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Aus: Ausgabe vom 10.03.2025, Seite 7 / Ausland
Grenzkrieg

Kursk: Ukrainer eingekesselt

Russische Truppen dringen in Grenzstadt Sudscha vor. Ukrainische Einheiten in Russland abgeschnitten
Von Reinhard Lauterbach
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Die russische Armee erobert Stück für Stück des besetzten Gebiets in Kursk zurück (6.3.2025)

In den seit Monaten andauernden Kämpfen um den ukrainisch besetzten Teil des Gebiets Kursk hat die russische Seite am Wochenende offenbar einen wichtigen Erfolg erzielt. Wie Medien beider Seiten im Kern übereinstimmend melden, gelang es Russland in den vergangenen Tagen, durch einen Vorstoß auf der ukrainischen Seite der Grenze die Versorgungsrouten der auf russischem Boden stehenden ukrainischen Truppen abzuschneiden. Seit Sonnabend läuft ein Angriff auf die einzige bedeutendere Ortschaft des ukrainisch besetzten Gebiets, die Grenzstadt Sudscha. Am Sonntag morgen wurde von intensiven Kämpfen im Zentrum der Ortschaft berichtet.

Einen Anteil daran hatte offenbar auch eine russische Spezialeinheit, die durch das seit 1. Januar unbenutzte Rohr der stillgelegten internationalen Gaspipeline von Sibirien in die Slowakei hinter die ukrainischen Linien vordrang. Gleichzeitig verstärkten russische Einheiten den Druck auf den Norden des besetzten Gebiets. Fotos in der Moskauer Komsomolskaja Prawda zeigten von zerstörten Militärfahrzeugen übersäte Straßenränder. Von der Zeitung interviewte russische Soldaten sprachen von teilweise heftigem Widerstand der gegnerischen Truppen. Viele zwangsmobilisierte ukrainische Soldaten dagegen ergäben sich rasch und seien froh, »es hinter sich zu haben«. Unabhängig zu überprüfen sind diese Aussagen naturgemäß nicht, ebenso wenig wie bereits seit Wochen immer wieder auftauchende Berichte über angebliche Massaker der ukrainischen Truppen an russischen Zivilisten in den von ihnen kontrollierten Dörfern.

In der Kiewer Öffentlichkeit waren die Entwicklungen im Kursker Gebiet Anlass zu Forderungen, die eigenen Truppen von dort geordnet zurückzuziehen. Ziel der russischen Operation ist es offenkundig, genau diesen geordneten Rückzug zu verhindern und den noch etwa 10.000 ukrainischen Soldaten im Kursker Gebiet eine entscheidende Niederlage zu bereiten. Der politische Kontext der Operation ist klar: der Ukraine vor möglichen Friedensverhandlungen die einzige Trumpfkarte zu entziehen, die sie möglicherweise mit der Besetzung einiger hundert Quadratkilometer russischen Territoriums noch gehabt hätte – ein Faustpfand zum Tausch gegen territoriale Zugeständnisse Russlands an anderer Stelle. Indirekt verbindet sich mit einem Fiasko der Kursker Operation auch die Frage nach dem politischen Schicksal von Wolodimir Selenskij und der Karriere seines Oberbefehlshabers Olexandr Sirskij. Selenskij ging in seiner allabendlichen Fernsehansprache am Sonnabend mit keinem Wort auf die Entwicklungen im Kursker Gebiet ein. Er hatte den Angriff auf die Region im August 2024 persönlich angeordnet.

Westliche Medien ignorierten die Entwicklungen im Kursker Gebiet über das Wochenende weitestgehend. Sie konzentrierten sich gemäß der ukrainischen Sprachregelung auf den russischen Beschuss der Stadt Dobropillja im Bezirk Donezk, in dessen Folge am Sonnabend elf Bewohner ums Leben kamen. Bei weiteren russischen Raketenangriffen wurden über das Wochenende Objekte der Energiewirtschaft und Gasförderanlagen in den Bezirken Odessa, Poltawa, Iwano-Frankiwsk und Ternopil beschädigt. In Saporischschja geriet ebenfalls eine Industrieanlage nach einem Raketentreffer in Brand.

US-Präsident Donald Trump reagierte auf die neuerlichen Raketenangriffe auf das ukrainische Hinterland, indem er Moskau »neue und härtere« Sanktionen für den Fall androhte, dass Russland die Ukraine weiter »auseinandernehme«. Russische Vertreter zeigten sich davon unbeeindruckt und drohten Kiew mit weiteren verheerenden Schlägen. Sie reagierten damit auf öffentliche Überlegungen des Chefs der ukrainischen Seestreitkräfte, die Krimbrücke, die das Festland mit der Schwarzmeerhalbinsel verbindet, mit einem dritten Angriff endgültig zu zerstören. Die Brücke ist als Folge zweier ukrainischer Angriffe derzeit für schwere Güterzüge nicht passierbar. Andererseits kann Russland inzwischen auf den Landkorridor auf die Krim zurückgreifen und hat dort vor einigen Wochen eine neue Bahnlinie von Rostow in Richtung Mariupol in Betrieb genommen, die diesen Nachschubweg entscheidend verkürzt.

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