Großbäckerei sperrt aus
Von Susanne Knütter
Aussperrung unterminiert das Streikrecht, schafft Übermacht und ist nirgends in Europa erlaubt. So steht es unter anderem im Tariflexikon der IG Metall. Aus Sicht der Gewerkschaften ist das eine unzulässige Kampfmaßnahme der Unternehmen. Aussperrung bedeutet den Ausschluss von der Arbeit aller oder einer größeren Anzahl Beschäftigter eines Betriebes oder einer Branche ohne Lohnfortzahlung. Bundesweit bekannt wurden die Aussperrungen beim Recycling-Unternehmen SRW Metalfloat im sächsischen Espenhain vor gut einem Jahr. Nach 180 Tagen Streik sperrte die Unternehmensleitung die Beschäftigten aus, nachdem die eine Streikpause für weitere Verhandlungen angekündigt hatten. Davor war es das letzte Mal bei den harten Auseinandersetzungen um die 35-Stundenwoche vor gut 40 Jahren zu Aussperrungen gekommen.
Nun hat ein Unternehmen erneut zu dieser direkten Drohung gegriffen. Nach nur zwei Verhandlungsrunden und drei Warnstreiks hat die zu Aryzta gehörende Großbäckerei Hiestand im bayerischen Gerolzhofen 192 von rund 265 Beschäftigten für sieben Schichten (56 Stunden) ausgesperrt. Und das »ohne offiziell angekündigtem Warnstreik!«, kritisierte die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten am 14. März bei Facebook.
In der BRD sind Aussperrungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Das Bundesarbeitsgericht schränkte die Praxis dahingehend ein, dass Unternehmen »nur zur Abwehr und zur Wiederherstellung eines durch die gewählte Streiktaktik möglicherweise gestörten Kampfgleichgewichts« aussperren dürfen, höchstens aber 25 Prozent der Beschäftigten eines umkämpften Tarifgebiets zusätzlich zu den tatsächlich Streikenden. Bei Hiestand hatte der letzte Warnstreik vor der Aussperrung am 12. März zwischen 12.30 und 22.30 Uhr stattgefunden, wie die Main Post berichtete. Mehr als 70 Beschäftigte aus der Spätschicht hatten sich daran beteiligt.
Für NGG-Sekretär Ibrahim Ocak ist klar, dass weder er noch die Beschäftigten sich das bieten lassen werden. Die Aussperrung habe keine Einschüchterung bewirkt, im Gegenteil. Die Kolleginnen und Kollegen hätten ihn bereits aufgefordert, weitere Aktivitäten zu entwickeln. Der einzige Grund, warum diese Woche keine Aktionen stattfinden, sei, dass die Maschinen derzeit überholt werden. Für kommenden Montag ist bereits eine weitere Verhandlungsrunde angesetzt. Aber klar ist, legt das Unternehmen dann kein vernünftiges Angebot vor, wird der Kampf ausgeweitet, von spontanen Aktionen bis unbefristeten Streik – alles ist denkbar, so Ocak gegenüber jW am Dienstag.
Die NGG fordert 8,5 Prozent mehr Lohn, mindestens jedoch 285 Euro mehr für zwölf Monate. Hiestand/Aryzta bot 2,5 Prozent mehr (83,83 Euro brutto) und eine Einmalzahlung von 156 Euro. Dabei liegt der Ecklohn bei Hiestand laut NGG bereits jetzt 347 Euro unter dem in der bayerischen Brotindustrie. Der Gewinn ist dementsprechend. Im letzten Jahr betrug er 8,31 Prozent. Der Umsatz wurde von der Tarifkommission mit 94,451 Millionen Euro beziffert. Auch für 2025 deutet sich laut NGG ein weiteres deutliches Wachstum an. Höhere Löhne stehen dem Konzern bei den angepeilten Zielen im Weg. Eine jW-Anfrage ließ Aryzta bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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