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Aus: Ausgabe vom 11.03.2025, Seite 7 / Ausland
Russland

Kiews Kriegsverbrechen

Russland beklagt Verstöße der Ukraine gegen das humanitäre Völkerrecht
Von Dieter Reinisch, Wien
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Von der Ukraine zurückerobert: Ein russischer Soldat im zerstörten Ort Pogrebki, Region Kursk (9.3.2025)

Ihr Haus sei niedergebrannt worden: »Es war ein Alptraum«, erzählt die ältere Dame, die an einem Tisch in einem fast gänzlich weißen Zimmer sitzt. Ihr Gesicht ist eingefallen, sie sieht traurig und nachdenklich aus. Nina Kriukowa wurde gemeinsam mit ihrer Familie aus ihrem Wohnhaus in Plechowo im Oblast Kursk vertrieben. Sie ist am Montag vormittag in die russische Botschaft in Wien zugeschaltet. Die Ständigen Vertretungen Russlands bei den Internationalen Organisationen in Wien und Genf hatten zu Medienbriefings geladen. Thema war die Lage der Zivilisten in der teilweise von der Ukraine besetzten russischen Region Kursk.

»Die Befreiung der Gebiete brachte Beweise für den fundamentalen Bruch des internationalen Völkerrechts zutage«, führt Julija Schdanowa, zuständig für Militärische Sicherheit und Waffenkontrolle bei der russischen Botschaft in Wien, aus. Es gebe Beweise für die gezielte Tötung und Folter von Zivilisten. Während viele Berichte aus dem Donbass vorlägen, sei jedoch besonderes Augenmerk auf die Region Belgorod zu legen: »Nirgendwo sonst wurde soviel Beschuss auf zivile Infrastruktur dokumentiert wie in Belgorod.«

Der stellvertretende Gouverneur der Region Kursk, Alexander Tschepik, erklärt: »Über 510 zivile Einrichtungen in der Region wurden gänzlich zerstört«, unzählige mehr seien beschädigt worden. Darunter seien fünf medizinische Einrichtungen, sechs Kindergärten und daneben noch 1.300 Wohnhäuser, die unbewohnbar wurden. Um die Angaben zu untermauern, werden auf dem Bildschirm im Konferenzraum Bilder von den Zerstörungen gezeigt. Tschepik berichtet von Hunderten toten und vertriebenen Zivilisten, ein großer Teil davon Frauen und Kinder.

Der Vertreter des russischen Außenministeriums, Rodion Miroschnik, legt besonderen Wert darauf, zu zeigen, dass nach russischem Informationsstand Zivilisten von der ukrainischen Armee gezielt angegriffen werden. Dazu spielt er drei Videos von angeblich ukrainischen Soldaten vor. Einer sitzt mit verstörtem Blick in einer engen Zelle. Nur ein kleines Licht ist an. Er blickt neben der Kamera vorbei und antwortet auf die Frage einer Stimme aus dem Hintergrund, was der Befehl gewesen sei: »Erschießt alle.« Danach stehen zwei Soldaten nebeneinander im Schnee, keine Anzeichen von Verhaftungen sind erkennbar: »Wir hatten einen Befehl: Tötet jeden, der Russisch spricht«, sagen sie. Die angeblichen Verhörvideos sind von den wenigen geladenen Journalisten im Raum nicht verifizierbar.

Das Leid der Zivilbevölkerung ist nicht zu leugnen. Besonders betroffen sind sie durch den Beschuss mit Langstreckenraketen und Clusterbomben. Am 30. Dezember 2023 habe eine Drohne tschechischer Produktion Clusterbomben auf Belgorod abgeworfen, erzählt Igor Sergejew, russischer Vertreter bei der OSZE in Wien. Wie andere Redner kritisiert er, dass über das angebliche Massaker von Butscha in den westlichen Medien viel berichtet, über die täglichen Angriffe auf russische Zivilisten aber geschwiegen werde: »Wir kennen immer noch nicht die Namen der Opfer (von Butscha, jW). Der Westen weigert sich, eine Untersuchung auf internationaler Ebene zu beginnen«, beklagt er.

Bei den internationalen Organisationen gebe es nur Schweigen über die ukrainischen Kriegsverbrechen, meint er: »50 Jahre nach dem Vertrag von Helsinki verliert die OSZE zunehmend an Führung und damit Einfluss«, was Russland sehr bedauere, erklärt er. Russische Zivilisten würden vor allem mit Waffen aus Großbritannien, Kanada, Deutschland, Italien und Estland beschossen, erläutert Schdanowa: »Der Angriff auf Kursk war nur durch westliche Waffen möglich.« Russland werde »die Beweise für die Kriegsverbrechen weiterhin regelmäßig an die relevanten internationalen Organisationen weiterleiten«, betont sie.

Die Zivilisten, die den Kriegshandlungen in Osteuropa seit 2014 zum Opfer gefallen sind, wird es nicht zurückbringen, ihren Nachkommen aber etwas Gerechtigkeit geben können. Vielleicht hilft es, Schdanowas Wunsch etwas zu beschleunigen: »Nur durch diese Arbeit können wir den Frieden näherbringen.«

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