Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 14.03.2025, Seite 16 / Sport
Boxen

Ein Limit höher

Profidebüt: Die deutsche Meisterin im olympischen Boxen Leonie Müller-Ayee betritt sportliches Neuland
Von Oliver Rast
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Finalistinnen unter sich: Erstplazierte Leonie Müller Ayee (r.) und Unterlegene Matilde Watson (Boras, 2.2.2025)

Licht aus, Spot an – für Leonie Müller-Ayee. Die 25jährige Superweltergewichtlerin (bis 70 Kilogramm) wird eine neue Bühne betreten, den Schauplatz Profiboxen. Ein Debüt in der Böllenfalltorhalle im südhessischen Darmstadt, ihrer Wahlheimat. Angesetzt auf vier Runden à zwei Minuten, veranstaltet von der »3B Promotions – Bugge Bunn Boxing«, Müller-Ayees Boxstall.

Nein, nervös sei sie nicht, erzählt die dreimalige deutsche Meisterin im olympischen Boxen von der TG Darmstadt 1875 im jW-Gespräch. Die Vorbereitungen liefen glatt, »es passt alles, es steht alles«. Also, es könne losgehen. Gegen wen? Gegen die in Rom lebende Peruanerin Rosa Maria Acosta Carrion. Die 40jährige Athletin hat bereits Profierfahrung, kann über die Runden gehen, ist zäh. Dennoch – ein wirklicher Gradmesser dürfte die Auftaktgegnerin mit ihren fünf Niederlagen in sechs Fights nicht sein.

Soll es auch nicht. »Wir bauen Leonie behutsam auf«, betont Trainer Eugen Rempel gegenüber jW. Der Kampf am Sonnabend sei der Einstieg, der Start. Nicht mehr, nicht weniger. Und vor allem solle eine potentielle Profikarriere parallel zum olympischen Programm laufen. Letzteres stehe weiterhin im Fokus. Besonders mit Blick auf die Weltmeisterschaft im September im englischen Liverpool, für die Müller-Ayee bereits vom Deutschen Boxsportverband (DBV) nominiert worden sei.

Olympisches Amateur- und Profiboxen, geht das zusammen? Ja, seit ein paar Jahren. Die Grenzen sind fließend geworden. Athletinnen und Athleten können gewissermaßen switchen, sich in beiden Boxwelten ausprobieren, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Ein Profiintermezzo muss aber vom DBV genehmigt werden, so steht es in den Wettkampfbestimmungen.

Begonnen hat Müller-Ayee vor 15 Jahren, mit elf. Damals noch im schwäbischen Esslingen unter ihrem ersten Trainer Erik Fuhrmann, einem früheren deutschen Vizemeister im Schwergewicht und mehrfachen württembergischen Meister. Die ehrgeizige Juniorin holte Titel um Titel, war schon als 13jährige in der Nationalmannschaft, mit 15 Vizeeuropameisterin. Klar, keine Laufbahn ohne Knick. Müller-Ayee verpasste die Olympiateilnahme im vergangenen Jahr in Paris, konnte sich nicht qualifizieren. Ein Rückschlag, aber kein Niederschlag. Sie rappelte sich rasch wieder auf, kam zurück. Und wie.

Etwa bei der Deutschen Meisterschaft (DM) der Elite im November in Halle (Saale). »Ich bin extra ein Limit höher gegangen, vom Welter- zum Superwelter- beziehungsweise Halbmittelgewicht.« Weshalb? »Um in der Gewichtsklasse mehr Kämpfe in einem besseren Klassement zu haben.« Sie messe sich halt gern mit Kontrahentinnen auch gewichtsmäßig eine Etage höher. Kein Problem, denn sie wisse um ihre boxerische Stärke im nationalen Vergleich. Mehr noch, hier könne sie einiges an Techniken, Taktiken einstudieren – für größere Aufgaben auf internationalem Parkett. Und so war es in Halle auch: In den drei Kämpfen bis Gold konnte Müller-Ayee alle Runden für sich entscheiden, drei glatte 5:0-Siege. Im Finale gegen die gebürtige Ukrainerin Tetjana Petrowitsch, die ihren letzten Kampf bestritt. Für die Championesse, die zudem als beste Boxerin der DM seitens des DBV ausgezeichnet worden war, war es eine Genugtuung. Sie weiß, an ihr kommt keine Gegnerin vorbei, hierzulande ist sie die Beste. Ferner ein Motivationsschub, bei einem weiteren olympischen Zyklus, den Sommerspielen 2028 in Los Angeles, dabei zu sein, ins Seilgeviert unter den fünf Ringen zu klettern.

Die Sportsoldatin setzte jüngst wiederholt Ausrufezeichen: Anfang Februar kämpfte Müller-Ayee beim »Golden Girl Cup« in der südschwedischen Stadt Boras. Erstklassig besetzt, das größte, prestigeträchtigste olympische Boxturnier für Mädchen und Frauen. Drei Fights, drei Triumphe – ergo: oberster Platz auf dem Treppchen. Ferner zwei Pokale für die beste Technikerin und den besten Kampf des Turniers. Müller-Ayee selbstbewusst: »Da habe ich gut abgeräumt.«

Fraglos. Nur, was fehlt für den Sprung an die absolute Weltspitze? Nicht viel. »Leonie hat keine Schwächen, sie schwächelt nicht, macht immer weiter«, so Trainer Rempel. Okay, in manchen sportlichen Bereichen habe sie ihr Potential noch nicht ausgereizt. »Aber«, bemerkt der Übungsleiter, »wir werden besser und besser«. Mit Mittelmäßigkeit wollten sie sich nicht zufriedengeben. Die Marschroute: Griff nach den Sternen. Nicht sofort, Schritt für Schritt. Einer davon: Müller-Ayees Debüt auf neuem Terrain, bei den Profis.

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