Per Express in die Volksrepublik
Von Burkhard IlschnerWieder einmal hat es Deutschlands einziger Tiefwasserhafen, der Wilhelmshavener Jade-Weser-Port (JWP), in die Schlagzeilen geschafft. Am Donnerstag voriger Woche machte an dem Terminal für größte Containerfrachter – seit Gründung 2012 nur wenig ausgelastet – ein eher kleines Schiff fest: die unter Panama-Billigflagge fahrende »Kawa Ningbo«. Sie misst nur 200 Meter und hat eine Kapazität von knapp 2.500 Standardcontainern (Twenty Foot Equivalent unit, TEU). Die JWP-Oberen feierten das Einlaufen trotzdem, mit 250 Gästen aus Wirtschaft und Politik.
Laut JWP-Marketingchef Marc-Oliver Hauswald war dies der Start einer ersten Direktverbindung zwischen China und Nordeuropa. Ausgangshafen ist Ningbo-Zhoushan, der drittgrößte Containerhafen der Welt. Das JWP-Management nennt diese Verbindung den Beginn eines markanten Aufschwungs – nun, ja, immerhin weist diese »China-Europe Express Service« (CEX) getaufte Linie einige Besonderheiten auf.
Das beginnt bei der Betreiberreederei: Die Containerlinie Kawa Shipping mit Sitz in Hongkong ist erst 2023 gegründet worden – und sie verfügt nach Angaben des Infoportals Alphaliner bislang über kein einziges eigenes Schiff. Gelistet wird sie statt dessen mit acht Chartereinheiten, die zusammen nur knapp 14.000 TEU Kapazität haben. Die »Kawa Ningbo« zum Beispiel ist 23 Jahre alt und fuhr bislang für die taiwanesische Reederei Wan Hai Lines, Nummer elf der Weltrangliste.
Zweite Besonderheit ist die Kategorie »Direktverbindung«: Von Ningbo-Zhoushan geht es ohne Zwischenstopp durchs Rote Meer und den Suezkanal nach Wilhelmshaven. Laut einem NDR-Bericht soll Kawa Shipping »mit den Terroristen der Huthi ein Abkommen geschlossen« haben, deshalb werde das Schiff nicht beschossen. Überprüfbar ist diese Feststellung nicht. Fakt ist, dass die »Kawa Ningbo« die Strecke in nur 25 Tagen zurückgelegt hat, deutlich schneller als die normale Fahrtzeit der großen Linien. Hapag-Lloyd beispielsweise benötigt für die Verbindung China-Germany Express (CGX) 43 Tage – allerdings um Südafrika und mit Zwischenstopps in Yantian, Singapur, Tema, Southampton und Rotterdam.
Das führt – drittens – zur Wettbewerbsfrage: Kawa hat anlässlich des CEX-Starts erst Ende 2024 eigene Neubauten bestellt, drei Einheiten mit je 4.800 TEU Kapazität. Bis die fertig sind, will die Reederei Ningbo–Wilhelmshaven erst monatlich und noch vor Jahresende im Zweiwochentakt bedienen – bewusst mit kleineren Schiffen. Ob das Verhältnis von Größe und Geschwindigkeit sich auf Dauer trägt, wird abzuwarten sein: Die Neuordnung der Schiffahrtsallianzen lässt den JWP ja dank Mitbetreiber Hapag-Lloyd und dessen Gemini-Partner Mærsk auf verstärkte Anläufe deren großer Carrier hoffen. Und die weitere Verteilung von Containern von einem Hauptterminal (»Hub«) zu anderen Häfen (»Spokes«) oder ins Binnenland, wie Kawa Shipping es im Kleinen plant, ist für die großen Konkurrenten längst Standard. Bleibt die Tempofrage: Gerade berichtete der dänische Dienst Shipping Telegraph, Ägypten habe sich in Davos »vorsichtig optimistisch« bezüglich einer Wiederbelebung des Suezkanals geäußert. Falls das infolge des Waffenstillstands in Gaza einträfe, entfiele der Umweg um Südafrika, und die Karten zwischen den Konkurrenten würden alsbald neu gemischt.
Der CEX-Start vorige Woche war zunächst ein vorsichtiger: Laut Deutscher Verkehrszeitung (DVZ) hat die »Kawa Ningbo« an der Jade nur knapp 1.000 TEU gelöscht. Erst künftige Verbindungen werden zeigen, ob das CEX-Ladungsaufkommen die unterdurchschnittliche JWP-Auslastung nennenswert steigern kann. Nachdem der für 2,7 Millionen TEU Jahresumschlag ausgelegte Hafen 2023 nur rund 532.000 TEU bilanziert hatte, wurde 2024 fürs erste Halbjahr ein Umschlag von rund 298.000 TEU gemeldet. Kawa Shipping betreibt die Verbindung gemeinsam mit einer Tochter des Terminalbetreibers Ningbo Zhoushan Port: Das chinesische Logistikunternehmen Zhejiang Seaport hat im JWP-Güterverkehrszentrum erst einmal eine 30.000-Quadratmeter-Halle gemietet, um die Kawa-Anlieferungen zu verteilen. Was aber die JWP-Betreiber prompt von »Stärkung des Wirtschaftsstandorts« als »Drehkreuz für internationalen Warenverkehr« schwärmen lässt.
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