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24.02.2025, 00:15:48 / Inland
Bundestagwahl 2025

Linke mit Westverschiebung

Union mit moderaten Zugewinnen vorne, AfD verdoppelt, Ampelparteien mit starken Verlusten, Linke sicher im Bundestag, Zitterpartie beim BSW
Von Nico Popp
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Auf einmal wieder da: Ines Schwerdtner, Heidi Reichinnek und Jan van Aken bejubeln am Sonntag bei der Linke-Wahlparty die erste Prognose

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am Sonntag haben die drei Parteien der im November 2024 zerbrochenen Ampelkoalition wie erwartet jeweils Stimmenanteile verloren. Die Kanzlerpartei SPD stürzte im Vergleich mit der Bundestagswahl 2021 um beinahe 10 Prozentpunkte ab und landete laut Hochrechnungen vom späten Abend bei etwa 16,5 Prozent. Die FDP verlor mehr als die Hälfte ihres Stimmenanteils von 2021; am Abend zeichnete sich ab, dass sie an der Fünfprozenthürde scheitert. Die Grünen, die mit Robert Habeck erneut einen Kanzlerkandidaten aufgestellt hatten, blieben mit rund 12 Prozent unter ihrem Ergebnis von 2021 und damit unter ihren Erwartungen. Am Abend kündigte FDP-Chef Christian Lindner seinen Rückzug aus der Politik für den Fall eines Ausscheidens aus dem Bundestag an. Auch bei der SPD steht eine zumindest teilweise personelle Neuaufstellung bevor. Die Grünen haben nach dem Rückzug von Ricarda Lang und Omid Nouripour bereits eine neue Parteispitze gewählt; Spitzenkandidat Habeck dürfte es wieder in ein Ministeramt ziehen, sollte sich die Möglichkeit dazu bieten.

Wahlsieger sind die Unionsparteien, die ihren Stimmenanteil gegenüber 2021 um annähernd fünf Prozentpunkte erhöhen konnten. Das Ergebnis ist für CDU und CSU aber kein Triumph: Laut den Hochrechnungen bleiben sie zusammen unter 30 Prozent. Unter dem Strich ist das eines der schlechtesten Wahlergebnisse der Unionsparteien in der Geschichte der Bundesrepublik, und das dürfte vor allem in der CDU hinter den Kulissen für Diskussionen sorgen: Deutlich über 30 Prozent hatte deren Generalsekretär Carsten Linnemann kürzlich noch als Ziel ausgegeben. Gejubelt wird dagegen bei der AfD. Die Partei hat ihren Stimmenanteil in etwa verdoppelt und liegt nun über 20 Prozent. Allerdings dürfte man sich vor dem Hintergrund der Entwicklung in den vergangenen Wochen auch bei der Rechtsaußenpartei intern mehr ausgerechnet haben. In Ostdeutschland wurde die AfD stärkste Kraft; etwa jede dritte Wählerstimme entfiel auf die Partei.

In der Linkspartei wird derweil ausgelassen gefeiert. Vor wenigen Monaten nach Jahren des Niedergangs noch bei drei Prozent in den Umfragen fast abgeschrieben, profitierte die Partei auf den letzten Metern von der Zuspitzung des Wahlkampfes auf die Migrationspolitik und die Frage des Umgangs mit der AfD. Augenscheinlich sind nennenswerte Teile des Wählerstamms von SPD und Grünen kurzfristig zur Linkspartei gewechselt. Sie hoben die Partei, die in den vergangenen Wochen tausende Neueintritte verzeichnete, über fünf Prozent; laut den Hochrechnungen läuft die Partei nun bei 8 bis 9 Prozent ein. Im Wahlkampf hatte sie eigentlich auf drei Direktmandate gesetzt, weil ein Zweitstimmenergebnis über fünf Prozent als kaum mehr erreichbar galt. Letztlich gewann sie auch mehrere Wahlkreise direkt, darunter vier in Berlin: Koparteichefin Ines Schwerdtner gewann in Berlin-Lichtenberg, Gregor Gysi in Treptow-Köpenick, Pascal Meiser in Friedrichshain-Kreuzberg und Ferat Koçak in Neukölln. Neukölln ist der erste »Westwahlkreis« überhaupt, den die Partei gewinnen konnte. Auch mit einem Sieg Meisers im Ost-West-Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg hatte noch vor wenigen Tagen niemand in der Partei ernsthaft gerechnet. Der ehemalige Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow gewann den Wahlkreis Erfurt-Weimar-Weimarer Land II, Sören Pellmann erneut den Wahlkreis Leipzig II. In Berlin zeichnete sich am späten Abend nach der Auszählung fast aller Wahllokale ab, dass die Linke mit 19,9 Prozent der Stimmen vor CDU (18,3) und Grünen (16,8) stärkste Partei geworden ist.

Während Die Linke am Sonntag in den ostdeutschen Ländern erneut unterhalb einstiger Höchststände blieb und im Schnitt (mit leichten Verbesserungen) das im Vergleich schlechte Ergebnis von 2021 wiederholte, erzielte sie vor allem in den westdeutschen Ländern, wo sie in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Landtagswahlen katastrophal schlecht abgeschnitten hatte, starke Zugewinne und kam unter anderem in Bayern über fünf Prozent. Insgesamt ergibt sich das Bild einer Art Westverschiebung des Schwerpunktes der Linke-Wählerschaft. Im Westen erzielte die Partei insbesondere in Universitätsstädten mit bislang starken Grünen-Ergebnissen überdurchschnittliche Resultate: Im Wahlkreis Münster etwa kam die Linke auf 12,5 Prozent der Zweitstimmen (+ 7,5 Prozentpunkte), in Bonn auf 12,5 Prozent (+ 7), in Heidelberg auf 10,1 Prozent (+ 5,3). Bei jungen Wählern schnitt die Partei – wie übrigens auch die AfD – insgesamt stark ab.

Für das BSW wird der Wahlabend lang: In den Hochrechnungen lag die vor einem Jahr gegründete Partei bei genau fünf Prozent. Das BSW war nach großen Erfolgen bei drei ostdeutschen Landtagswahlen im September 2024 und dem nachfolgenden Eintritt in zwei Landesregierungen in den vergangenen Monaten in den Umfragen stetig abgerutscht. Dass einige Umfrageinstitute die Partei zuletzt konstant und offenbar zu niedrig mit drei oder vier Prozent ausgewiesen haben, dürfte zusätzlich zu einer Demobilisierung potentieller Wähler beigetragen haben – ebenso wie die Abstimmung über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, bei der die BSW-Abgeordneten im Bundestag mit der Union und der AfD stimmten.

Dem neuen Bundestag gehören nach der »Wahlrechtsreform« der Ampel, die zum Wegfall der sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate führte, nur noch 630 Abgeordnete an – etwa 100 weniger als bisher. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 83 Prozent deutlich über der von 2021 (76,4 Prozent) und erreichte den höchsten Wert seit der Angliederung der DDR an die Bundesrepublik 1990.

Die Optionen für eine Regierungsbildung sind relativ übersichtlich: Sollte das BSW in den Bundestag einziehen, gibt es nur für eine Koalition aus Union, SPD und Grünen eine Mehrheit. Sollte das BSW an der Fünfprozenthürde scheitern, würde es für eine Koalition aus Union und SPD reichen.

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kündigte an, bis spätestens Ostern eine handlungsfähige Bundesregierung bilden zu wollen. Auf X erklärte er: »Wir müssen jetzt wieder schnell handlungsfähig werden.« Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem bitteren Ergebnis und einer Niederlage der SPD, für die er sich in der Verantwortung sehe. Er schloss aus, bei Koalitionsverhandlungen als Verhandlungsführer seiner Partei aufzutreten. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte, es gebe für eine Regierungsbeteiligung seiner Partei »keinen Automatismus«. Die AfD-Kovorsitzende Alice Weidel sprach von einem historischen Ergebnis; die Partei sei bereit zur Zusammenarbeit mit der Union: »Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein für eine Regierungsbeteiligung, um den Willen des Volkes umzusetzen.«

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