Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 10.03.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Finanzpolitik

Fiskale Offensive

Ausgabe neuer Bundesanleihen: Kursverlust und höhere Renditen. Kürzungen im Sozialbereich
Von Dominic Iten
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Der BRD-Bundeshaushalt ist eine Art monetäre Verbrennungsanstalt (München, 11.11.2024)

Es sei ein »Gamechanger«, wurde Deutsche-Bank-Volkswirt Jim Reid jüngst vom Portal »Marketscreener.com« zitiert. Ein Paradigmenwechsel in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Gemeint ist die fiskalpolitische Wende, die Union und SPD mit der Lockerung der Schuldenbremse und der Bereitstellung eines Sondervermögens von 500 Milliarden Euro vollziehen wollen. Damit bricht Friedrich Merz ein jahrelanges Tabu – aber angesichts gegenwärtiger geopolitischer Umbrüche gilt eben »Whatever it takes«. Das heißt: Investieren in die Modernisierung von Straßen, Bahn und Brücken, in den Um- und Ausbau des Energienetzes, in die Sanierung öffentlicher und privater Gebäude – und natürlich sollen gigantische Summen in den militärisch-industriellen Komplex fließen.

Die rasche militärische und infrastrukturelle Instandsetzung des Landes ist ohne Aufnahme neuer Schulden nicht zu schaffen. Zur Deckung der Kosten ihrer haushaltspolitischen Neuausrichtung ist die Regierung zur umfassenden Ausgabe neuer Bundesanleihen gezwungen. Um die Attraktivität ihrer Anleihen trotz steigendem Angebot hochzuhalten, wird der Bund höhere Zinsen anbieten müssen.

Das blieb auf den Aktienmärkten nicht unbemerkt: Sofort fielen die Kurse der Anleihen. Staatsanleihen sind in der Regel fest verzinst. Weil die bereits ausgegebenen, niedriger verzinsten Anleihen relativ an Wert verlieren, werden sie jetzt abgestoßen – für neue Käufer eine Chance auf fette Gewinne. Banken, Investoren und Hedgefonds wissen: Wer jetzt zu fallenden Preisen die festverzinslichen Bundesanleihen erwirbt, erhält den ursprünglichen Zins zum günstigeren Preis und steigert damit seine Rendite.

Kurz gesagt, fallende Kurse bedeuten steigende Renditen – und wie: Am vergangenen Donnerstag stieg die Rendite auf deutsche Bundesanleihen zeitweise bis auf 2,93 Prozent, nachdem sie zuvor unter 2,50 Prozent gelegen hatte. Ein Anstieg, wie es ihn seit 1990 nicht mehr gegeben hatte – und das innerhalb nur eines einzigen Tages.

Die weiteren Folgen: Der Euro stieg gegenüber dem US-Dollar auf den höchsten Stand seit November und der Dax, zuvor infolge neuer Zollankündigungen eingebrochen, legte deutlich zu. Zu den unmittelbaren Gewinnern zählen Unternehmen im Bereich der Infrastruktur und Rüstungsunternehmen. Die Aktie von Rheinmetall stieg um rund fünf Prozent, jene der Thales Group konnte um sechs Prozent zulegen.

Das zeigt: Bei den geplanten Investitionen handelt es sich um ein massives Konjunkturprogramm für das Großkapital. Die Auftragsbücher von Unternehmen wie Rheinmetall werden sich füllen, die Aktionäre dürfen jubeln. Kurz gesagt: Union und SPD befördern die Umverteilung öffentlicher Gelder an große Konzerne.

Analysten von Goldman Sachs prophezeien zwar, das Programm könnte das deutsche Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr auf bis zu zwei Prozent ankurbeln – doch auf wessen Kosten? Was auf den ersten Blick wie eine Abkehr von einer rigiden Austeritätspolitik aussieht, könnte sich als bloße Verschiebung des Schwerpunkts im Kürzungsprogramm erweisen. Investitionsoffensiven werden oft durch »tiefe Einschnitte« in anderen Bereichen gegenfinanziert. Steuererhöhungen für Unternehmen oder Vermögende stehen aktuell nicht zur Debatte. Statt dessen sind von der reaktionären Regierung Kürzungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, oder Altersvorsorge zu erwarten.

Kommt hinzu, dass sich mit steigenden Zinsen auf Staatsanleihen auch die übrigen Kredite verteuern. Damit steigt der Druck auf Mietpreise oder laufende Kredite der arbeitenden Bevölkerung. Außerdem dürfte die Inflation durch die bereitgestellten Summen für Baumaterial, Energie und Transport mittel- bis längerfristig anziehen und die Lebenshaltungskosten weiter in die Höhe treiben. Insofern steigert die gegenwärtige Militarisierung nicht nur die Risiken einer militärischen Eskalation – sie bedeutet auch volle Auftragsbücher und steigende Aktienkurse für die Konzerne auf der einen, Kaufkraftverlust und Sozialkahlschlag auf der anderen Seite.

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