Bezos gibt Trumps Büttel
Von Dieter Reinisch
Groß ist bei vielen Journalisten der Unmut über Donald Trump: Dem US-Präsidenten kritisch gegenüberstehende Medienvertreter sperrt er bei Pressekonferenzen im Weißen Haus aus. Die ersten Reihen füllt er statt dessen mit Reportern von Onlineportalen der Ultrarechten, die sich willig in die Schleimspur der Hofberichterstattung begeben. Doch auch bei altehrwürdigen Traditionsmedien ist der Einfluss des neuen Herrn im Hause spürbar. So positionierte sich Amazon-Chef Jeff Bezos in den vergangenen Monaten als Trump-Unterstützer. Dafür spannt er mehr und mehr die renommierte Washington Post ein, die er im August 2013 für umgerechnet 230 Millionen Euro erworben hat. Dort hatte er jüngst verfügt, dass nur noch Meinungsbekundungen veröffentlicht werden dürfen, die persönliche Freiheiten und den freien Markt hochhalten. Daraufhin kündigte Post-Meinungschef David Shipley.
Im ersten Jahrzehnt seiner Eigentümerschaft hielt sich Bezos weitgehend zurück. Beeinflusste er die redaktionelle Linie der Post, wurde dies zumindest nicht in der Öffentlichkeit bekannt. Das änderte sich im Präsidentschaftswahlkampf 2024 jedoch schlagartig. Bezos überraschte die Leserschaft im Oktober, als er bekanntgab, die Post würde zum ersten Mal seit 36 Jahren keine Wahlempfehlung aussprechen. Wie in Großbritannien ebenso üblich, geben nordamerikanische Zeitungen bei Wahlen bekannt, welchen Kandidaten sie bevorzugen. 1997 etwa hatte die Entscheidung des Medienmoguls Rupert Murdoch, in seiner britischen Presse erstmals Labour statt die Tories zu unterstützen, Tony Blair zum Wahlsieg verholfen.
In einem Kommentar, der elf Tage vor den US-Wahlen in der Post erschien, bezeichnete der Herausgeber und CEO, William Lewis, Bezos’ Entscheidung als »Rückkehr zu den Wurzeln der Zeitung«. Sie habe ursprünglich keine Wahlkampfunterstützung betrieben, erst 1976 begonnen, regelmäßig Kandidaten zu begünstigen. »Aus damals verständlichen Gründen« habe die Redaktion Jimmy Carter befürwortet, schrieb Lewis.
Die Macht, wie 1976 und 1997 Staatsoberhäupter zu küren, haben Zeitungen aufgrund der Krise der Printmedien heute nicht mehr. Dennoch waren viele Leser unzufrieden: Laut eigenen Angaben seien nach Lewis’ Kommentar 250.000 Abonnements gekündigt worden. Auch die bekannten Investigativjournalisten der Post, Bob Woodward und Carl Bernstein, missbilligten die Entscheidung mit einem Kommentar. Ignoriert würden »die überwältigenden Anzeichen in der Berichterstattung der Post« dafür, dass von Trump eine bedenkliche Bedrohung für die Demokratie ausgehe. Doch Trump siegte. Bei seiner Amtseinführung im Januar saß Bezos prominent neben seinen Milliardärskollegen Mark Zuckerberg von Meta, Elon Musk von X und Sundar Pichai von Google. Big Tech als Wegbereiter des gegenwärtigen Trumpismus.
In den vergangenen Wochen versuchte der Amazon-Boss, auf die Blattlinie der Post dann direkten Einfluss zu nehmen, vor allem auf die Meinungskolumnen. Seither tobt in der Belegschaft ein öffentlich ausgetragener Konflikt zwischen den Redakteuren und den Direktoren um Bezos. Viele bekannte Kolumnisten und langjährig Beschäftigte haben seit Anfang Februar aus Protest gekündigt.
Die letzte, die sich zurückzog, war die Kolumnistin Ruth Marcus, wie Associated Press (AP) am Montag berichtete. Ihr Grund sei demnach gewesen, dass das Herausgabedirektorium einen ihrer Artikel, der die neue Redaktionspolitik von Bezos kritisch kommentierte, nicht veröffentlichte. »Es bricht mir das Herz, dass ich gehen muss«, schrieb Marcus, die seit 1984 für die Zeitung gearbeitet hatte, in ihrem Kündigungsschreiben, das von der New York Times veröffentlicht wurde.
Marcus, die während ihrer Karriere in den Nachrichten- und Meinungsredaktionen tätig war, sei »ein Fundament der Post und verkörpert die Geschichte des Hauses sowie das Talent und die Leistungen seiner Journalisten«, kommentierte Paul Farhi, ein ehemaliger Post-Medienredakteur, die Kündigung gegenüber AP. Ein Sprecher der Post wiegelte ab: »Wir sind dankbar für Ruths bedeutende Beiträge in den letzten 40 Jahren. Wir respektieren ihre Entscheidung zu gehen und wünschen ihr alles Gute.«
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Mati Milstein/IMAGO/NurPhoto18.12.2024
Send in the Clowns
- Hollie Adams/REUTERS26.10.2024
Gemacht, nicht passiert
- Rachel Wisniewski/REUTERS23.10.2024
Musks Millionen