmten »Antifaschismus« Erfolg.

Olaf Scholz hat fast als letzte Amtshandlung am Tag nach dem Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin mit Blick auf die massenhaft auftretenden neuen deutschen Kämpfer gegen US- und russischen »Faschismus« das künftige Regierungsprogramm vorgelegt: Die Staatskasse fürs Militär plündern durch Modifikation der Schuldenbremse, die Notlage wegen des Ukraine-Krieges erklären und auf EU-Ebene die Finanzschleusen öffnen.
Das bedeutet zweitens: Die Torpedierung der Bemühungen Russlands und der USA, den Ukraine-Krieg zu beenden, ist ein zentrales Ziel des deutschen Kriegsblocks. Das Mittel dazu dürfte Eskalation sein. Die Lieferung des »Taurus«-Marschflugkörpers an Kiew wurde von Friedrich Merz nicht ausgeschlossen. Zudem steht die Stationierung von neuen US-Mittelstreckenraketen und einer Hyperschallrakete – falls die US-Rüstungskonzerne sie bauen können – in Westeuropa allein in der Bundesrepublik auf der Tagesordnung. Davon wollen die Demonstranten des neusten Antifaschismus nichts wissen oder halten das nicht für rechte Politik.

Ihre Wahrnehmung erklärt den Erfolg der Partei Die Linke und den relativ geringen Verlust von Bündnis 90/Die Grünen. Die Linke stimmte im Unterschied zum BSW nicht für das »Zustrombegrenzungsgesetz« von CDU/CSU, das die Union bei der AfD abgekupfert hatte. SPD und Bündnis 90/Die Grünen stimmten zwar auch dagegen, praktizierten allerdings zusammen mit der FDP genau jene Brutalitäten gegen Asylsuchende und Migranten generell, die CDU/CSU und AfD stets verlangten. Friedrich Merz steht seit Jahrzehnten wie die gesamte Union für rassistische Hetze. Die AfD betreibt deren Fortsetzung auch mit faschistischen Mitteln.

Die soziale Basis von Union und AfD ist identisch – mit einer Ausnahme: Die AfD hat einen enormen Teil der Arbeiterklasse für sich gewonnen. Zugleich hat damit die SPD ihre Hauptfunktion für den deutschen Imperialismus, die Industriearbeiter in dessen Expansions- und Kriegskurs einzubinden, verloren. Das besorgen jetzt Nazifreunde und Neonazis.

Das Regierungsprogramm steht fest, bevor die nächste Regierung gebildet wird, gewählt wurde es von den wirklich Mächtigen. Erfolgversprechend ist aber »Wachstum durch Rüstung« - so die Schlagzeile des Handelblatts am Freitag vor der Wahl - nicht, weder ökonomisch noch politisch.

Bereits die »Ampel« hat dem für diesen Kurs nötigen reaktionär-militaristischen Staatsumbau einen Schub gegeben. Berufsverbote sind wieder in Mode, 200 teilweise schwer bewaffnete Polizisten wie am Dienstag bei einer Versammlung von Menschenrechtsaktivisten mit einer UN-Repräsentantin in Räumen dieser Tageszeitung, faktische Aufhebung des Versammlungsrechts und anderer Grundrechte sind ein Anfang. Den Ton hat Merz am Samstag noch einmal vorgegeben: »Links ist vorbei. Es gibt keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland.« Er wird als Kanzler nachhelfen, damit das Wirklichkeit wird. Und, wenn möglich, allein mit der SPD, die sich selbst verzwergt hat, koalieren.

Das Wahlergebnis hatte auch positive Seiten: Die bisher »dümmste Regierung« (Sahra Wagenknecht) der Bundesrepublik ist Geschichte. Selbst der erste Vertreter des deutschen Kapitals, der am Wahlabend in der ARD zu Worte kam, hält die Skala aber für nach unten offen und dröhnte, »die Wirtschaft wird das selbst in die Hand nehmen«, wenn das so weitergehe. Donald Trump lässt grüßen: Regieren geht ohne Parteien und Fraktionen.

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