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Aus: Ausgabe vom 28.03.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Tesla und Elon Musk

Tesla fährt Richtung Abgrund

Absatz und Aktienkurs des E-Auto-Konzerns stürzen ins Bodenlose. Musk fleht bei Beschäftigten um Loyalität
Von Sebastian Edinger
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Elon Musk kostet die Spritztour mit Donald Trump mittlerweile etliche Milliarden (Graffito in Warschau)

Gerade einmal drei Monate ist es her, dass Tesla-Chef Elon Musk auf seiner Social-Media-Plattform X großspurig ankündigte, die E-Auto-Firma könnte bald das wertvollste Unternehmen der Welt sein. Dann könne »diese Shortposition sogar Bill Gates in den Bankrott treiben«, schrieb er. Damals hatte sich der Tesla-Aktienkurs innerhalb weniger Wochen auf über 400 US-Dollar verdoppelt. Bereits gut zwei Jahre zuvor war bekannt geworden, dass Microsoft-Gründer Gates eine üppige Shortposition auf Tesla hält, also auf Kursverluste wettet. Ob er diese Position noch im Portfolio hat, ist nicht bekannt. In den vergangenen Monaten hätte er damit viel Geld verdienen können.

Denn nachdem der Kurs kurz vor Weihnachten mit 461,10 Euro ein neues Allzeithoch erreicht hatte, setzte ein beispielloser Absturz ein. Mitte März war der bisherige Tiefpunkt dieser Talfahrt erreicht – das Papier mit 209,20 Euro nicht einmal mehr halb so viel wert wie drei Monate zuvor. In dieser Zeit hat Musk schlappe 122 Milliarden US-Dollar verloren, und Tesla-Shortseller haben laut Daten der Softwarefirma S3 Partners 16,2 Milliarden gewonnen. Dieser Analyse zufolge werden gegenwärtig rund 70 Millionen Tesla-Aktien geshortet, das Interesse an Wetten gegen die E-Auto-Firma ist groß.

Ein wichtiger Hintergrund zur neuen Phase des Krieges der Börsianer um den Tesla-Kurs ist das Abschmelzen von Musks Fangemeinde. Seine Rolle in der US-Regierung, insbesondere die »Kettensägen«-Attacke gegen öffentliche Behörden durch die Anti-Bürokratie-Einheit DOGE, kostet Musk viel Popularität. Mehr als 100.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst wurden durch das rabiate Vorgehen bereits gedemütigt und entlassen. Seine diversen extrem rechten Äußerungen und das Zeigen des Hitlergrußes auf offener Bühne waren Musks Beliebtheit ebenso wenig zuträglich wie diverse Skandale um miserable Arbeitsbedingungen und aggressive Angriffe auf Beschäftigte, die sich organisieren wollen. Es ist nicht mehr hip, sondern peinlich, Tesla zu fahren.

Deshalb verkaufen nun Promis wie die Musikerin Sheryl Crow oder der Schauspieler Jason Bateman ihre Teslas öffentlichkeitswirksam. Wer sich noch nicht von seinem E-Auto-Schätzchen trennen mag, distanziert sich zumindest per Aufkleber vom Konzernchef. Slogans wie »Ich habe dieses Auto gekauft, bevor Elon verrückt wurde« erfreuen sich großer Beliebtheit. Aktivisten sorgen zudem dafür, dass täglich zahlreiche Fahrzeuge in Flammen aufgehen. Auch Verkaufsfilialen und Tesla-Ladesäulen sind ein beliebtes Ziel handfester Angriffe.

Neue Fahrzeuge werden ohnehin kaum noch verkauft – hier verschärft sich ein Abwärtstrend, der schon im vergangenen Jahr erkennbar war. Weltweit gehen die Absatzzahlen zurück. In Deutschland, wo Musk zuletzt auch durch Wahlbeeinflussung zugunsten der AfD auffällig wurde, brach der Absatz sogar um 76 Prozent ein – und das bei insgesamt stark steigender Nachfrage nach E-Autos. Laut einer Umfrage der Deutschen Automobil-Treuhand sagen zudem 35 Prozent der Fuhrparkleiter von Unternehmen, dass sie die Beschaffung von Tesla-Fahrzeugen grundsätzlich überdenken. Weitere acht Prozent berichten von Dienstwagenberechtigten, die ihre Teslas zurückgeben wollen.

Zuletzt sah es allerdings so aus, als gelänge es Musk, den Niedergang abzubremsen und den Aktienkurs erst einmal auf einem relativ niedrigen Niveau zu stabilisieren. Zumindest vorläufig hat sich der Wert bei rund 250 Euro eingependelt. Vergangene Woche hatte Musk spontan zu später Stunde eine Betriebsversammlung einberufen, um seine Beschäftigten dazu zu bewegen, ihre Tesla-Papiere zu halten. Der Firmenchef bettelte um Loyalität und stellte eine rosige Zukunft im Tesla-Schlaraffenland in Aussicht: »Was ist die aufregendste Zukunft, die Sie sich vorstellen können?« fragte er die Belegschaft – und antwortete dann selbst: »Eine Zukunft des Überflusses für alle.« Selbstfahrende Taxis, künstliche Intelligenz und die Roboter, die Tesla derzeit entwickelt, würden eine Zukunft schaffen, »in der man buchstäblich alles haben kann, was man will«.

Um darzulegen, wie gut die Lage des Unternehmens sich schon heute gestaltete, prahlte er auch, der Tesla-Cybertruck sei der meistverkaufte vollelektrische Pick-up der Welt. Dass kurz zuvor alle der knapp 50.000 bisher ausgelieferten Cybertrucks wegen eines technischen Problems zurückgerufen werden mussten, kam nicht zur Sprache.

Unterstützung bekam Musk auch aus der Regierung. So empfahl etwa US-Handelsminister Howard Lutnick zum Kauf von Tesla-Aktien. Er selbst besitze indirekt rund 750.000 Stück. Damit hätte er ein gewaltiges Eigeninteresse an einer Kursstabilisierung. Präsident Donald Trump startete gemeinsam mit Musk sogar eine Werbeaktion vor dem Weißen Haus. Auf der Südwiese ließ er mehrere Fahrzeuge auffahren und verkündete, er liebe Tesla. Die Wagen gebe es schon ab 35.000 Dollar zu kaufen, »was ziemlich wenig ist«. Musk bestätigte, dass viele denken, Tesla sei teuer, aber das sei gar nicht der Fall.

Vandalismus gegen Tesla-Fahrzeuge oder -Ladesäulen bezeichnete Trump bei der Gelegenheit auf Nachfrage einer Journalistin als »inländischen Terrorismus«, gegen den er hart vorgehen wolle. Justizministerin Pamela Bondi verkündete zudem, sie werde bald Anklage gegen drei Männer erheben, die Tesla-Ladesäulen mit Brandsätzen angegriffen hatten. Bis zu zwanzig Jahre Haft stellte sie ihnen in Aussicht.

Angriffe mit Leerverkäufen

Bill Gates und andere Spekulanten wetten als Shortseller auf sinkende Aktienkurse – im aktuellen Fall auf Verluste bei Tesla-Wertpapieren. Dazu tätigen sie sogenannte Leerverkäufe. Bei diesem risikobehafteten Anlagemodell verkauft der Investor Aktien oder andere Finanzinstrumente wie Anleihen, die er überhaupt nicht besitzt, sondern sich zuvor von einem Dritten geliehen hat. Er hofft darauf, sie später zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen und dem Verleiher zurückgeben zu können. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufpreis stellt dabei den potentiellen Gewinn oder Verlust dar.​

Für das Unternehmen, auf dessen Kursverfall gewettet wird, können die Leerverkäufe schnell zum Problem werden. Ein hoher Anteil an Leerverkäufen kann den Kurs drücken und die Finanzierungsmöglichkeiten erschweren. Es kann zum Herdenverhalten an der Börse kommen – immer mehr Spekulanten beteiligen sich an der Attacke, um am Niedergang des betroffenen Unternehmens mitzuverdienen, tätigen ebenfalls Leerverkäufe und treiben den Kurs so immer weiter nach unten. Umgekehrt können die Leerverkäufe auch für die Angreifer kostspielig werden, wenn sie sich verzocken und es dem Unternehmen gelingt, den Angriff abzuwehren und für steigende Kurse zu sorgen.

In der EU unterliegen Leerverkäufe bereits seit 2012 einer umfassenden Regulierung. Ab bestimmten Grenzwerten müssen die Positionen der Finanzaufsicht gemeldet werden. Sogenannte »ungedeckte Leerverkäufe«, bei denen Aktien oder Anleihen leerverkauft werden, ohne sie durch eine Leihe oder verbindliche Vereinbarung tatsächlich zu besitzen, sind gänzlich verboten. Dies ist eine Konsequenz aus der Finanzkrise in den nuller Jahren, als Leerverkäufer die Krisendynamik durch spekulative Attacken gegen angeschlagene Geldhäuser wie die US-Großbank Lehman Brothers verschärft hatten. (se)

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  • Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (28. März 2025 um 01:06 Uhr)
    Wenn hinterhältig-strategisch denkende Großkapitalisten wie Gates einen Konzer shorten, ist das ein ziemlich klarer Hinweis darauf, dass der Zielkonzern marode ist. Denn der fette statistische Nachteil dieser Art von Wette ist solchen Typen selbstverständlich bekannt: Während – unter Vernachlässigung der i.d.R. relativ geringen Transaktionskosten – bei einer Long-Position die Gewinnchance unendlich und das Verlustrisiko auf 100 Prozent begrenzt ist, verhält es sich bei einer Short-Position genau umgedreht und es fallen auch noch Mietkosten an den Stillhalter an, sodass die Gewinnchance sogar unter 100 Prozent bei unendlich hohem Verlustrisiko liegt.
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