Milizen in Syrien morden weiter
Von Wiebke Diehl
Nach der Tötung Hunderter, wenn nicht gar Tausender Alawiten am Wochenende hat die demokratisch nicht legitimierte »Übergangsregierung« Syriens unter HTS-Chef Ahmed Al-Scharaa den am Donnerstag begonnenen Militäreinsatz in der Küstenregion des Landes für beendet erklärt. »Alle Zellen und Regimeüberbleibsel« in Städten wie Latakia und in der Provinz Tartus seien »neutralisiert« worden, so Hassan Abel, Sprecher des »Verteidigungsministeriums« der Miliz Haiat Tahrir Al-Scham (HTS). Nach eigenen Angaben setzte die »Regierung« eine »unabhängige« Untersuchungskommission ein, »die Übergriffe auf Zivilisten untersuchen und die Verantwortlichen identifizieren« solle.
Die für unzählige in den letzten Jahren begangene Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen bekannte HTS versuchte bereits am Wochenende, von ihrer Schuld abzulenken: Sie behauptete, »unorganisierte Massen von Zivilisten und Kämpfern« seien außer Kontrolle geraten und für die Greueltaten verantwortlich. Tatsächlich sind es Milizionäre der HTS und mit ihr verbündete dschihadistische Gruppen, die seit dem Sturz der Regierung Baschar Al-Assads Anfang Dezember Angehörige von Minderheiten jagen, entführen, vergewaltigen und massakrieren. Diese Kämpfer sind inzwischen größtenteils vom Verteidigungsministerium integriert worden.
Während auf der Plattform X Zahlen von bis zu 9.000 über das Wochenende getöteten alawitischen Zivilisten kursieren, spricht die in Großbritannien ansässige »Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte« von knapp tausend Todesopfern. Ihr zufolge sind die »Tötungen, Exekutionen und ethnischen Säuberungsaktionen«, denen auch zahlreiche Kinder zum Opfer fielen, noch nicht vorbei. Die Gesellschaft für bedrohte Völker sprach am Montag von Hinweisen auf einen Genozid an den Alawiten Syriens. Der Patriarch der orthodoxen Kirche von Antiochien, Johannes X., sagte am Sonntag in einer Predigt, auch Christen seien betroffen.
Ein in Damaskus abgehaltener Schweigemarsch für die getöteten Zivilisten wurde am Sonntag abend von HTS-Kämpfern aufgelöst, die Parolen gegen Alawiten skandierten und die Gründung eines »sunnitischen Staates« forderten. Für Montag hatten die USA und Russland eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt.
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Leserbrief von Manfred Kern aus Schwetzingen (11. März 2025 um 00:42 Uhr)Ich finde den Artikel sehr einseitig. Kein Wort über die Verbrechen, die Assad mit Hilfe Putins an seinem Volk verübte. Keinerlei Mitgefühl mit den Tausenden, die gelitten, Freunde und Familienangehörige verloren haben, die nicht mehr an eine Befreiung ihres Landes glaubten und jetzt die Hoffnung haben dürfen, dass es dort eben gerade keinen sunnitischen oder sonstwie weltanschaulich oder religiös uniformierten Staat mehr geben wird. Diese Menschen, die nichts weiter wollen als Frieden und Demokratie, sollte man unterstützen und nicht den nach Russland zu seinem mächtigen, brutalen Freund geflohenen, feigen Ex-Diktator.
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