Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 15.03.2025, Seite 8 / Ansichten

Sorgenkind des Tages: Deutsche Arbeiterklasse

Von Felix Bartels
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Can we fix it? Yes, we can!

»Du musst doch nicht machen, was du willst. Mach doch einfach, was ich will«, bringt Dietmar Dath den bourgeoisen Katechismus in die Formel. In der Tat ist das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital nicht nur auf der materiellen Ebene paradox, sondern auch auf der ideellen. Einerseits muss der Arbeitende dankbar sein für den Acht-Stunden-Tag und dafür, dass der Arbeitgeber ihn ernährt. Er ist Arbeitnehmer, erhält also eine Art Geschenk. Gestreikt wird Sonntag, die Lieferkette darf nicht brechen.

Zum anderen erwartet Kapital mehr als Arbeit. Lohnarbeiter ist, wer nicht Arbeit, sondern Fähigkeit zur Arbeit verkauft. Sein Können also in den Dienst eines Anderen stellt. Hieraus, meint man, wächst das Recht des Arbeiters, sich dem Käufer der Arbeitskraft nicht anheimzugeben. Es ist ja nicht seine Sache, für die er arbeitet. Irgendwann kam die Idee auf, materielle Unterwerfung qua Lohnverhältnis bleibe unvollständig, wenn sie nicht auch geistig vollzogen wird. Der Arbeiter sollte die Sache des Besitzenden als seine betrachten: Verantwortung übernehmen, Corporate Identity auswendig lernen, sich emotional ans Unternehmen binden. Menschlichkeit um der Profitrate willen. In der Psychologie spricht man von transaktionaler Beziehung.

Nur wollen die Ratten nicht immer wie der Mann mit der Flöte. Am Donnerstag veröffentlichte Gallup seinen aktuellen »Engagement Index«. Demnach fühlen nur noch neun Prozent der Befragten in Deutschland eine stärkere Bindung zu ihrer Firma. Ein historischer Tiefstand, sorgt sich das Institut. »Das heißt, dass fast zwei Millionen weniger Arbeitnehmende als im Vorjahr mit Hand, Herz und Verstand bei der Sache waren.« Der volkswirtschaftliche Schaden durch »innere Kündigungen« liege zwischen 113 und 135 Milliarden Euro.

Da es bis zum Volkstrauertag noch etwas hin ist, lassen wir das mal so stehen.

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