Braune Internationale
Von Jörg Kronauer
»Eine hervorragende Rede!« Alice Weidel, Bundessprecherin der Alternative für Deutschland (AfD) und damals noch Kanzlerkandidatin ihrer Partei, teilte am 14. Februar auf der Plattform X ihre Begeisterung über die Rede mit, die US-Vizepräsident J. D. Vance soeben auf der Münchner Sicherheitskonferenz gehalten hatte. Der Multimillionär hatte heftig über die Zustände in der EU gelästert und behauptet, die schlimmste der »drängenden Herausforderungen« der Gegenwart sei weder die grassierende Armut noch die eskalierende Kriegsgefahr, sondern »die Massenmigration«. Dann beklagte er, »Konservative« – tatsächlich ging es um sehr weit rechts stehende Personen – seien in Europa harter Repression ausgesetzt. Die Parteien der extremen Rechten in Europa unmittelbar im Blick, forderte er nun, es dürfe »keinen Platz für Brandmauern« auf dem Kontinent geben. Das hieß: freie Bahn für Regierungsbeteiligungen von Parteien wie der AfD. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, empfing Vance im Anschluss an seine Rede Weidel persönlich zu einem halbstündigen Gespräch.
Vance hat in seiner Münchner Rede die Unterstützung der Trump-Administration für die extreme Rechte in Deutschland und in weiteren europäischen Staaten vor den Augen der globalen Eliten so offen und grob wie nie zuvor zelebriert. Rechte wie Weidel hat er damit in eine regelrechte Euphorie versetzt: ausdrückliche Rückendeckung von der Nummer zwei in den Vereinigten Staaten, und das auch noch in der Schlussphase eines Wahlkampfs – wer sonst bekommt das schon! Für zahlreiche Nichtrechte war die Rede hingegen ein Schock, ein Ereignis, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Dabei sollte man festhalten: Auch wenn die Unterstützung für Europas extreme Rechte in dieser Eindeutigkeit unerwartet kam – neu ist sie nicht. Personen und Organisationen, die US-Präsident Donald Trump politisch einigermaßen nahestehen, sind seit Jahren damit beschäftigt, Beziehungen nach Europa aufzubauen, nach Großbritannien, nach Ungarn, nach Deutschland. Was da entsteht, ist eine neue Form transatlantischer Beziehungen: eine transatlantische extreme Rechte.
Bannons Netzwerk
Den Anfang machte Steve Bannon, und zwar bald, nachdem er im Jahr 2012 die Leitung der US-Onlineplattform Breitbart News übernommen hatte, der, wie er es formulierte, »Plattform für die Alt-Right« (»Alternative Rechte«), eine Strömung der extremen Rechten in den USA. Noch 2012 lud Bannon den damaligen Vorsitzenden der United Kingdom Independence Party (UKIP), Nigel Farage, zu einer Reihe von Treffen mit diversen weiteren US-Rechten nach New York und Washington ein. Beide blieben in Kontakt. 2013 begann Bannon über eine Ausdehnung des Aktionsradius seiner Plattform nachzudenken und tauschte sich mit UKIP-Generalsekretär Matthew Richardson, der für seine Partei die Beziehungen in die Vereinigten Staaten pflegte, über den Plan aus, einen Ableger in Großbritannien zu gründen. Im Februar 2014 gab er bekannt, in Kürze werde Breitbart London die Arbeit aufnehmen; die britische Hauptstadt sei eine neue »Front in unserem gegenwärtigen kulturellen und politischen Krieg«. Und in der Tat: Schon bald begann Breitbart London, die Hetze des US-Portals ins Vereinigte Königreich auszudehnen – und trommelte dabei lautstark für die UKIP und den Austritt Großbritanniens aus der EU.
Man könnte erwähnen, dass Breitbart News vor allem von Robert Mercer finanziert wurde, einem US-Hedgefonds-Manager, der 2016 zum Hauptfinanzier der Wahlkampagne von Donald Trump wurde. Milliardär Mercer unterstützte außerdem seinen langjährigen Freund Farage im Kampf für den Brexit, der schließlich beim Referendum vom 23. Juni 2016 eine Mehrheit fand – ein verhängnisvoller Schlag für die EU. Bannon mochte die Union genausowenig wie Mercer, und das machte so manchem auf dem europäischen Kontinent Sorgen, als Bannon 2016 – Berichten zufolge auf Mercers Empfehlung – erst zu Trumps Wahlkampfmanager, am 20. Januar 2017 dann zum Chefberater des neuen US-Präsidenten aufstieg. »Bannon hasst die EU«, bestätigte im März 2017 einer seiner früheren Breitbart-Kollegen: »Er hält sie vor allem für ein Instrument des Globalismus.« Im Februar 2017 ging Bannon in die Offensive und teilte dem deutschen Botschafter in Washington mit, er betrachte die EU als ein Fehlkonstrukt. Erst kurz zuvor, im November 2016, hatte Breitbart News angekündigt, man sei dabei, Ableger in Deutschland und in Frankreich zu gründen – der nächste Schritt, um den »kulturellen und politischen Krieg« voranzutreiben. Daraus wurde letztlich aber nichts.
Bannon machte sich in Sachen Expansion nach Europa erneut an die Arbeit, nachdem er zunächst, am 18. August 2017, von Trump gefeuert und dann am 9. Januar 2018 schließlich auch von Mercer seines Breitbart-Postens enthoben worden war. Am 1. März 2018 traf er in Rom ein, um kurz vor der italienischen Parlamentswahl am 4. März die Partei Lega von Matteo Salvini zu unterstützen. Am 6. März trat er in Zürich auf einer Veranstaltung der Wochenzeitung Die Weltwoche auf, deren Eigentümer Roger Köppel für die Schweizerische Volkspartei (SVP) im Schweizer Nationalrat saß. Am 10. März hielt er in Lille eine Rede auf dem Parteitag von Marine Le Pens Front National (FN, heute Rassemblement National/RN). In der zweiten Maihälfte war Bannon erneut in Europa unterwegs, trat am 23. Mai etwa auf der Konferenz »The Future of Europe« in Budapest auf, die mit offizieller Unterstützung des ungarischen Außenministeriums abgehalten wurde. Dort traf er zum ersten Mal mit Viktor Orbán zusammen: ein »Trump, bevor es Trump gab«, lobte er. Sehr systematisch knüpfte Bannon seine Netze.
Kurz darauf, am 3. Juni 2018, meldete sich Richard Grenell, seit kaum vier Wochen als US-Botschafter in Berlin amtierend, in einem Interview mit Breitbart London zu Wort. »Ich möchte unbedingt andere Konservative in ganz Europa stärken«, erklärte er: »Ich meine, da setzt sich wegen der verfehlten Politik der Linken eine Grundströmung konservativer Politik fest.« Auf Twitter schrieb er kurz darauf vom Erwachen einer »schweigenden Mehrheit«, die »die Eliten und ihre Blase« ablehne; ihre Galionsfigur sei Donald Trump. Jahre später berichtete Grenell einmal, er bedauere es sehr, dass er in seiner Zeit als Botschafter in Berlin sich nicht mit AfD-Politikern habe treffen dürfen, interne diplomatische Regeln hätten dies nicht zugelassen. Seine Sympathiebekundungen bei Breitbart und auf Twitter wurden jedoch sehr genau wahrgenommen. Treffen konnte er sich aber wenigstens mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), mit dem er damals Freundschaft geschlossen haben soll. Spahn wiederum hatte etwas mehr als ein Jahr zuvor seinen Osterurlaub in den Vereinigten Staaten verbracht und bei dieser Gelegenheit auch Bannon besucht. Er sei begeistert gewesen, berichtete Der Spiegel wenig später.
Bannons Europa-Aktivitäten verdichteten sich, als er sich im Juli 2018 in London aufhielt – parallel zu Trumps damaligem Besuch in Großbritannien. Erneut traf er Führungsfunktionäre der extremen Rechten in Europa, darunter Kent Ekeroth von den Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten) und Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang. Vor allem aber ging er daran, Strukturen zu schaffen. Eine Organisation mit dem Namen »The Movement«, angesiedelt in Brüssel, sollte zu einer Art Denkfabrik werden, die – zunächst mit Blick auf die Europawahl im Mai 2019 – Umfragen durchführen, Analysen erstellen und darauf aufbauend Beratung für Parteien der extremen Rechten anbieten sollte, um sie letztlich zur stärksten Kraft im Europaparlament zu machen. Bannon dachte an eine Art rechtes Gegenmodell zur »Open Society Foundation« von George Soros. Daneben verfolgte er den Plan, in dem mittelalterlichen Kloster Trisulti, rund 100 Kilometer südöstlich von Rom gelegen, eine Akademie aufzubauen, in der künftige Führungsfunktionäre extrem rechter Organisationen ihr Handwerk lernen sollten. Beide Vorhaben scheiterten letztlich – das erste am Unwillen der extremen Rechten Europas, sich von einem US-Amerikaner koordinieren zu lassen; das zweite an Desinteresse und am verärgerten Widerstand der Bevölkerung vor Ort.
Bliebe noch eines: Bannon hatte schon damals auch direkten Kontakt zur AfD aufgenommen. Anfang März 2018 traf er in Zürich die damalige Kovorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel und die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch. »Phantastische Persönlichkeiten«, lobte er anschließend, »so klug«, so »wohlartikuliert« – was soll man auch sagen, wenn man mit dem, was man vorfindet, etwas aufbauen will. Er sei sich sicher, teilte er schließlich noch mit, »dass sie im Lauf der Zeit in der Lage sein werden, die Mittelklasse anzusprechen und einem jungen Publikum Populismus und Nationalismus näherzubringen«. Damit lag er leider richtig. Was fast ebenso wichtig war: Ein erster Schritt hin zu einer Öffnung der AfD für eine engere transatlantische Einbindung war gemacht. Sie halte Bannon »für einen sehr gut informierten und analytisch starken Geist«, lobte Weidel, »von dem man einiges lernen kann«. Und wenn es nur ist, dass es außenpolitisch für Kräfte wie die AfD Alternativen zur Orientierung auf Russland gibt.
Weltweite Kontakte
Den nächsten Anlauf, die extreme Rechte in Europa mit dem US-Trumpismus zu verknüpfen, unternahm die Conservative Political Action Conference (CPAC). 1974 von der American Conservative Union (ACU) gegründet, hält sie einmal pro Jahr ein Vernetzungstreffen ab, das sich in den 2000er Jahren von einem überschaubaren Event zu einer Massenveranstaltung wandelte, häufig war von einem »Woodstock für Konservative« mit Tausenden Teilnehmern die Rede. Zugleich wurde sie immer deutlicher vom ultrarechten Flügel der US-Republikaner geprägt. Seit 2011 ist sie mit dem Namen Donald Trump verbunden. Der Milliardär, der sich bis dahin noch nicht als Politiker hervorgetan hatte, trat damals zum ersten Mal auf der CPAC auf und traf mit seiner Behauptung, fremde Staaten beuteten die USA hemmungslos aus, auf begeisterte Zustimmung. Falls er sich einmal entscheide, Präsident zu werden, so fuhr er fort, »wird unser Land wieder großartig sein«. Den Ton kennt man heute. Manchen gilt Trumps CPAC-Auftritt von 2011 als eigentlicher Einstieg in seine politische Karriere. Spätestens als er 2017 das Präsidentenamt zum ersten Mal antrat, schwenkte die CPAC vollständig auf seine politische Linie ein, und dabei ist sie bis heute geblieben.
2017 begannen die Organisatoren der CPAC mit ihrem Format in ausgewählte Länder der – im politischen Sinne – westlichen Welt zu expandieren. Ziel war es, intensive Bindungen zur jeweiligen nationalen Rechten zu schaffen und diese zugleich zu mobilisieren. Es begann im Dezember 2017 mit der CPAC Japan, die seither regelmäßig stattfindet. Neben Politikern vom hart rechten Flügel der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) waren dort auch schon Politiker aus Taiwan zu Gast. 2019 war zur CPAC Japan ein gegen Beijing agitierender Aktivist aus Hongkong geladen, wenngleich die chinesischen Behörden seine Abreise unterbanden. 2019 fanden – wie in Japan jeweils in Anwesenheit zahlreicher US-Republikaner und von Personen wie Bannon – weitere CPACs in Südkorea, in Australien und in Brasilien statt, letztere in Kooperation mit Eduardo Bolsonaro, dem Sohn und quasi Außenbeauftragten des damaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. 2022 kamen CPACs in Mexiko und in Israel hinzu, 2024 die CPAC Argentinien, die in hohem Maß auf den neuen Präsidenten des Landes Javier Milei fokussierte. Mit dabei waren unter anderem Lara Trump, Schwiegertochter des damaligen President-elect, und – per Videobotschaft – Steve Bannon.
Mit Orbáns Hilfe
2022 fand erstmals auch eine CPAC Hungary statt, die seitdem jährlich abgehalten wird und Politiker und Aktivisten der extremen Rechten in Europa mit US-Trumpisten und auch mit Rechten von weiteren Kontinenten zusammenführt. Aufgetreten sind in den vergangenen Jahren Personen wie Jordan Bardella (RN), Herbert Kickl (FPÖ) und Roger Köppel (SVP), Gerolf Annemans (Vlaams Belang), Geert Wilders (PVV) und Santiago Abascal (Vox). 2024 konnten die Gastgeber stolz drei ehemalige Ministerpräsidenten begrüßen – Tony Abbott aus Australien, Mateusz Morawiecki aus Polen, Janez Janša aus Slowenien –, darüber hinaus sieben amtierende Minister – fünf aus Ungarn, zwei aus Israel – und sogar zwei amtierende Ministerpräsidenten, Viktor Orbán und Irakli Kobakhidze aus Georgien. Unter den gut 3.000 Teilnehmern seien fast 500 ausländische Gäste gewesen, hieß es. Eine Videobotschaft gab es – wie schon 2023 – von Donald Trump persönlich. In der Vergangenheit war auch schon Eduardo Bolsonaro auf der CPAC Hungary aufgetreten. Dieses Jahr findet die Veranstaltung am 29. und 30. Mai in Budapest statt.
Dass die CPAC die ungarische Hauptstadt als Standort für ihren Ableger in Europa gewählt hat, liegt – wie könnte es anders sein – an Viktor Orbán. Er rühmt sich guter Beziehungen zu Trump und war bereits involviert, als Bannon 2018 seinen ersten Versuch startete, Europa an die US-Rechte anzubinden. Die reaktionäre Wende, die er dem ungarischen Staat verpasst hat, seit er im Jahr 2010 das Amt des Ministerpräsidenten antrat, hat Folgen: Längst ist in Budapest ein Netzwerk aus rechten Organisationen und Institutionen entstanden, die, genährt zum Teil aus staatlichen Geldern, nicht nur das politische Klima in Ungarn prägen, sondern auch ins Ausland ausgreifen.
In Ungarn etwa erscheinen die Quartalszeitschriften The European Conservative und seit 2021 The Hungarian Conservative, die jeweils in englischer Sprache, mit nationalkonservativen bis extrem rechten Autoren ein internationales Publikum anvisieren. Finanzielle Unterstützung kommt – auf Umwegen über Stiftungen – vom Staat. Enge Beziehungen zur US-Rechten sind vorhanden, personifiziert etwa durch Rod Dreher – einen langjährigen Mitarbeiter des The American Conservative, der 2022 nach Budapest umgezogen ist und heute für The European und The Hungarian Conservative schreibt. 2023 berichtete er im Hungarian Conservative begeistert über Orbáns CPAC-Rede.
Heritage Foundation
Die Beziehungen sind dicht geknüpft. Dreher ist unter anderem auch Visiting Fellow beim Budapester Danube Institute, das 2013 gegründet wurde, um einen breiten gedanklichen Austausch mit Intellektuellen zunächst aus anderen Staaten Mitteleuropas, dann aber auch »mit der englischsprachigen Welt« zu pflegen, wie es selbst mitteilt. Dabei sieht es sich »in der nationalen Sicherheitspolitik einem realistischen Atlantizismus« verpflichtet. Eine seiner aktuell vier Partnerorganisationen ist die Washingtoner Heritage Foundation, eine der aktuell einflussreichsten rechten Denkfabriken im US-Establishment. Sie hat im vergangenen Jahr im Rahmen ihres »Project 2025« Konzepte und Strategien für eine – damals erhoffte – zweite Präsidentschaft Trump entwickelt, an die der Präsident inzwischen anknüpft. Kevin Roberts, Präsident der Heritage Foundation, hatte schon im November 2022 Orbán in Washington empfangen und Ungarns politische Entwicklung unter seiner Führung in den höchsten Tönen gelobt. Als sich während Trumps Amtseinführung am 20. Januar eine Delegation der Patriots for Europe (PfE) in Washington aufhielt – der PfE-Fraktion im Europaparlament gehören unter anderem der RN, die FPÖ, die italienische Lega und Orbáns Fidesz an –, da wurde sie auch bei der Heritage Foundation empfangen.
Die Heritage Foundation wiederum, die – 1973 gegründet – seit Roberts’ Amtsantritt im Dezember 2021 auf eine an Trump orientierte Linie eingeschwenkt ist, tut sich mittlerweile auch selbst zunehmend in Europa um. Am 7. Februar 2025 etwa traf Roberts am Rande der PfE-Generalversammlung in Madrid mit führenden Vertretern der PfE-Mitgliedsparteien zusammen. Am 21. Februar rief er auf einem Treffen der ultrakonservativen Alliance for Responsible Citizenship (ARC) in London laut einem Bericht des Webportals Desmog zu einer engeren Zusammenarbeit rechter Organisationen auch über den Atlantik hinweg auf.
Am 11. März wiederum debattierten Mitglieder der Heritage Foundation mit Vertretern des Orbán-nahen ungarischen Mathias Corvinus Collegium (MCC) und des der polnischen Kaczyński-Partei PiS nahestehenden Ordo Iuris Institute for Legal Culture über ein Papier, das MCC und Ordo Iuris gemeinsam verfasst hatten – es sieht einen Umbau der EU vor. Die Kompetenzen der Nationalstaaten sollen gestärkt, die Kompetenzen der Brüsseler Apparate reduziert, die Bürokratie abgebaut werden, ähnlich wie es Elon Musk mit seiner Sonderbehörde DOGE in den USA macht. Die Transformation soll in eine European Community of Nations (ECN) münden. Dies entspricht wohl den Zielen der Heritage Foundation. Innenpolitisch wird das Europa, das die drei Organisationen anstreben, mit den Namen Orbán und Kaczyński vermutlich hinlänglich beschrieben sein.
Neue AfD-Ausrichtung
Vor diesem Hintergrund ist es überhaupt nicht erstaunlich, dass Elon Musk am 20. Dezember 2024 auf X postete »Nur die AfD kann Deutschland retten«, dass er am 28. Dezember in der Welt am Sonntag schrieb, die AfD sei »der letzte Funke Hoffnung für dieses Land«, dass er am 9. Januar 2025 auf X ein Werbeinterview mit AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel führte und dass er sich schließlich am 25. Januar zum AfD-Wahlkampfauftakt in Halle per Video hinzuschalten ließ. Auch die Rede von US-Vizepräsident Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, sein demonstratives Gespräch mit Weidel – all das passt genau zu dem politischen Kurs, den Bannon 2017 und Grenell 2018 eingeschlagen haben, den die CPAC 2022 übernahm und dem jetzt auch die Heritage Foundation folgt. Ziel ist es offenbar, die EU in ihrer heutigen Gestalt zu zerstören und sie, so darf man aus den Debatten der Heritage Foundation schließen, durch ein Modell zu ersetzen, das schon seit Jahrzehnten unter Stichworten wie »Europa der Nationen« diskutiert wird.
Festzuhalten wäre allerdings, dass Musk, Vance und Trumps »Kryptozar« David Sacks der Techszene des Silicon Valley entstammen, in der weniger nationalkonservative oder andere klassisch rechte Ideologien etwa Bannons oder der CPAC verbreitet sind, sondern vor allem rechtslibertäres Gedankengut. Seit Vance im Silicon Valley sein erstes großes Geld zu machen begann, war der Techmilliardär Peter Thiel sein Mentor, übrigens einer der wichtigsten Trump-Unterstützer des Jahres 2016. Der Rechtslibertäre Thiel schrieb einst, er glaube nicht mehr daran, dass »Freiheit und Demokratie vereinbar« seien. Kaum jemand nahm an, er wolle von nun an seine Freiheit hintanstellen.
Vance hat sich in der Vergangenheit gelegentlich auch auf den Blogger Curtis Yarvin berufen, der sich einst dafür ausgesprochen hatte, die USA von einem »nationalen CEO« mit Kompetenzen wie ein Startup-Boss regieren zu lassen – von etwas also, »was man einen Diktator nennt«, räumte Yarvin offen ein. Soll man sich an Trump, sein Regieren per Dekret, seine Missachtung der Justiz erinnert fühlen? Musk, der nach eigenen Angaben einst die Demokraten wählte, hat den Schwenk zur rechtslibertären Ideologie im Jahr 2022 vollzogen. In zentralen Punkten mit der AfD sowie mit anderen extrem rechten Parteien Europas kompatibel ist sie durchaus.
Freilich verschiebt sich dabei etwas in der AfD. Die starke russlandaffine Strömung in ihr »fremdelt«, so hat es Götz Kubitschek, einer der Vordenker der deutschen extremen Rechten, an Silvester 2024 beschrieben, »mit dem Westen, der transatlantischen Bevormundung, der NATO und der populär-ordinären Kulturhoheit des Hegemons«. Musk aber stärke »mit seiner stimmungsverändernden Unterstützung« für die AfD »jene Teile« der Partei, »die seine Agenda teilen«. »Er bindet die Partei«, folgerte Kubitschek, »enger an die USA«. Vor allem biete Musk der AfD »Entdämonisierung« und damit »Entlastung«. »Angesichts der Normalisierungshoffnung« trete »die Sorge über eine transatlantische Anbindung der AfD in den Hintergrund«. Künftig würden wohl Stimmen, »die auf das destruktive Potential und Verhalten der USA hinweisen« oder die »romantisierend oder realpolitisch an einer Annäherung mit Rußland arbeiten«, in der AfD »weniger Gehör finden«.
Kurz: Die AfD orientiert sich stärker transatlantisch – eine Entwicklung, wie sie etwa die Fratelli d’Italia (FdI) unter Giorgia Meloni zumindest in ihrer Hauptströmung bereits vollzogen hat. Die Trump-nahe US-Rechte arbeitet systematisch darauf hin, dass dies auf dem europäischen Kontinent umfassend geschieht. Das passt übrigens bestens zu der Neudefinition des Cordon sanitaire bzw., wie man heute sagt, der Brandmauer. Ging es einst darum, einen klaren Trennstrich gegenüber antidemokratischen, antisemitischen, rassistischen und anderweitig klar definierbaren Rechten zu ziehen, so wurde der Cordon sanitaire im Politbetrieb der EU im vergangenen Jahr umdefiniert, um Kritik an der Kooperation etwa mit Giorgia Meloni und ihren FdI auszuhebeln.
»Die Brandmauer« verlaufe im Europarlament »rechts von Melonis Partei«, verkündete im Mai 2024 ein deutscher Politiker. Daraus folge, dass etwaige Kooperationspartner »proeuropäisch, pro NATO, pro Rechtsstaat und pro Ukraine sein müssen«. Damit stehen die Trump’sche US-Rechte und ihre Kooperationspartner auf dem europäischen Kontinent durchweg diesseits der Brandmauer. Der Politiker, der diese neue Definition formulierte, war Jens Spahn, Freund von Richard Grenell, einst begeistert von Bannon und überzeugter Transatlantiker. Aber das mag natürlich Zufall sein.
Jörg Kronauer schrieb an dieser Stelle zuletzt am 8. Februar dieses Jahres über die neuen politischen Verhältnisse im Nahen Osten in Folge des Machtwechsels in Damaskus: »Alle Finger im Spiel«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Hartberg (20. März 2025 um 21:32 Uhr)Empfehlenswert, die Website und der kostenlose Newsletter in vier Sprachen: reactionary.international – welche die Bestrebungen der reaktionären und faschistischen internationalen Bewegung zusammenträgt.
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