Hand- und Staatsstreich
Von Arnold Schölzel
Die Methode war der Handstreich: Zehn Tage nach der Bundestagswahl legten CDU, CSU und SPD drei Gesetzentwürfe zur Plünderung der Staatskasse für Industrie, deren Rüstungssparte und deren Eigentümer vor. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und das Institut der Deutschen Wirtschaft schrieben die Blaupause, plauderte Koautor Clemens »Kanonen statt Butter« Fuest am Mittwoch aus. Das Überfallartige täuscht also. Die Auflösung der »Ampel« am Tag nach Trumps Wahlsieg hatte den Zweck, eine Regierung zu bilden, die das Programm eines durchgeknallten deutschen Größenwahns verwirklicht: unbegrenzte Aufrüstung, unbefristete Verlängerung des Ukraine-Kriegs, Vorbereitung eines Kriegs gegen Russland. Es handelt sich um ein lupenrein imperialistisches Vorhaben: Mitspielen bei den Großmächten. Der Kampf um die Aufteilung des ukrainischen Kuchens tritt in eine neue Phase. Die russische Torte verliert Berlin nie aus den Augen.
Eine Verschuldung in Billionenhöhe wäre die Fortsetzung der deutschen Expansionspolitik nach dem Ende von DDR und Sowjetunion: Ost- und Südosteuropa sind weitgehend wirtschaftlicher Hinterhof, die NATO-Ostexpansion sichert das militärisch. Der völkerrechtswidrige NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 war eine Machtdemonstration gegen Russland mit der Botschaft: Pariert gefälligst. Die einseitige Kündigung fast aller, auch der konventionellen, Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge mit Moskau unter immer dümmeren Vorwänden erklärt sich selbst. Es gibt keine Gefahr aus dem Osten. Der Westen hat vielmehr im Siegesrausch nach dem Ende der sozialistischen Länder Europas 1991 unter Führung der »einzigen Weltmacht« den Weg nicht nur zur Eindämmung Russlands, sondern zu dessen Schwächung eingeschlagen. Man setzt auf Zerfall, wie es bei der Sowjetunion gelungen ist.
Der Wahnwitz des vorgelegten Finanzplans resultiert nicht aus dem Zoff zweier mittelmäßiger Figuren im Weißen Haus. Er ist vielmehr Resultat der Tatsache, dass mehrere Weltmächte, allen voran China, auf den Plan getreten sind. Das deutsche Kapital will und muss vorne mitspielen. Trump mag das nicht, daher ist die deutsche Finanzkanone auch gegen die USA gerichtet, nicht zuletzt aber nach innen: Das deutsche Militär übernimmt eine neue gesellschaftliche Rolle, der gelungene politische Handstreich als Regierungsmethode – Trump macht es vor – dürfte, zumal im Niedergang, die Neigung der herrschenden Klasse zum vorerst kalten Staatsstreich steigern. Ein sozialer Putsch wird das Billionenprogramm ohnehin. Die Zeit des behäbigen »Zeitenwende«-Staatsumbaus zu mehr Repression und ideologischer Reaktion geht zu Ende. Statt »Armut per Gesetz« durch die »Agenda 2010« folgt nun »Verelendung durch Militarisierung« per »Agenda 2030«. Der für außen bestimmte Sprengstoff wird sich schnell als innen gelegt erweisen.
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Leserbrief von Horst Neumann aus Bad Kleinen (10. März 2025 um 14:07 Uhr)Besser kann man die aktuelle Politik kaum beschreiben. Präzise benennt Arnold Schölzel die Inspiratoren und Nutznießer dieses Raubzugs gegen das eigene Volk. Für die Herrschenden war Kriegspolitik schon immer das Geschäft mit der höchsten Profitrate. Wie in der Vergangenheit träumt das deutsche Kapital von der Aneignung der russischen Reichtümer, was vor 80 Jahren unter größten Verlusten scheiterte, jetzt aber erneut versucht werden soll. Wie Arnold Schölzel richtig bemerkt, wurden fast alle, auch die konventionellen, Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge mit Moskau aufgekündigt. Das Vorhaben der neuen Regierung von den geplanten 500 Mrd. Euro ein Fünftel für die deutsche Infrastruktur einzusetzen, soll die 400 Mrd. Euro Rüstung als nicht so dramatisch verschleiern. Die Medien jubeln eifrig über die 1 Mdr. Euro. Dass ein Krieg der NATO oder der EU gegen Russland immer ein Atomkrieg wird, bei dem von Europa nichts bleibt, ist kein Thema.
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Leserbrief von Bernd Jacoby aus Wiesbaden (6. März 2025 um 15:37 Uhr)Nüchtern betrachtet: Deutschland am 5./6. MÄRZ 2025. Deutschland bringt das größte Aufrüstungsprogramm seit der Aufrüstung der Wehrmacht unter Reichskanzler Adolf Hitler auf den Weg. Das Aufrüstungsprogramm erfolgt erkennbar gegen Russland. Das Aufrüstungsprogramm bezieht sich auf eine führende Stellung Deutschlands in Europa, wird sehr oft mit Begriffen Führungsmacht und Kriegstüchtigkeit verbunden. Ein Aufwuchs der Wehrtüchtigkeit durch Einführung der Wehrpflicht ggf. beider Geschlechter wird zunehmend ins Spiel gebracht. Das Rüstungsprogramm kann ohne Limit (»Whatever it takes!«) nach oben erfolgen und unterliegt keiner Schuldenbremse, die Regelung erfolgt im Grundgesetz. Das Aufrüstungsprogramm erfolgt unter tätiger Mitwirkung der Sozialdemokraten. Das Aufrüstungsprogramm erfolgt unter Beachtung einer potentiell möglichen absoluten Mehrheit aus der konservativen CDU/CSU und der rechtsnationalen AfD. Alle politischen Richtungen und zukünftigen Koalitionen/Regierungen sind der Planung für Kriegstüchtigkeit und möglichen Krieg auf Jahre unterworfen. Die Planungen betreffen die Jugendgeneration existentiell, so wie es bei Krieg und Frieden immer der Fall ist. Alle Parteien werden nach einem Ja oder Nein zum Aufrüstungsprogramm zu unterscheiden sein – und zwar nach ihrem gesamten Auftreten, nicht nur in Worten, sondern in Taten! (Bernd Jacoby, Wiesbaden)
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (6. März 2025 um 11:48 Uhr)Durch die rüstungsbedingte zusätzliche gigantische Staatsverschuldung verursachte Total-Zerstörung der bis dato noch bestandenen Reste des Sozialstaates wird die AfD von den »demokratischen Parteien der Mitte« weiterhin noch massiver in der Wählergunst gefördert werden als dies bereits in der Vergangenheit der Fall war, und diese nach der nächsten Wahl als vermutlich stärkste Partei dann auch »endlich« (sic!) »Verantwortung für dieses Land mitübernehmen«. Dann wird zusammengewachsen sein, was im finstersten (Un-)Geiste schon immer zusammen war. – Tolle Aussichten!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (6. März 2025 um 14:17 Uhr)»Durch die rüstungsbedingte zusätzliche gigantische Staatsverschuldung verursachte Total-Zerstörung der bis dato noch bestandenen Reste des Sozialstaates wird die AfD von den ›demokratischen Parteien der Mitte‹ weiterhin noch massiver in der Wählergunst gefördert.« Damit wird unterstellt, dass die AfD den »Sozialstaat« verteidigen würde. Der Demagogie der AfD wird mit einem solchen Kommentar – bei dem man nicht den Eindruck hat, das dem Verfasser der Stimmenzugewinn der »Partei für Faschisten« (Arnold Schölzel) große Sorgen bereitet – nichts entgegengesetzt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in André M. aus Berlin (6. März 2025 um 11:45 Uhr)Volle Zustimmung! Aber: Was bedeutet eine materielle (erst recht eine übers Knie gebrochene) Aufrüstung unter den obwaltenden Umständen in der BRD? Da wird nichts herauskommen, außer einer hybriden Wohlstandsvernichtungsmaschine. Es gibt darüber hinaus keine willfährigen und leidensfähigen Mannschaften, die sich verheizen lassen würden. Wo sollen hunderttausende Soldaten, Uffz und Offz herkommen? Die gibt es nicht. Allein die Wiederherstellung aufgegebener Fähigkeiten bei der Bundeswehr würde mindestens 10 Jahre dauern (bei planvoller Beschaffung, integrierten Konzepten inkl. Ausbildung). Es ist eine auf Tagesaktualität abzielende Ersatzhandlung, kopf- und besinnungslos – also ohne Verstand. Und so wird auch das Ergebnis sein. Mit Sicherheit also keine Wehrmacht (die kalt rational funktionierte), vor der man sich berechtigterweise fürchten musste. Die »europäischen Führer« haben den Verstand verloren. Kalte Rationalität sehe ich da nicht am Werk. Die gehen als blanke Hasardeure durch. Macron, Starmer und Merz resp. Scholz blasen sich auf, als wären ihre Länder noch so bedeutend wie vor dem Ersten Weltkrieg. 1914 reloaded … Ich hoffe auf Widerstand, allein meine Erfahrung sagt mir: schwierig. Das BSW-Wahlergebnis ist dahingehend ernüchternd. Vielleicht irre ich mich?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Beate Z. aus Nürnberg (6. März 2025 um 15:15 Uhr)Wie eigentlich immer im Kapitalismus geht es doch hier nicht um den Gebrauchswert der schönen neuen Waffen, sondern um den Tauschwert. Ob man die Ware gebrauchen kann – völlig egal! Verkauft muss sie werden. Die Rüstungsindustrie will Gewinne. Normalerweise ist so etwas natürlich nicht im Sinne der Verbraucher, die indessen keine Wahl haben. In diesem Fall können wir uns an dem – hoffentlich – durch Personalknappheit bedingten geminderten Gebrauchswert eher erfreuen. Aber die Freude ist nicht ungetrübt, denn die Ausgaben in diesem Bereich blockieren natürlich auch Ausgaben in anderen Bereichen, vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich.
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