»Reine Schikane und Machtspiel des Konzerns«
Interview: David Bieber
Im Auftrag von RWE wird trotz abgelaufenen Hauptbetriebsplans am Tagebau Hambach Erde aufgeschüttet, Ihre Mahnwache zum Schutz des Sündenwäldchens wird drangsaliert. Was geht da vor sich?
Seit Monaten werden erhebliche Gesteinsmengen mittels einer gewaltigen Zahl von Lkw aus dem bisher genehmigten Abbaugebiet in die benachbarte Kiesgrube in Geilrath verbracht. Darüber hinaus werden täglich enorme Mengen Gesteins auf die Sophienhöhe (Abraumhalde des Abbaus von Braunkohle mit rund 300 Metern Höhe, jW) transportiert, statt sie für die Sicherung der Kanten zu verwenden. Aktive Gruppen rund um den Tagebau fordern unabhängige Gutachten und eine Überprüfung der Verbringung der Erdmassen. Ferner ist zu klären, wie sich durch die Verwendung dieser Massen das Manheimer Loch (Tagebaugrube, die zur künstlichen Bucht aufgefüllt werden soll, jW) verkleinern lässt.
Ließe sich das anders umsetzen?
Entgegen den Behauptungen von RWE gibt es sehr wohl Alternativen, um die Löcher zu verkleinern und die Böschungen zu stabilisieren. Diese sind nur mit höheren Kosten verbunden. Die Innenkippe der Sophienhöhe wäre verwendbar, wenn die Förderbänder andersherum laufen würden. Aber statt dessen wird wieder nichts anderes gemacht, als zum wiederholten Mal ein gut funktionierendes Ökosystem zu zerstören und an anderer Stelle künstlich zu errichten. Dabei gehören die bisherigen Pläne für den gigantischen See im Tagebau Hambach ebenso unabhängig überprüft.
Ihr Protest gegen den Tagebau, die Abholzung des Waldstücks und gegen den Energiekonzern RWE konnte einen Stopp der Arbeiten bislang nicht erzwingen. Mit welchen Mitteln geht der Konzern gegen Sie vor?
Tatsächlich konnten wir die Arbeiten zunächst verhindern und dann dafür sorgen, dass noch Wald steht und unsere Ackerfläche nicht abgetragen ist – und das, obwohl RWE mit allen Mitteln und unerlaubten Tricks die Öffentlichkeit und die Gerichte augenscheinlich getäuscht hat. RWE hat den Hauptbetriebsplan, obwohl dieser schon im Dezember fertig war, wissentlich zurückgehalten, damit dem BUND e. V. die Möglichkeit zu klagen genommen werden kann. Aufgrund des vielschichtigen Protestes – wir mussten erst vor Gericht unsere Versammlungsfreiheit einklagen – haben wir die Zerstörung aufgehalten, und der BUND konnte klagen. Leider wurde dieses Urteil unter falschen Tatsachen gefällt.
Wie hat der Energieriese reagiert?
RWE hat jetzt zugegeben, dass nicht, wie behauptet, bis zum 28. Februar 2025 das Teilstück vom Hambacher Wald namens Sündenwäldchen zerstört werden muss, damit ihr Betriebsplan nicht zum Erliegen kommt. Das war die Begründung für eine gerichtliche Eilentscheidung. Aber RWE hat viel behauptet. So wurden unsere »Versammlungsortumzüge« immer mit erforderlichen Arbeiten begründet. Diese haben aber nie an unseren Standorten stattgefunden. Die Besitzverhältnisse der Felder in dem Bereich sind noch nicht geklärt. Also reine Schikane und ein Machtspiel von RWE, um Öffentlichkeit und Widerstand zu unterbinden. Das Gericht stellt den Profit und die Gewinnmaximierung von RWE als ein wichtiges betriebliches Interesse dar und ordnet so unsere Lebensgrundlage unter.
Was nutzen RWE überhaupt die zusätzlichen Arbeiten, die das Sündenwäldchen bedrohen?
Es geht um Sand und Kies, womit RWE wesentlich mehr Gewinne als mit der Braunkohle macht. Deren Abbaggerung unterliegt nicht dem Bergbaugesetz. RWE darf ohne gesetzliche Regelungen einfach weiterarbeiten und es interessiert keinen. Unser kostbarer Lössboden, den wir für unsere Nahrungserzeugung benötigen, wird gewinnbringend verkauft. Dieser Großkonzern hat viele Nebengewerbe. Er bewirtschaftet Ackerflächen selbst und ermöglicht den Menschen, die zurück ziehen möchten, lediglich den Rückkauf ihrer Häuser. RWE agiert wie ein Großgrundbesitzer.
Politische Vertreter haben Sie wiederholt hängenlassen …
Von Politik erwarte ich nicht mehr viel, das hat die Vergangenheit gezeigt. Widerstand und Veränderungen müssen von unten kommen. Die Zivilgesellschaft muss sich stärken und für unsere Rechte und Zukunft einsetzen. Ich möchte ein System, das sich auf direkte Demokratie beruft, mit basisdemokratischen Entscheidungen und Bürgerräten.
Blanche Schwanke ist Klimaschutzaktivistin und setzt sich für den Erhalt des Sündenwäldchens im rheinischen Braunkohlerevier ein
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