Dein roter Faden in wirren Zeiten
Gegründet 1947 Dienstag, 18. März 2025, Nr. 65
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Dein roter Faden in wirren Zeiten Dein roter Faden in wirren Zeiten
Dein roter Faden in wirren Zeiten
Aus: Ausgabe vom 18.03.2025, Seite 1 / Titel
Grundgesetzänderungen

Nein zu Kriegskrediten!

An diesem Dienstag entscheidet der abgewählte Bundestag über ein Billionen-Euro-Rüstungsprogramm
Von Arnold Schölzel
01_grau.jpg
Ausschnitt aus einem Plakat der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aus dem Jahr 1919

Das Datum 18. März 2025 dürfte in die Geschichtsbücher eingehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der am 23. Februar abgewählte Bundestag mit der Zweidrittelmehrheit von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen Grundgesetzänderungen beschließen, die das größte Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik in Gang setzen. Das ist vergleichbar mit den Reichstagsabstimmungen über die Kriegskredite für den vom deutschen Imperialismus entfesselten Ersten Weltkrieg. Der Unterschied: Der jetzt geplante Umfang sprengt alle bisherigen Dimensionen. 1914 ging es um zunächst fünf Milliarden Reichsmark, jetzt nannte das Handelsblatt die (vorläufige) Summe von 1,7 Billionen Euro.

Der Militäretat soll keine Grenzen kennen. Verborgen wird diese »Lösung der Fesseln« (Lars Klingbeil, SPD) hinter der Formel, dass die sogenannte Schuldenbremse für Rüstungsausgaben, die mehr als ein Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts betragen, ausgesetzt wird. Die drei beteiligten Fraktionen und fast alle Medien verschweigen, um welche Summen es geht.

Die zwei weiteren Verfassungsänderungen – Einrichtung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur sowie Ausnahmen von der Schuldenbremse für die Bundesländer – sind Anhängsel der Hochrüstungspläne. Um die geht es. Die Bundesrepublik tritt mit ihnen in eine Phase nicht nur erklärter, sondern praktizierter Kriegsvorbereitung ein. Die Quantität der Vorhaben schlägt um in eine neue Qualität des Militarismus. Der »erweiterte Sicherheitsbegriff«, den Bündnis 90/Die Grünen in den zur Abstimmung stehenden Gesetzesvorlagen verankert haben, nimmt vorweg: Militär und Repressionsapparat werden in der deutschen Gesellschaft eine noch größere Rolle spielen als bisher. Die Welle an Russophobie, die seit mehr als zehn Jahren durchs Land rollt, nahm die ideologische Zurichtung durch »kognitive Kriegführung« gegen die eigene Bevölkerung vorweg.

Ob es sich beim Verzicht auf die Einberufung des neuen Bundestages um einen Verfassungsputsch handelt oder nicht, ist fast Nebensache. Die Eile, mit der die Billionen-Euro-Rüstung durchgepeitscht wird, ist symptomatisch: Das Grundgesetz wird reaktionär umgebogen.

Karl Liebknecht war am 2. Dezember 1914 der einzige SPD-Abgeordnete, der gegen die Kriegskredite stimmte. Heutige Gegner aus den drei beteiligten Fraktionen berufen sich nicht auf Friedens-, sondern auf Fiskalpolitik. Auch das bringt Krieg näher.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow (18. März 2025 um 17:10 Uhr)
    Der Bundestag hat mit deutlicher Mehrheit die Grundgesetzänderung XXL-Schulden beschlossen. Friedrich Merz, der unbedingt Kanzler werden will, hat bei seinem Wahlversprechen, nicht die Schuldenbremse zu verändern, gelogen. Fazit: fast eine Billion Euro neue Schulden für die Rüstung, Infrastruktur und Klimaschutz. Die Aktienkurse der Rüstungsindustrie sind gleich angestiegen. Bei Rheinmetall mehr als 12 Punkte. Die Hoffnung, dass die Grundgesetzänderung im Bundesrat kommenden Freitag scheitert, ist gering.
  • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (18. März 2025 um 15:41 Uhr)
    Nicht nur eine Antwort auf den Leserbrief von Onlineabonnent H.-J. R. aus Berlin vom 18. März 2025, um 12:08 Uhr: ► Wie ist es möglich, dass 2,4 Millionen Mitglieder der SED ihre ideologischen Waffen streckten und alle staatlichen Institutionen dem westdeutschen und insgesamt dem westlichen Imperialismus zum Fraß vorwarfen? In einem Interview mit dem Herausgeber der Wochenzeitung »Freitag«, Jakob Augstein, sprach Egon Krenz von vormals 2,4 Millionen Mitgliedern der SED. Die Mitglieder der SED stellten jeweils die Mehrheit in allen Institutionen der staatlichen Sicherheit und der in Folge zunehmenden Auflösung des Staates, dem »Schild und Schwert«, dem zuletzt umbenannten MfS. In den vorgeblichen »Kampfgruppen« der Arbeiterklasse (zuletzt 200.000 Angehörige), in der NVA (von 150.000 auf 42.000 bei der nächtlichen Übernahme der geistig-ideologischen Uniform in die imperialistische westdeutsche Bundeswehr), bei der Volkspolizei und unter den maßgeblichen 50.000 Funktionären des FDGB, bei mehr als 11 Millionen Gewerkschaftsmitgliedern 1989/1990. ► Nachtrag und zugleich Anmerkung: Ein auch weiterhin lesenswertes Interview/Gespräch mit Inge Viett in der jungen Welt, Nr. 229, vom Oktober 2015, unter dem Titel: »Ich musste lernen, dass Kämpfen hier ganz anders aussah«. PS: Wie man ihren Ausführungen letztlich doch noch entnehmen kann: Diesen Kampf hat es nicht gegeben. Es ist seit dem Ende der Weimarer Republik 1933 bis in die heutige Gegenwart nicht mehr gelungen, eine kampffähige Arbeiterklasse mit Klassenbewusstsein auszurüsten und einen wirksamen Klassenkampf zu führen. Auch den wenigen Kommunisten in der Massenpartei der SED war es nicht gelungen, ein wirksam kämpfendes Klassenbewusstsein in der zunehmend verstorbenen DDR zu vermitteln und wirksam werden zu lassen.
  • Leserbrief von Reinhard Kalinke aus Bämsen (18. März 2025 um 14:15 Uhr)
    Noch ein Aspekt: Im Grunde leben wir seit 2008ff in einem permanenten finanztechnisch induziertem Ausnahmezustand, der immer neue Geldspritzen in multipler Milliardenhöhe erfordert. In letzter Zeit wieder verstärkt via Covid-19 und aktuell Putin-22. Die beständig zunehmende Repression ist eigentlich nur ein Kollateralschaden der Anstrengung, die zum Ponzi-Schema mutierte Finanzwirtschaft in der Luft zu halten. Da man es aber auf Dauer nicht so direkt machen kann wie 2008ff, muss man immer neue vermeintliche Notstände als Vorwand konstruieren. Die völlig unproduktive Anschaffung von nutzlosem Zeug bei großen Konzernen gewährleistet am besten, dass das Geld schnellstmöglich da landet, wo es hin soll – im Finanzsektor bei Blackrock, Goldman & Co.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in H.-J. R. aus Berlin (18. März 2025 um 12:08 Uhr)
    Die Geschichtsträchtigkeit des 18ten März birgt die Logik des systemimmanenten Verrats an der bürgerlichen Revolution von 1848. Bereits damals aber kam es zum Kuhhandel mit dem Adel. 142 Jahre später findet sich in der Torheit der DDR-Bürger für die Kaschierung der Konterrevolution vom 18. März 1990 mit der symbolischen Abwahl des Sozialismus ein weiterer Markstolperstein auf dem Weg zum Krieg. Genau 35 Jahre später bestätigt der Imperialismus die Logik aus der historisch fatalistischen Dummheit von 1990, Fortführung der »Epoche der schwärzesten Reaktion« (Stalin, 1926), hin zur möglichen Apokalypse eines dritten Weltkrieges.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (18. März 2025 um 10:07 Uhr)
    Mit Kanonen aus der Krise? Deutschlands Fiskalregeln wanken. Die Frage ist nicht mehr, ob sie gelockert werden – sondern wofür! Soll der finanzielle Spielraum allein für eine beispiellose militärische Aufrüstung genutzt werden? Oder endlich für Bildung, Infrastruktur und nachhaltige Entwicklung? Es wäre ein fataler Fehler, Milliarden in Waffen zu stecken, während Investitionen in Bildung, Forschung und soziale Infrastruktur weiterhin unter Finanzvorbehalt stehen. Eine Rakete, die gezündet wird, zerstört nicht nur ihr Ziel, sondern auch das Geld, das für ihre Anschaffung ausgegeben wurde. Ihr Nutzen für die Zukunft? Null. Ganz anders sieht es bei Investitionen in Kindergärten, Schulen und Hochschulen aus: Eine Lehrkraft, die Kinder unterrichtet, schafft langfristige Perspektiven – für die Lernenden selbst und für die Gesellschaft, die von ihrer Ausbildung profitiert. Ähnliches gilt für Infrastrukturprojekte: Ein neu gebautes Bahnnetz dient Generationen, fördert die Wirtschaft. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass jeder in Bildung, Forschung und Infrastruktur investierte Euro ein Vielfaches an wirtschaftlichem Nutzen generiert. Eine Volkswirtschaft, die auf Wissen, Innovation und Nachhaltigkeit setzt, bleibt wettbewerbsfähig – während ein aufgerüsteter Staat sich zunehmend in Konfrontationen verstrickt. Die Weichenstellung ist klar: Wollen wir in eine Zukunft investieren, die Fortschritt und Wohlstand schafft? Oder in ein Milliardenloch, das mit Rüstung gefüllt wird? Deutschlands Entscheidungsträger stehen an einem historischen Scheideweg.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Beate Z. aus Nürnberg (18. März 2025 um 17:10 Uhr)
      Aber welch eine Kehrtwendung in den Medien! War noch bis vor kurzem das Narrativ »Wir dürfen nicht das Geld der kommenden Generationen verschwenden« herrschend, wenn es um Sozialausgaben oder Infrastrukturinvestitionen ging, jetzt ist angesagt »Durch Schuldenaufnahme wird die Wirtschaft einen ungeahnten Aufschwung erleben!« Keynes war böseböse, etwas anderes ist es natürlich mit dem Rüstungskeynesianismus. Das ist so offensichtlich, dass doch hoffentlich einige Augen sich öffnen werden.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (18. März 2025 um 03:07 Uhr)
    Der 18. März hat das Zeug dazu – ähnlich wie der 9. November – ein Schicksalstag in der deutschen Geschichte zu werden, an dem zuvor angebahnte Prozesse in eine neue Qualität umschlugen. Am 18. März 1990 warf sich die Mehrheit der DDR-Bevölkerung in Wahlen eben den Parteien an den Hals, welche nun dieses Monster eines Rüstungsprogramms gegen Russland beschließen werden. Es war ein gigantisches Täuschungsmanöver, angetrieben von riesiger, umfangreich finanzierter Wahleinmischung der BRD in den Wahlkampf der DDR. Das Bündnis 90 bzw. Die Grünen flöteten »Schwerter zu Flugscharen«, Kohl und seine CDU tönten: »Keinem wird es schlechter gehen«, Genschers FDP versprach hoch und heilig, dass sich die NATO keinen Fußbreit nach Osten ausdehnen würde, nationale Sprüche wie »Wir sind ein Volk« und ein Fahnenmeer schwarz-rot-goldener Fahnen galt unter den Westparteien noch nicht als rechtslastig, war sogar erwünscht und Mittel zum Zweck. Selbst allgemeine Russland-Sympathie war in Mode, all die Gorbi-Gorbi-Rufe und netten Besuche in Strickjacke im Kaukasus. Dieses an Falschheit nicht zu überbietende Theater währte so lange, wie Russland seine verbliebenen Ressourcen in der Jelzin-Ära zu Spottpreisen dem Westen auslieferte, seine Industrie und Verteidigung willig selbst kastrierte, vom Westen auf Kredit das kaufte, was es früher selbst produziert hatte und politisch – angefangen vom UNO Sicherheitsrat – dem Westen keinerlei Widerstand und eigene Interessen entgegensetzte. Na, wenn sie so willig waren, die netten Russen, dann genügte unsererseits ja tatsächlich die sanfte Tour. Erst als Putin (nunmehr ein Verbrecher) in München 2008 verlangte, dass auch die Interessen des größten Landes der Welt gleichberechtigt Beachtung finden müssen, zog der Westen die Samthandschuhe aus. »Die Welle an Russophobie, die seit mehr als zehn Jahren durchs Land rollt, nahm die ideologische Zurichtung durch ›kognitive Kriegführung‹ gegen die eigene Bevölkerung vorweg.«
    • Leserbrief von Wieland König aus Neustadt in Holstein (18. März 2025 um 12:49 Uhr)
      Der beste Kommentar seit langem. Danke, Herr Buttkewitz. Die Argumente sind eins zu eins stimmig (vermutlich, wie ich auch, selbst erlebt und über sich ergehen lassen) und die Herleitungen sind so klar selten ausgesprochen worden. Leider ist diese Klarheit oft weder in anderen Kommentaren noch manchmal auch in den Artikeln der jungen Welt erkennbar. Aber es muss gesagt werden, sonst geht hinterher wieder das Geheule los »Das haben wir doch nicht gewusst«, »Keiner hat uns was gesagt« und »So wollten wir das aber nicht«. Aber bei den Reaktionen der deutschen Mehrheit befürchte ich das. Man demonstriert gegen rechts und verkennt, dass das schlimmste »Rechts« jetzt in unserer gewählten Regierung steht.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (18. März 2025 um 00:43 Uhr)
    Zuweilen geschehen doch noch kleine Wunder. Und ein solches ist für die heutige Abstimmung nicht gänzlich auszuschließen. Aus welchem Grunde nämlich sollte ein ausscheidender Parlamentarier diesem Billionen-Wahnsinn noch zustimmen, obwohl er doch davon keinerlei persönlichen Nutzen mehr haben wird und seine Kinder und Enkel dadurch nur unnötig und für ihr ganzes Leben lang extrem belasten würde? Außerdem ist das für den ein oder anderen ausscheidenden Abgeordneten ggf. die letzte Gelegenheit, völlig unentdeckt und im Stillen noch persönlich Revanche zu üben für evtl. noch offene Rechnungen; denn kaum etwas ist nachhaltiger als eine Kränkung und nichts ist motivierender als Rache. Also seien wir optimistisch - trotz alledem!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas W. aus Sangerhausen (17. März 2025 um 23:07 Uhr)
    Und so hatte alles in dieser, nicht unserer Republik, angefangen: »Diesen Zusammenhang zwischen Militarisierung, Wehrpflicht und KPD-Prozess sehen, heißt zugleich verstehen, dass der Antrag der Adenauer-Regierung und ihr Drängen nach einem Verbotsurteil gegen die KPD mit Recht, Gesetz und Verfassung völlig unvereinbar sind. Niemals kam es der Adenauer-Regierung, die sich stets über die Grundrechte der Verfassung hinwegsetzt, wo es um ihre militaristischen Pläne geht, auf den Schutz der Verfassung an. Immer ging es ihr einzig und allein um die Ausschaltung der KPD als der Partei, die am entschiedensten gegen Militarismus und Wehrpflicht, für den Schutz der Jugend, um die Rechte und Freiheiten des Volkes, für die Wiedervereinigung Deutschlands als friedlicher, demokratischer Staat eintritt.« Auszug aus einem Artikel des ND vom 10. August 1956.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • »Vereint«: Wahlplakat für SPD-Spitzenkandidat und Ersten Bürgerm...
    25.02.2025

    Endspurt mit Rückenwind

    Hamburg: Senatspartei SPD sowie CDU und Die Linke sehen sich durch Ergebnis der Bundestagswahl bestärkt. Bürgerschaftswahl am Sonntag
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) am Montag beim ukrainischen Präsi...
    03.12.2024

    Wahlkampf mit »Taurus«

    CDU kritisiert Ukraine-Reise von Scholz. Grüne nähern sich Union an. CSU erteilt »schwarz-grün« Absage
  • Grünen-Vorsitzender Robert Habeck während einer Pressekonferenz ...
    19.12.2020

    Grüne schlagen Haken

    Debatte über bewaffnete Drohnen geht weiter. Habeck zeigt Verständnis für SPD-Bundestagsfraktion. Kritik von links