Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 15.03.2025, Seite 8 / Ansichten

Unerwartete Chance

EU-Südafrika-Gipfel
Von Jörg Kronauer
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Plötzlich Freunde: EU-Chefin von der Leyen beim Empfang durch Südafrikas Präsidenten Ramaphosa (Kapstadt, 13.3.2025)

Was wäre die EU, wenn es Donald Trump nicht gäbe! Da stellt der Staatenbund seit Jahren fest, dass China auf dem afrikanischen Kontinent beträchtlich an Einfluss gewinnt, und nicht nur das: Auch Indien und sogar – horribile dictu! – Russland bauen erfolgreich ihre Kooperation mit einer wachsenden Zahl afrikanischer Länder aus. Und die EU? Ihre Mitgliedstaaten, die alten Kolonialmächte, haben ihre einstige Dominanz in Afrika südlich der Sahara längst verloren. Ihre Streitkräfte werden hinausgeworfen wie zuletzt im Sahel; ihre Unternehmen geraten ins Hintertreffen gegenüber der asiatischen Konkurrenz. Ihr wichtigster Wirtschaftspartner in Subsahara-Afrika, Südafrika, tut sich mit Brasilien, Russland, Indien und China zusammen, opponiert mit den BRICS offen gegen die Vormacht der alten transatlantischen Mächte. Und die zahlreichen Initiativen, die die EU und ihre Mitgliedstaaten gestartet haben, um sich auf dem afrikanischen Kontinent zu konsolidieren? Sie verpuffen, sie platzen wie ein zu stark aufgeblasener Luftballon.

Nun beraumt die EU in der trüben Hoffnung, vielleicht doch noch irgendwie irgendwas in Afrika auf die Reihe zu kriegen, ihr erstes Gipfeltreffen mit Südafrika seit sieben Jahren an – und was geschieht? Donald Trump schlägt zu. Erst behauptet er, in Südafrika würden weiße Landbesitzer entschädigungslos enteignet und verfolgt, und bietet ihnen politisches Asyl an. Dann erklärt er, weil Pretoria Israel beim Internationalen Gerichtshof des Genozids angeklagt habe, müsse Washington jetzt Südafrika bestrafen; er streicht dem Land jegliche Unterstützung. Südafrika hat dieses Jahr den Vorsitz bei den G20 inne und richtet deren Zusammenkünfte aus? Pah, dann boykottiert man die G20-Treffen eben. Wie hat der Mann, den die USA sich als Staatschef leisten, die Länder Afrikas doch gleich in seiner ersten Amtszeit genannt? Genau, »shithole countries«. So behandelt er sie auch.

Und damit verschafft er der EU unerwartete Chancen. Die Streichung der US-Unterstützung hat klaffende Löcher beispielsweise in die südafrikanischen Programme zum Kampf gegen AIDS gerissen. Trump hat darüber hinaus Gelder gekappt, die sein Amtsvorgänger einst zugesagt hatte, um Südafrikas Wechsel von der Kohle zu erneuerbarer Energie zu fördern. Die Chance hat sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht entgehen lassen und auf dem EU-Südafrika-Gipfel am Donnerstag prompt zugesagt, selbstverständlich werde die EU einspringen, die Förderung übernehmen, auch sonst enger kooperieren. Sei man denn nicht etwa, ganz im Unterschied zu – na, man weiß schon – ein stabiler, verlässlicher Partner? Na also. Südafrika wiederum, dem die Trump-Administration tatsächlich Schaden zufügt, hat keine andere Wahl, als es – neben der Kooperation mit den anderen BRICS-Staaten, versteht sich – nun eben mit der EU zu versuchen. Für diese ist der Umgang von Donald Trump mit den Ländern Afrikas eine unerwartete Chance.

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