Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 25.03.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Saudi Vision 2023

Größenwahn unterm Wüstenkönig

Saudische Riesenbauprojekte vor Pleite, weitere geplant. Arbeiter zahlen mit ihrem Leben
Von Eike Seidel
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Gute Nachricht für Sandfans: »The Line« verspricht, die umliegende Natur zu erhalten

Das gigantische, »Neom« genannte Projekt des saudischen Herrschers Mohammed bin Salman steht kurz vor der Pleite. Angekündigt hatte der Bankrott sich schon im Herbst 2024, als bei der feierlichen Einweihung des »Neom«-Luxusressorts »Sindalah« am Roten Meer der hauptverantwortliche Projektleiter, Nadhmi Al-Nasr, entlassen wurde. Salman war »not amused«, als dieser, Potemkinschen Dörfern gleich, mit gecharterten Luxusjachten zur Auffüllung des verödeten Hafens das bisherige Scheitern des Projekts zu vertuschen versuchte. Doch die veranschlagten Kosten waren um das Dreifache überzogen worden, der Zeitplan überschritten, das Scheitern des Rückzugsorts für Superreiche also offensichtlich. Unbenutzbar sind bis heute die Hotels und sogar der Golfplatz – arme reiche Saudis.

Imaginiert war zudem »The Line«, eine futuristische Stadt im Nordwesten Saudi-Arabiens. 170 Kilometer lang, 400 Meter hoch und 200 Meter breit sollte sie sein, neun Millionen Einwohner beherbergen. Gebaut werden nunmehr 2,3 Kilometer für etwa 300.000 Bewohner. Ursprünglich waren die Gesamtkosten für »The Line« auf 100 bis 200 Milliarden US-Dollar veranschlagt; derzeit gehen Fachleute von bis zu einer Billion aus. Zehn Milliarden davon entfallen laut Plan auf ein in 400 Metern Höhe »schwebendes« Stadion für die Fußballweltmeisterschaft 2034. Katar hatte vor der Weltmeisterschaft 2022 rund 6,5 Milliarden US-Dollar für sechs Stadien aufgewendet.

Bis zu 21.000 Bauarbeiter sind bislang beim Bau von »Neom« umgekommen. Fünf Mitglieder des Howeitat-Stammes wurden ermordet, weil sie sich gegen die Vertreibung gewehrt haben, mindestens 15 sitzen nach Terrorismusvorwürfen lange Haftstrafen ab, weitere 19 wurden festgenommen, lediglich acht freigelassen.

Was aus den anderen Teilen »Neoms« werden wird, steht in den Sternen: Das Skiresort (!) »Trojena« für die asiatischen Winterspiele 2029 wird im Gebirge im Nordosten Saudi-Arabiens errichtet. Für 7.000 Einwohner und etwa 700.000 Touristen soll es jährlich Ambiente bieten. Flächig wie Kitzbühel, aber um Größenordnungen luxuriöser. Der zwecks Erzeugung von Kunstschnee für 4,5 Milliarden US-Dollar künstlich angelegte 2,8 Kilometer lange Stausee dürfte 2026 nicht wie geplant fertig werden – und ebenso teurer werden. Zur Deckung der Kostenexplosion sind die künftigen Hotelpreise vorsorglich um mehr als das Dreifache angehoben worden. Pro Nacht werden statt 216 voraussichtlich 704 US-Dollar fällig, beim teureren Boutiquehotel sogar 1.866 statt der zuvor kalkulierten 489 US-Dollar. Das erinnert stark an Elon Musks Mondpreis für einen Flug zum Mars, der von 100.000 auf 500.000 US-Dollar verfünffacht wurde.

Schätzungen zufolge wird »Neom« frühestens im Jahr 2080 fertig. Insgesamt 40 Milliarden US-Dollar hat Saudi-Arabien bislang im Rahmen von Salmans »Saudi Vision 2030« für den Bau »Neoms« aufgewendet. Weitere 370 Milliarden US-Dollar werden bis zur für 2034 vorgesehenen ersten Ausbaustufe noch benötigt. Zur finalen Fertigstellung in 55 Jahren könnten sich die Gesamtkosten auf 8,8 Billionen US-Dollar türmen.

Doch Salmans Größenwahn kennt keine Grenzen: So soll in Dschidda nach jahrelangem Baustopp der Dschidda-Tower bis zum Ende des Jahrzehnts fertig gebaut werden. Mit 1.017 Metern soll er den Burj Khalifa in Dubai noch um etwa 170 Meter übertreffen. Da geht aber noch mehr und Salman darum richtig in die Vollen: Der »Rise Tower« soll über 2.000 Meter hoch werden und angeblich nur fünf Milliarden US-Dollar kosten. Wie bei Musks Marsvision sind dabei wesentliche Details der Machbarkeit nicht mal in Ansätzen geklärt. Mit der »Mukaab« ist zuletzt ein gigantischer Würfel von 400 Metern Kantenlänge in Riad vorgesehen. Es wäre das größte Gebäude der Welt, das neun Eiffeltürme oder 20 Empire State Buildings locker umfassen könnte – und das für nur 50 Milliarden US-Dollar.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (24. März 2025 um 20:59 Uhr)
    Machen wir doch einen Deal: Salman drückt dem Musk 500.000.000.000 US-Dollar in die Hand, und ich mache die Passagierliste. Erster Start: 1.1.2026, bis dahin kann Musk ein paar Raketen basteln. Vielleicht bewirbt sich ja auch Bezos. Mit der Durchführung dieses Plans würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Oder sogar drei: Es bräuchten keine Bauarbeiter beim Bau von Neom sterben.

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