Tod nach Verhör
Von Reinhard Lauterbach
Für die polnische Rechte ist sie »das erste Todesopfer des Tusk-Regimes«: die frühere Büroleiterin von PiS-Chef Jarosław Kaczyński, Barbara Skrzypek. Die 65jährige starb am Sonnabend, drei Tage nachdem sie bei der Staatsanwaltschaft zu der im öffentlichen Gedächtnis schon halb vergessenen »Büroturmaffäre« hatte aussagen müssen. Dabei ging es um Pläne der PiS, sich durch den Bau eines Büroturms in Warschau eine dauerhafte Einnahmequelle unabhängig von staatlichen Subventionen zu verschaffen, um nicht gezahlte Honorare für Planungsarbeiten bei dieser Investition und um einen Umschlag voller Schmiergeld für einen Priester, von dem eine Unterschrift erforderlich war. Kaczyńskis damalige Büroleiterin war dabei sicherlich mehr als der Vorzimmerdrachen, als den sie eine während der ersten Amtszeit der PiS-Regierung beliebte Fernsehserie darstellte: Sie zeichnete zwei Anteile an der Projektgesellschaft – eine finanziell unbedeutende Beteiligung für ihre Mitwisserschaft.
Mit dem Tod von »Frau Bärbel«, wie Skrzypek seitdem genannt wurde, bekommt die ganze Politik der »Aufarbeitung der PiS-Zeit« unter der jetzigen polnischen Regierung ein Gesicht. Denn wie es politischer Wille oder der Zufall der Geschäftsverteilung im Warschauer Bezirksgericht wollten, war die Staatsanwältin Ewa Wrzosek, die die fünfstündige Vernehmung vornahm, selbst ein Opfer der Personalrochaden unter der PiS-Regierung. Sie war damals als Maßregelung wegen ihres PiS-kritischen öffentlichen Engagements in die Provinz strafversetzt worden. Nach Angaben der PiS hatte Wrzosek der Vernommenen verweigert, einen Anwalt ihrer Wahl herbeizuziehen. Der Warschauer Staranwalt Jacek Dubois, der bei der Vernehmung zugegen war, widersprach jedoch allen Vermutungen, die Staatsanwältin habe Skrzypek bewusst »hart herangenommen« – im Gegenteil, sie sei angesichts der Weigerung der Zeugin, inhaltliche Aussagen zu machen, geradezu »ein Ausbund an Höflichkeit« gewesen.
Unabhängig von der noch kochenden Aufregung um den Tod der Kaczyński-Vertrauten zeigt der Vorfall, dass die Mühlen der polnischen Justiz anderthalb Jahre nach dem Regierungswechsel allmählich zu mahlen beginnen. Gerade ist der Abgeordnete Dariusz Matecki von der Partei »Souveränes Polen« wegen des Verdachts der Geldwäsche und Untreue für zwei Monate in Untersuchungshaft gewandert. Er soll dabei mitgewirkt haben, Ausschreibungen für Zuwendungen des Justizministeriums von Exminister Zbigniew Ziobro so manipuliert zu haben, dass politisch erwünschte Vereine und Stiftungen mit öffentlichen Zuschüssen in Millionenhöhe versorgt wurden. Sein damaliger Vorgesetzter im Ministerium, Marcin Romanowski, hatte sich angesichts ähnlicher Vorwürfe im Dezember nach Ungarn abgesetzt und dort politisches Asyl beantragt. Ein ebenfalls in den Zuwendungsskandal verwickelter Priester namens Michał Olszewski hatte im Herbst mehrere Monate in Untersuchungshaft gesessen, bevor er auf Kaution freikam. Die Kaution für ihn hatten PiS-Prominente in einer mehr oder minder spontanen Sammlung aufgebracht; gerüchteweise hieß es, in Wahrheit habe der Orden, dem der Geistliche angehört, die Summe bezahlt. Exminister Ziobro hat sich der Verantwortung bisher mit Rücksicht auf seine angeblich angegriffene Gesundheit entziehen können. Was die polnische Justiz nicht hindert, die Leitungsebene des Ministeriums inzwischen als kriminelle Vereinigung einzustufen.
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