»Bessere Sozialpolitik, statt Fremdenhass schüren«
Interview: Gitta Düperthal
Am Sonnabend haben in Kiel einige Hundert Menschen für Solidarität und Demokratie demonstriert. Dazu aufgerufen hatte die Seebrücke Kiel. Rückten Politiker weiter nach rechts und machen Politik zu Lasten sowieso schon marginalisierter Menschen, müsse sich dagegen ein linkes Bündnis zusammenschließen, hieß es. Wie ist die Lage in Schleswig-Holstein?
Der Umgang mit Geflüchteten wird auch hier rauer. Beispielsweise schlagen die Kieler Nachrichten einen sehr scharfen Ton an. Sie bringen mit Schlagzeilen den Kieler SPD-Bürgermeister in Stellung, wenn es um vermeintliche Probleme damit geht; etwa heißt es: »Mehr Polizei, mehr Ordnungskräfte: Ulf Kämpfer reagiert auf Flüchtlingsproblem in Kiel-Wik«.
Die Demo zog an den Parteizentralen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU in Kiel vorbei. Dabei heißt es doch, CDU-Ministerpräsident Daniel Günther regiere seit Jahren mit den Grünen »geräuschlos« zusammen.
Günther sicherte dem CDU-Kanzler in spe Friedrich Merz Unterstützung bei seinem Fünfpunkteplan zu, der die Abweisung von Asylsuchenden an deutschen Außengrenzen und die Inhaftierung von Ausreisepflichtigen vorsieht. Im Abschiebeknast in Glückstadt müssen Asyl und Hilfe suchende Geflüchtete darauf warten, abgeschoben zu werden. Häufig kommt es zu Hungerstreiks und Suizidversuchen. Der Kieler Hafen ist ein wichtiges Thema. Kiel hat sich dem Bündnis »Städte Sicherer Häfen« angeschlossen, das sich für geflüchtete Menschen aus der Seenotrettung einsetzt – in der Umsetzung allerdings eher wenig konsequent. Die AfD nervt im Stadtrat mit Anträgen, dort auszusteigen. Das darf niemals passieren. Glücklicherweise ist sie noch vergleichsweise schwach und schlecht organisiert: In Kiel holte sie bei der Bundestagswahl knapp über zehn Prozent, in ganz Schleswig-Holstein knapp über 16 Prozent. Wir kämpfen dafür, dass das vermeintlich gemäßigte Bild, das die Regierung in der Öffentlichkeit abgibt, real wird. Wir wenden uns an Luise Amtsberg von den Grünen, Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, die das Direktmandat für Kiel holte.
Hohe Mieten, knapper Wohnraum, steigende Lebenshaltungskosten – das alles verunsichert die Menschen. Wo langen die Vermieter besonders zu?
In der Universitätsstadt gibt es unfassbar hohe Mieten. Selbst östlich der Förde, im Stadtteil Gaarden, wo viele Migranten und Menschen aus der alternativen Szene leben, wo es noch vergleichsweise günstig ist, versuchen Immobilienbesitzer, die Mieten in die Höhe zu treiben. Schleswig-Holstein, ein sehr vermögendes Land, auch durch die Nähe zu Dänemark, hat eine große Breite an Energiequellen, etwa viele Windkraftanlagen. Dennoch sind die Stromkosten immens hoch. Angeraten wäre, die Sozialpolitik generell zu verbessern, statt Fremdenhass zu schüren, und so vom eigentlichen Thema abzulenken. Der Sparkurs der Landesregierung trifft besonders diejenigen, die sowieso mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen: Ab 2026 sollen Studierende zusätzlich zum Semesterbeitrag 60 Euro Verwaltungsgebühren zahlen. Wir brauchen eine Vermögenssteuer und mehr soziale Gerechtigkeit – auch um weitere Rechtsentwicklungen abzuwehren.
Sie wollen Politik praktisch umsetzen, damit der gesamte Diskurs nicht weiter nach rechts rückt – wie denn?
Am Sonnabend haben wir mit unserem breiten, diversen Bündnis von Organisationen beim Stadtfest »Kieler Umschlag« Menschen angesprochen. Dabei waren die Seenotrettungsorganisation Seaeye, der Kieler Flüchtlingsrat, das Netzwerk antirassistische Aktion und andere. Für Schleswig-Holstein könnte man sagen: schlimmer geht immer. Aber das ist kein Wert, an den wir uns halten. Die Seebrücke Kiel trifft sich wöchentlich. Wir wollen unsere Kontakte ausdehnen und Hilfe anbieten, damit sich die Menschen mit ihren Problemen nicht alleingelassen fühlen.
Michael Kloss ist aktiv bei der Seebrücke Kiel
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