Gegründet 1947 Dienstag, 4. März 2025, Nr. 53
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 04.03.2025, Seite 8 / Ansichten

Spyware des Tages: Chinesisches Windrad

Von Daniel Bratanovic
8_portrait.jpg

Das Mängelwesen Mensch, weiß die konservative Kulturphilosophie, kann der Technik nicht entraten, weil es anderer Spezies physisch und morphologisch hoffnungslos unterlegen ist. Als Kompensation unzulänglicher Angepasstheit an seine natürliche Umgebung dient ihm ein in seiner Gattungsgeschichte unendlich wachsender Komplex menschengemachter Gegenstände. So weit, so falsch. Aus der Mangelhaftigkeit leitet solche Anthropologie den Schluss ab, dass der moderne Homo ein »institutionenbedürftiges« Wesen sei und Insti­tutionen grundsätzlich gegen Angriffe und Zersetzung zu verteidigen seien. Was nun, wenn Technik und Institutionen in einen Widerspruch zueinander geraten, weil ein weiterer Widerspruch hinzutritt, nämlich der, dass Staaten einander im Modus der Konkurrenz begegnen?

Das Handelsblatt schlug am Montag Alarm. Das Windrad, das dem Mängelwesen Deutscher CO2-freien Komfort sämtlicher strombetriebener Annehmlichkeiten verspricht – Auto, Toaster, Massagesessel usw. –, ist ein potentieller chinesischer Spion. Erstmals soll ein geplanter Windpark vor der deutschen Küste aus chinesischer Produktion stammen. Zu den Sensoren eines Windparks, heißt es im Wirtschaftsblatt, »gehören mehrere Radare, installierte Kameras und Unterwasserinstallationen«. Die mögliche, ach was, zwingende Folge: »politische Einflussnahme, Spionage durch Sensorik, Zugang zu Sicherheitsprotokollen«. Das Institut für Verteidigung und Strategie rät: Finger weg vom China-Rad; der zuverlässige Windmacher Roderich Kiesewetter (CDU) ruft aus: »grob fahrlässig und sicherheitsgefährdend«.

Immerhin die Rente scheint dank neuester Technik sicher. Der Chef der Roboterfirma Neura Robotics schlägt gleichentags im Spiegel vor, die Wertschöpfung humanoider Roboter »für die Finanzierung unserer Sozialsysteme, insbesondere der Rente« heranzuziehen. Wenn das Norbert Blüm noch erleben könnte.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Mehr aus: Ansichten