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Aus: Ausgabe vom 28.03.2025, Seite 16 / Sport
Schach

Zynisches Angebot

Bei der Schacheuropameisterschaft in Eforie Nord (Rumänien) gewann Matthias Blübaum zum zweiten Mal nach 2022 den Titel
Von Sören Bär
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Der neue Europameister: Matthias Blübaum von den Schachfreunden Deizisau

Vor der abschließenden elften Runde der Schacheuropameisterschaft am 26. März führten Matthias Blübaum (Deutschland) und der nach Spanien ausgewanderte Russe Daniil Juffa gleichauf mit jeweils acht Punkten aus zehn Partien das Mammutfeld der 375 Teilnehmer an. Während Blübaum im Finaldurchgang die weißen Steine gegen den WM-Kandidaten 2024 Nijat Abasow (Aserbaidschan) führte, musste Juffa als Nachziehender gegen Blübaums Landsmann Frederik Svane spielen. Da Blübaum in der siebenten Runde im direkten Vergleich gegen Juffa ein schöner Sieg gelungen war, wusste er, dass ihm im Falle einer Punktgleichheit die bessere Wertung zur Goldmedaille verhelfen würde. Diesen Vorteil nutzte er zu einem etwas zynischen Remisangebot nach nur fünf Zügen, das Abasow eilfertig akzeptierte, um damit seine Weltcupteilnahme abzusichern.

Neben dem EM-Lorbeer ging es nämlich auch um die Qualifikation für den lukrativen World Cup, die nur den bestplazierten 20 Spielern vergönnt sein würde. Dies sorgte an vielen Brettern für erhöhte Friedfertigkeit, nicht jedoch in der Begegnung Svane–Juffa. Der Deutsche zockte, schraubte mit einem Bauernopfer das Risiko hoch und wurde belohnt, weil Juffa in Zeitnot die Komplikationen nicht bewältigte und mehrmals patzte. Gleichzeitig besiegte Maxim Rodshtein (Israel) den Armenier Shant Sargsjan und schloss zu Blübaum und Svane auf.

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Der neue Europameister: Matthias Blübaum von den Schachfreunden Deizisau

Alle drei Medaillengewinner verfügten über 8,5 Zähler und blieben ungeschlagen. Nach Wertung wurde Blübaum zum Europameister gekrönt, während sich Svane über die Silbermedaille freuen durfte und Rodshtein Bronze erhielt. Für den 27jährigen Blübaum ist es nach 2022 der zweite Triumph. Er ist nun der einzige Spieler überhaupt, der den Kontinentaltitel zweimal gewinnen konnte. Da sich unter den Top 20 einige bereits qualifizierte Akteure befanden, reichten Niclas Huschenbeth 7,5 Zähler und Platz 24 für die Weltcupqualifikation.

Alexander Dontschenko und Svane, mit ebenfalls 7,5 Punkten auf den Rängen 27 und 29, werden mit ihren respektablen Plazierungen nicht lange hadern, denn sie waren schon vorher für den Weltcup qualifiziert. Dies blieb hingegen Roven Vogel, dem U-16-Weltmeister von 2015, der sich zuletzt im Aufwind befand, verwehrt. Durch eine Niederlage in der letzten Runde blieb er bei sieben Punkten hängen und fiel auf den 44. Platz zurück. Ein bitteres Schicksal, das der in Oschatz geborene 24jährige u. a. mit der 56jährigen Schachlegende Wassili Iwantschuk (Ukraine) teilt. Der frühere Weltranglistenzweite aus Lwiw gewann im Turnierverlauf wie die drei Erstplatzierten immerhin sechs Partien, doch seine dritte Niederlage war gleichbedeutend mit dem Scheitern im Rennen um die Weltcupteilnahme.

Matthias Blübaum – Daniil Juffa

Europameisterschaft Eforie Nord, Runde 7, 22. März 2025 – Nimzowitsch-Indisch – Klassische Variante

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.Dc2 O-O 5.a3 Lxc3+ 6.Dxc3 b6 (Juffa entscheidet sich für die erprobte klassische Fortsetzung. 6…d5 7.Sf3 dxc4 8.Dxc4 b6 mit der Idee 9…La6 war zuletzt en vogue.) 7.e3 (Blübaum wählt statt 7.Lg5 einen zurückhaltenden Aufbau.) 7…c5 8.Sf3 Lb7 9.Le2 cxd4 10.exd4 Sc6 11.b4 Se7 12.O-O Tc8 13.Db3 Sf5 14.Lb2 Se4 15.d5 b5? (Diese Idee hat ein Loch.) 16.dxe6! (Übersah Juffa diesen Zwischenzug? 16.cxb5?! Lxd5 17.Dd3 Sed6! war wohl die Absicht des Neuspaniers.) 16…fxe6 17.Tad1?! (17.cxb5! +/- hätte hier funktioniert, denn auf 17…Ld5 verfügt Weiß über 18.Dd3!, wohingegen 17…Sg5! mit 18.Dd1! pariert werden konnte.) 17…​​​​​​​bxc4 18.Lxc4 Txc4!? 19.Dxc4 Sg5 20.Se5!? (Weiß kann dank präziser Berechnung mit dem Feuer spielen. Solider geschahen 20.Se1! oder 20.Sxg5 Dxg5 21.g3.) 20…​​​​​​​Lxg2! 21.Kxg2 Da8+ (Ist es um den weißen Monarchen geschehen?) 22.Sc6! (Nein! Blübaum muss diese Replik, mit der er ein Tempo für den Verteidigungszug 23.Td3 gewinnt, schon bei 20.Se5 gesehen haben.) 22...dxc6 (22…Dxc6? 23.Dxc6 dxc6 24.Td7 +-) 23.Td3! c5+ 24.f3! (Nach einer Serie forcierter Züge bringt Blübaum damit Halt in seine löchrige Königsbastion.) 24…​​​​​​​cxb4 25.Lc1! (Doppelangriff, der Sg5 und der Bauer b4 sind bedroht.) 25…​​​​​​​Tc8 26.Dxb4 Tc2+ 27.Ld2! h6 28.Kh1 De8 29.Lxg5 hxg5 30.Td2! Txd2 31.Dxd2 Dh5 32.De1 Kf7? (32…Kh8, denn auf f7 ist der König verwundbar.) 33.De5 Dh3 34.Kg1 g4? (Der entscheidende Lapsus, denn nun kann Weiß dem schwarzen Herrscher den Garaus machen. Abwarten mit 34…Dh4 war angesagt.) 35.Te1! g6 (35…Dh6 36.fxg4 +-) 36.Dxe6+ Kg7 37.De5+ Kf7 38.Dc7+ Kf6 39.Dc3+ Kg5? (Stürzt sich ins Schwert, doch auch 39…Kf7 war hoffnungslos.) 40.f4+! Kxf4 (Ein schönes Matt folgt auf 40…Kh5 mit 41.Dh8+ Sh6 42.Te5+! g5 43.Txg5+ Kh4 44.Dxh6#. Einfacher sind 40…Kh6 41.Dh8# bzw. 40…Kh4 41.Dh8+ Sh6 42.Dxh6#.) 41.Dd2+ (41…Kf3 42.Df2#, während 41…Se3 42.Dd4+ Kf5 43.Txe3 +- Springer und Dame gewinnt, denn es drohen 44.De5# und 44.Txh3.) 1:0.

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