Endspurt mit Rückenwind
Von Marc Bebenroth
Neben der Aussicht, als Mehrheitsbeschaffer der Unionsparteien an einigen Regierungsposten festhalten zu dürfen, gab es am Montag nach der Bundestagswahl für die Sozialdemokraten einen weiteren Grund zur Freude: In der ehemaligen Wirkungsstätte ihres Nochbundeskanzlers Olaf Scholz (Cum-Ex-Steuerraubskandal und »Brechmittel«-Affäre) ist die SPD, die in Hamburg mit Bündnis 90/Die Grünen als Juniorpartner den Senat stellt, aus der Abstimmung vom Sonntag als stärkste Kraft hervorgegangen. 22,7 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen bedeuten allerdings auch einen Verlust von sieben Prozentpunkten gegenüber 2021.
Die CDU dagegen darf nicht nur über den Wahlsieg von Friedrich Merz jubeln, auch an der Alster konnte sie um 5,3 Prozentpunkte bei den Zweitstimmen zulegen. »Diesen Rückenwind nehmen wir jetzt mit in die letzte Woche des Wahlkampfes für die Bürgerschaftswahl«, freute sich der Landesvorsitzende Dennis Thering am Montag gegenüber dpa. Die jüngste Wahlumfrage, deren Ergebnisse am 20. Februar veröffentlicht worden waren, sieht die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher bei 32 Prozent, die Grünen bei 18,4 und die CDU bei 17,4 Prozent.
Guter Dinge zeigte sich auch der Linke-Landesverband. Laut Umfrageergebnis von vergangener Woche könnte die Linkspartei bei der Bürgerschaftswahl zwischen neun oder zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Diesen Wert übertraf sie am Sonntag deutlich. 14,4 Prozent der Wahlberechtigten dort machten ihr Kreuz bei der Liste der Linkspartei, die der Bundesvorsitzende Jan van Aken anführte. »Wir sind fest entschlossen, nächsten Sonntag zu liefern«, sagte die Landesvorsitzende Sabine Ritter. Neben van Aken kann auch Cansu Özdemir für die Partei in den Bundestag einziehen, wie der Landesverband am Montag mitteilte. »Das kam für mich gestern Abend wirklich überraschend – da konnte niemand mit rechnen«, wird Özdemir zitiert. Die Linke Hamburg sei für die Bürgerschaftswahl »hervorragend aufgestellt«, erklärte die Kospitzenkandidatin.
Anhand des Wahlprogramms fokussiert sich der Landesverband inhaltlich auf die Klassenunterschiede in der Hansestadt. Diese habe die »bundesweit höchste« Millionärsdichte und die »höchsten Steuereinnahmen pro Kopf«, während fast 20 Prozent der Bevölkerung »von Armut bedroht« sei. Auch die hohen Mieten, die »einen immer höheren Anteil unseres Einkommens« auffressen, werde man nicht mehr hinnehmen. Die Linke trete an, damit »nicht das Interesse der Konzerne, der Immobilienhaie« und der Spekulanten die Politik in Hamburg bestimme.
Als Hafen- und Universitätsstadt ist Hamburg Teil des militärisch-industriellen Komplexes der BRD. So stehe das »Tor zur Welt« weit offen für Rüstungsexporte, zum Beispiel nach Israel oder in die Ukraine, sowie für die Zusammenarbeit mit Hochschulen aus diesen Regionen, wo militärisch geforscht werde, erklärte Martin Dolzer, fraktionsloses Mitglied der Bürgerschaft, am Montag im Gespräch mit junge Welt. Die beiden Senatsparteien – sowie die CDU – dürften ein großes Interesse daran haben, dass das so bleibt. SPD und Grüne wollen parallel dazu die Städtepartnerschaft mit Kiew vertiefen. »Der russische Angriffskrieg hat dramatische Folgen für die Ukraine und Europa. Deshalb ist es entscheidend, dass wir unseren Beitrag leisten – nicht nur mit akuter Hilfe, sondern auch mit nachhaltigen Projekten für den Wiederaufbau und den Weg der Ukraine in die EU«, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg am Montag gegenüber dpa. SPD und Grüne haben der Bürgerschaft für Mittwoch einen entsprechenden Antrag vorgelegt.
Viel Geld fließt derzeit in das neueste Prestigeprojekt: Die in der Nazizeit reich gewordene Speditionsfamilie Kühne treibt Dolzer zufolge aktuell den Bau einer neuen Oper in Hamburg voran. Von der Stadt sei dafür ein Grundstück im Wert von 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden, »doppelt so viel wie die ganze Elbphilharmonie ursprünglich kosten sollte«, sagte der ehemalige Linke-Politiker gegenüber jW, der jetzt für die von ihm mitbegründete Wählervereinigung »Die Wahl« antritt. Derweil würden von Bezirksämtern Rentenauszahlungen aufgrund der ausgedünnten Personaldecke systematisch verschleppt, Dauerbaustellen ärmere Stadtteile heimsuchen und Wohnungen in diversen Stadtteilen dem Verfall überlassen.
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