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Aus: Ausgabe vom 10.03.2025, Seite 6 / Ausland
Griechenland

Nichts als Lügen

Zugunglück: Neuer Massenprotest gegen griechische Regierung, Misstrauensantrag der Opposition scheitert
Von Hansgeorg Hermann, Chania
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Konsequenzen gefordert: Protest am Freitag abend vor dem Parlament in Athen

Die Eisenbahnkatastrophe von Tempi lässt die griechische Gesellschaft nicht los. Drei Tage lang beschimpften sich in der vergangenen Woche im Parlament Abgeordnete der rechten Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) und der linken Opposition. Der Versuch der sozialdemokratisch geprägten Fraktionen Pasok und Syriza sowie der Kleinparteien Neue Linke (Nea Aristera, NA) und Freiheitlicher Kurs (Plevsi Eleftherias, PE), den Ministerpräsdenten Kyriakos Mitsotakis mit einem Misstrauensvotum zu stürzen, scheiterte am späten Freitag abend. In der 300 Köpfe zählenden Vouli schlossen sich nur 136 Abgeordnet der Forderung nach Absetzung der Regierung und sofortigen Neuwahlen an, 157 stimmten dagegen. Die Antragsteller hatten der Regierung die volle Verantwortung für das Zugunglück zugewiesen, bei dem am 28. Februar 2023 nahe dem Ort Tempi (Region Larissa) 57 Menschen, die meisten davon jung, ihr Leben verloren hatten.

Begleitet wurde die dreitägige Plenarsitzung von neuen Massenprotesten und Kundgebungen in nahezu allen Städten des Landes. In Athen, wo am Freitag nachmittag Tausende gegen die Regierung und deren »Politik der Vertuschung« protestierten, traten auf der Platia Syntagmaton, dem zentralen Platz vor dem Parlamentsgebäude, zum zweiten Mal innerhalb einer Woche Eltern und Angehörige der Opfer von Tempi ans Mikrophon. Sie verlangten, einige von ihnen unter Tränen, »volle Aufklärung der Ursachen für die Katastrophe, Gerechtigkeit und Bestrafung der Verantwortlichen«. Aufgerufen zu Niederlegung der Arbeit und Protestmärschen hatten während der gesamten Woche neben Gewerkschaften, Schüler- und Studentenverbänden sowie der Gemeinschaft der Familien der Opfer auch Medien wie die Athener Tageszeitung Efsyn sowie Internetportale und lokale Radiostationen.

Wie es zu dem fatalen Zusammenstoß eines Güterzugs mit einem Intercity auf dem Weg von der Hauptstadt in die Nordmetropole Thessaloniki kommen konnte, ist zwei Jahre danach noch immer nicht geklärt. In Frage gestellt wird von der Parlamentsopposition und der Bevölkerungsmehrheit seit Monaten die Version der Regierung und der Bahngesellschaft Hellenic Train, wonach »menschliches Versagen« – ein Irrtum des zuständigen Fahrdienstleiters in Larisa – ursächlich für den Crash auf dem eingleisig befahrenen Streckenabschnitt gewesen sein soll. Veröffentlicht wurden in diesem Rahmen von Efsyn und anderen Zeitungen Fotografien und Videoaufnahmen, die – Sekunden nach dem Zusammenstoß – eine heftige Explosion zeigen. Aufgenommen wurden die Bilder offenbar von überlebenden Passagieren. Sie legen eine andere Ursachenerklärung nahe: Der Güterzug könnte illegal – mit »gefälschten Papieren« – Chemikalien und hochexplosive Lösungsmittel transportiert haben.

Im Spiel gewesen sei offensichtlich »Korruption«, die »das Verbrechen von Tempi« erst möglich gemacht habe. »Falsche Angaben« der Regierung, »Vertuschung« und »lauter Lügen« der zuständigen Minister und des Premiers hätten zu einem »vollständigen Vertrauensverlust« in der Bevölkerung geführt und machten Neuwahlen notwendig, erklärten Sprecher der Opposition. In der Tat gaben in jüngsten Meinungsumfragen bis zu 80 Prozent der Bevölkerung an, es sei »Zeit für einen Wechsel« in der Regierungspolitik. Dimitris Koutsoumbas, Chef der Kommunistischen Partei (KKE) verlangte im Parlament die Veröffentlichung aller Telefongespräche zwischen Ermittlern der Justiz und Regierungsmitgliedern. »Wir haben bisher nur Lügen gehört«, sagte Koutsoumbas, »wir wollen endlich die Wahrheit«. Mitsotakis erinnerte seinerseits daran, dass bei der heute kritisierten Privatisierung der Eisenbahn im Januar 2017 die linke Syriza an der Regierung war.

Am Freitag abend schickte er die gepanzerten Antiterroreinheit MAT gegen den bis dahin gewaltfreien Straßenprotest. Niedergeknüppelt, festgenommen und in die Polizeistationen verfrachtet wurden neben vielen andern jungen Menschen auch Überlebende des »Verbrechens von Tempi«. »Völlig grundlos«, wie der von Efsyn zitierte Student und Zugpassagier Antonis Antoniou beteuerte.

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